Mannheim. Herr Prof. Taupitz, ist Kinder zu haben ein Grundrecht?
Jochen Taupitz: Ja, verschiedene Grundrechte wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Fortpflanzungsfreiheit und die Familiengründungsfreiheit gewährleisten das Recht, sich fortzupflanzen und dafür auch reproduktionsmedizinische Verfahren in Anspruch zu nehmen.
Der Gesetzgeber hat 1990 die Eizellspende verboten. Die Kommission legt nahe, dieses Verbot zu kippen. Warum?
Taupitz: Wir leben in einer freiheitlichen Gesellschaft, jede gesetzliche Einschränkung von Grundrechten bedarf einer hinreichenden Begründung.
Diese Begründung fehlt beim Verbot der Eizellspende?
Taupitz: Richtig! Vor mehr als 30 Jahren, als der Gesetzgeber das Verbot erlassen hat, wurde befürchtet, dass das Kind Identitätsfindungsprobleme haben könnte, wenn es erfährt, dass es zwei Mütter hat: eine genetische Mutter, die die Eizelle gespendet hat, und eine biologische Mutter, die das Kind ausgetragen und zur Welt gebracht hat. Mittlerweile weiß man aber, dass diese Probleme gar nicht bestehen.
Woher weiß man das?
Taupitz: In 13 Ländern in Europa und vielen anderen Ländern ist die Eizellspende zum Teil seit langem erlaubt. Das heißt, es gibt bereits viele Kinder, die auf diese Weise geboren wurden. Wenn Kinder Identitätsfindungsprobleme haben, hat das nichts mit der Art ihrer Zeugung zu tun, sondern hängt davon ab, wie die Eltern damit umgehen. Es gibt ja auch Kinder, die Ergebnis eines Seitensprungs sind und mit einem Vater zusammenleben, der nicht ihr genetischer Vater ist.
Trotzdem gibt es Risiken bei einer Eizellspende, Risiken für die Spenderin und Risiken für die Schwangere. Warum sollten Frauen diese Risiken eingehen?
Taupitz: Es ist ihre freie Entscheidung, ob sie die Risiken – nach hinreichender Aufklärung – eingehen wollen oder nicht. Im Übrigen enthält unsere Stellungnahme eine Reihe von Vorschlägen, wie die Risiken minimiert werden können.
Und wie?
Taupitz: Indem etwa schonende Stimulationsverfahren bei der Spenderin eingesetzt werden oder das Alter der Empfängerin einer Eizellspende begrenzt wird, weil das Risiko einer Schwangerschaft mit zunehmendem Alter steigt. Auch könnten Mehrlingsgeburten dadurch verhindert werden, dass nur eine befruchtete Eizelle eingesetzt wird. Beide Frauen sollten angemessen aufgeklärt und medizinisch-psychologisch begleitet werden.
Tatsächlich ist die Datenlage zu langfristigen Nebenwirkungen von Eizellspenderinnen dünn. Was ist, wenn sich erst in vielen Jahren negative Effekte herausstellen?
Taupitz: Ausgeschlossen ist das nicht. Aber das ist bei Medikamentenstudien, an denen Menschen freiwillig teilnehmen, nicht anders. Wir schlagen deshalb auch vor, dass es eine angemessene Versicherung der Spenderin gegen mögliche kurz- oder langfristige Gesundheitsrisiken geben sollte – analog zur Probandenversicherung bei Medikamentenstudien. Auch sollte die Zahl der so gezeugten Kinder begrenzt werden, um die Inzest-Gefahr gering zu halten.
Sollten Frauen, die Eizellen spenden, Geld bekommen?
Taupitz: Auf jeden Fall! Eine Eizellspenderin sollte eine angemessene Aufwandsentschädigung erhalten. Es wäre ja unverständlich, wenn Fortpflanzungskliniken und Ärzte, die dort arbeiten, Geld verdienen, die Spenderin aber nicht.
Was ist angemessen?
Taupitz: Das haben wir in unserer Stellungnahme bewusst nicht näher ausgeführt. Wir haben nur darauf hingewiesen, dass eine sehr niedrige Aufwandsentschädigung signalisieren könnte, dass die Leistung der Frau nur wenig wert sei.
Welche Optionen der Eizellenspende wären ethisch vertretbar?
Die Kommission hält zwei Optionen der Eizellspende für rechtlich und ethisch vertretbar:
· Es werden Eizellen gespendet, die der Spenderin im Rahmen ihrer eigenen Kinderwunschbehandlung entnommen wurden, aber von ihr dazu nicht mehr benötigt werden. Dies können auch Eizellen sein, in die bereits der Samen eines Mannes (etwa des Partners der Spenderin) eingebracht wurde (2-PN-Zellen). In Deutschland lagern in Fortpflanzungskliniken zahllose solcher Eizellen. Zudem könnte eine Eizellspende einer Partnerin in einer lesbischen Beziehung möglich sein, damit das Paar ein gemeinsames Kind bekommt.
· Es werden Eizellen gespendet, die nur für diesen Zweck entnommen wurden.
Wie wird sichergestellt, dass das Kind weiß, wer seine genetische Mutter ist?
Taupitz: Das ließe sich über das Spenderregister, das es ja schon für Samenspender gibt, gewährleisten. Dort ist jeder Samenspender zum Beispiel mit Name, Anschrift und Geburtsdatum hinterlegt. Spender können, wenn sie wollen, auch Auskunft geben über ihr Aussehen, ihre Hobbies oder die Motivation zur Spende. Das Register auch für Eizellspenderinnen zu öffnen, wäre relativ einfach.
Am Ende der Stellungnahme steht: „Mit einer entsprechenden Begründung kann das Ergebnis auch in einem Verbot der Eizellspende bestehen.“ Also doch keine Erlaubnis der Eizellspende?
Taupitz: Es gibt bekanntlich nach wie vor verschiedentlich Vorbehalte gegen die Eizellspende. Aber ein Fortbestand des Verbots müsste seitens des Gesetzgebers gut begründet sein, und das würde meiner Meinung nach für ihn sehr schwierig sein.
Könnte man nicht auch zu dem Schluss kommen, die eigene Kinderlosigkeit zu akzeptieren – sei es, weil man keine Kinder bekommen kann oder weil man in einer homosexuellen Partnerschaft lebt?
Taupitz: In der Theorie lässt sich das leicht sagen. Für viele Paare ist Kinderlosigkeit aber ein zentrales Thema und verursacht großes Leid. Mit welcher Begründung sollte man Methoden, die dieses Leid verhindern, verbieten?
Auch die Leihmutterschaft war Thema in der Kommission. Diese könnte aber weiter verboten bleiben. Warum?
Taupitz: Weil die ethische und rechtliche Situation komplexer ist und weil erhebliche Gefährdungspotenziale für die Leihmutter bestehen. Der Gesetzgeber hat nach Meinung der Kommission deshalb einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum und könnte aus guten Gründen das Verbot der Leihmutterschaft aufrechterhalten.
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