Urteil

Mannheimer Landgericht: Haftstrafe für Angeklagte im Prozess um Wurfattacken

Von 
Jessica Scholich
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In der Mannheimer Untermühlaustraße sollen die Angeklagten Gegenstände auf sechs Autos geworfen haben. © Thomas Tröster

Mannheim. Rund 30 Angehörige haben sich am Donnerstagnachmittag im Sitzungssaal 1 des Mannheimer Landgerichts versammelt. Die Anspannung bei den Beteiligten ist greifbar, als die Richterinnen und Richter am fünften Prozesstag den Raum betreten. Als der Vorsitzende Richter Joachim Bock das Urteil verkündet, laufen bei einigen Anwesenden Tränen über das Gesicht.

Drei Jahre und vier Monate Jugendstrafe – so lautet das Urteil für den 20-jährigen Slavi M. und den 19-jährigen Aleksi A., die seit Ende Dezember 2023 vor Gericht stehen. Die beiden jungen Männer haben im Mai und im Juli 2022 vom Straßenrand der Mannheimer Untermühlaustraße aus Gegenstände auf einen vorbeifahrenden Lkw und fünf vorbeifahrende Pkw geworfen. Dabei handelte es sich um einen Zimmermannshammer, drei zwei Kilogramm schwere Hantelscheiben, einen Stein sowie einen unbekannten Gegenstand.

Bei den Taten ist ein Autofahrer verletzt worden, der von umherfliegenden Glasscherben im Gesicht und am Bein getroffen wurde. Zudem entstand ein Gesamtschaden von rund 11.000 Euro an den sechs betroffenen Fahrzeugen.

Das Gericht befindet die Angeklagten des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Sachbeschädigung in allen sechs Fällen für schuldig. Dazu komme in einem Fall versuchte gefährliche Körperverletzung und vorsätzliche Körperverletzung sowie in vier weiteren Fällen versuchte gefährliche Körperverletzung.

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Entgegen dem Antrag von Oberstaatsanwalt Peter Lintz, der am vorherigen Prozesstag für eine Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wegen eines bedingten Tötungsvorsatzes plädiert hatte, sieht das Gericht diesen nicht als gegeben an: „Die Würfe haben nicht die Gefährlichkeit aufgewiesen, dass von einem Tötungsvorsatz ausgegangen werden kann“, so der Vorsitzende Richter Bock.

Urteilsbegründung: Angeklagte wollten „aus der eigenen Bedeutungslosigkeit heraustreten“

Weiterhin werden den beiden Angeklagten keine Verfahrenskosten auferlegt. Slavi M. und Aleksi A. befinden sich bereits seit Juli beziehungsweise August 2023 in Untersuchungshaft. Die Haftbefehle bleiben nach Angaben des Gerichts wegen Fluchtgefahr aufrechterhalten.

„Es ist schlicht und einfach der Alptraum eines jeden Autofahrers, was Sie getan haben“, beginnt Bock mit der Urteilsbegründung des Landgerichts. Für ihn hätten die Angeklagten nicht aus jugendlichem Übermut gehandelt, sondern sie wollten „aus der eigenen Bedeutungslosigkeit heraustreten“.

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Dafür spreche zum Beispiel ein handgeschriebener Zettel, den Slavi M. an einer der geworfenen Hantelscheiben befestigt hatte. Auf diesem standen laut Anklageschrift, die beim Prozessauftakt verlesen wurde, mehrere Beleidigungen gegenüber der Polizei sowie die Aussage „Die Polizei findet uns nicht, sie ist zu langsam“.

Im Leben beider Angeklagten seien keine Tagesstrukturen mehr vorhanden gewesen, fährt Bock fort. Bereits am ersten Prozesstag gab Slavi M. an, dass er die Schule ohne Abschluss verlassen und keinen Job ergriffen habe. Aleksi A. berichtete, er habe bis zu seiner Inhaftierung regelmäßig Drogen konsumiert. Die Wurfattacken seien nun der „traurige Endpunkt eines kontinuierlichen Abstiegs“, so der Vorsitzende Richter am Donnerstag.

Mannheimer Landgericht wertet Geständnisse positiv

Am vorherigen Verhandlungstag sorgte neben den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung noch ein weiteres Ereignis für Aufsehen: Der Angeklagte Slavi M. wurde während der Verhandlung Vater – sein Verteidiger Martin Nitschmann bezeichnete dies als „eine Premiere“ in seiner eigenen Laufbahn. Nun appelliert Bock an den 20-Jährigen, sich auf sein neugeborenes Kind als Lebensmittelpunkt zu konzentrieren, auch wenn diese neue Herausforderung mal Rückschläge mit sich bringe. „Wenn Sie Ihrem Leben jetzt eine vernünftige Wendung geben, dann werden Sie für Ihr Kind immer ein Vorbild sein“, betont der Vorsitzende Richter.

Beiden jungen Männern sei es laut Richterinnen und Richtern zugutegekommen, dass sie während des Prozesses Geständnisse abgelegt und die anwesenden Geschädigten um Entschuldigung gebeten haben. Zudem sei es Aleksi A. positiv anzurechnen, dass er freiwillig aus seiner Heimat Bulgarien nach Deutschland zurückgekommen ist, um sich zu stellen, nachdem er von den Fahndungsmaßnahmen erfuhr.

Bock bezeichnet ihre Taten aber dennoch nicht nur als „Augenblicksversagen“ und attestierte ihnen „einen großen Erziehungsbedarf“. Daher sei es nun „das Mindeste“, dass beide Angeklagte einen vernünftigen Schulabschluss erreichen und eine Berufsausbildung beginnen.

Zum Abschluss der Verhandlung klärt der Vorsitzende Richter die Angeklagten darüber auf, dass sie binnen einer Woche Revision gegen das Urteil einlegen können. Während Slavi M. das Urteil annimmt, stockt Aleksi A., als seine Dolmetscherin ihm die Aussagen des Richters ins Bulgarische übersetzt. „Meiner Meinung nach ist das zu lange“, entgegnet er Bock mit Blick auf die Haftstrafe. Doch er nimmt das Urteil an.

Nicht ohne letzten Blick zu ihren Angehörigen verlassen die jungen Männer den Gerichtssaal. Ihrer Familie und ihren Freunden ist die Bestürzung ins Gesicht geschrieben. Als sie aus dem Raum treten, fließen vereinzelt die Tränen.

Redaktion

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