Irgendwann so zwischen 2 und 3 Uhr am frühen Dienstagmorgen werden sie wohl ankommen. So lauten die Schätzungen für einen der wohl ungewöhnlichsten Transporte auf dem Rhein seit langer Zeit. Dazu hat das Tankmotorschiff „Eventus“ das Mannheimer Museumsschiff längsseits gekoppelt und bringt es so zu einer Werft nach Köln-Deutz, wo der alte Schaufelraddampfer untersucht sowie der Rumpf gereinigt und gestrichen werden soll.
Der Start, ursprünglich am frühen Montagmorgen gedacht, zieht sich hin. Es ist fast noch dunkel, als Rolf Götz an dem historischen Raddampfer eintrifft. Der mit dem Bloomaulorden geehrte Unternehmer und seine Mitstreiter vom Verein Museumsschiff Mannheim haben das ehemals größte Exponat des Technoseums im Mai als Schenkung übernommen und so seine Verschrottung verhindert.
Nun schleppt Götz erst mal einen 20 Liter-Kanister mit Diesel an Bord. „An alles muss man denken“, seufzt er. Der Treibstoff soll im Notfall ein Notstromaggregat speisen und dieses Pumpen antreiben, falls auf der Fahrt ein Leck auftreten sollte. Kurz vorher haben Inhaber Oliver Fassoth und seine Mitarbeiter von Elektro Heinemann noch neue Leitungen für Positionslichter gelegt. „Der alte Kram war kaputt“, sagt Götz.
Hafengesellschaft hilft
Dem Museumsschiff sieht man an, dass es mal ein Schmuckstück war – bis 2018 das Technoseum den Betrieb eingestellt hat. Jetzt ist alles sehr verstaubt, ja verdreckt und traurig. Man sieht noch alte, vergilbte Technoseum-Plakate von 2018, an Wänden wenige Poster („Das Leben im Neckar“), alte Anker und Schiffsschrauben sowie ein hölzernes Steuerrad als Reste der alten Ausstellung. Sonst ist alles leer: Schänke, Wände, Räume. Aber ein Enterhaken wurde zurückgelassen. „Zur Treibholzentfernung“, wie ein Schild verrät.
Nun rückt zunächst einmal die Wasserschutzpolizei an und sperrt die Schifffahrt. An der Feudenheimer Schleuse wird seit dem frühen Morgen ohnehin keiner mehr durchgelassen. Auf dem Neckar unterhalb der Kurpfalzbrücke bringen sich jetzt nämlich die MS „Oberrhein“ der Staatlichen Rhein-Neckar-Hafengesellschaft und ihr Arbeitsboot „Rheinau“ in Position, um die Abfahrt des Museumsschiffs zu unterstützen. „Die haben sich da unglaublich reingekniet, um uns zu unterstützen“, dankt Götz Hafendirektor Uwe Köhn und seinen Männern.
Aber es dauert, bis sie loslegen können. Der Befehl „Leinen los!“ lässt sich nämlich nicht so einfach umsetzen. Zwar macht es um 6.23 Uhr das erste mal „Platsch“, und eines der Stahlseile, mit denen das Museumsschiff bislang fest am Ufer vertäut war, fliegt ins Wasser. Doch es dauert noch über eine Stunde, bis wirklich alle Ketten und Seile gelöst sind. Dazu setzen die vier Männer der Kölner Werft, die eigens für die Vorbereitungen nach Mannheim gekommen sind, Trennschleifer und einen schweren Hammer ein. Eine Kette ziehen sie sogar mit ihrem Kleinbus per Anhängerkupplung aus dem Neckar.
Testmanöver bei Frankenthal
7.21 Uhr, knapp eine Stunde nach dem Lösen des ersten Stahlseils, ist der Raddampfer völlig frei. Nun geht die Arbeit für die „Oberrhein“ und die „Rheinau“ los. Deren Besatzungen haben vorher schon Taue auf dem Museumsschiff befestigt. Nun hört man das Brummen der auf Hochtouren laufenden Motoren. Rund 700 PS hat die „Oberrhein“, sogar 770 PS die „Rheinau“, und gemeinsam ziehen sie so das Museumsschiff langsam vom Ufer weg bis zur Mitte des Neckars.
Sofort schiebt sich die „Eventus“, die schon die ganze Zeit flussabwärts bereitliegt, zwischen südliches Ufer und Museumsschiff. Sonst hat der Tanker 3030 Liter Mineralöl an Bord. Nun ist er leer, nimmt dafür das Museumsschiff auf seine Steuerbordseite. Das ist mit knapp 84 Metern kürzer als die „Eventus“ mit ihren 110 Metern. Beide werden fest miteinander vertäut, und so entsteht ein ungewöhnlicher und breiter Verband. Auf dem Neckar beansprucht er die gesamte Fahrrinne, daher bleibt der für die Schifffahrt gesperrt, bis die 2000 PS starke „Eventus“ und das Museumsschiff gemeinsam den Rhein erreicht haben.
„Ich bin froh, wenn wir in Köln sind“, gesteht Steffen Gausch, einer der beiden Geschäftsführer der Gausch Tankschifffahrt GmbH aus Rheinmünster-Greffern. Mit Daniel Gausch und Robert Wegener steuert er nun den Verband. Sonst fährt sein Familienbetrieb Mineralöl auf Rhein und Neckar oder betankt Transport- und Passagierschiffe in der Nordsee. Doch so etwas habe er noch nie gemacht, kommentiert Gausch die Aufgabe, die er auf Bitten der Reederei Stetra in Ludwigshafen übernommen hat. Ihnen sei er „extrem dankbar“, sagt Götz – denn sie übernehmen den Transport des Museumsschiffs kostenlos.
Dabei ist die Aufgabe heikel, gerade die enge Gebirgsstrecke auf dem Mittelrhein. In Mannheim gehen daher zwei Experten des Wasser- und Schifffahrtsamts an Bord und bleiben bis Frankenthal. Hier muss der Verband mitten auf dem Rhein sogenannte Hart-Manöver vorführen – also zeigen, dass er bremsen und wie er ausweichen kann. Das, so berichtet Rolf Götz von Bord, klappt aber „wunderbar“. Dann fährt der Seitenschleppverband mit maximal 13 Stundenkilometern zu Tal, passiert am Nachmittag das Rheinufer von Mainz und Kastel und am Abend Koblenz.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mannheimer-museumsschiff-auf-dem-weg-nach-koeln-_arid,2103680.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/rheinau-hochstaett.html