Mannheim. Der zweite Prozesstag am Mannheimer Landgericht, bei dem wegen versuchten Mordes gegen Slavi M. und Aleksi A. verhandelt wird, beginnt nicht wie geplant mit der Vernehmung von vier Zeuginnen und Zeugen - sondern mit einem Geständnis. „Mein Mandant räumt seine Schuld vollumfänglich ein“, erklärt Martin Nitschmann, Anwalt des 20-jährigen Slavi M., am Dienstagmorgen im Gerichtssaal 1.
Sein Mandant sei froh, dass er seine Schuld endlich gestehen könne, da ihn die Angelegenheit sehr belaste und er zu lange geschwiegen habe, so Nitschmann. Auch Wolfram Grebenstein, der den 19-jährigen Aleksi A. vertritt, legt ein Geständnis für seinen Mandanten ab.
Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten Slavi M. und Aleksi A. versuchten Mord vor, da sie im Mai und im Juli 2022 in sechs Fällen Gegenstände auf vorbeifahrende Fahrzeuge in der Mannheimer Untermühlaustraße geworfen haben sollen. Dabei sollen sie in vier Fällen heimtückisch sowie mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt haben. Ein Autofahrer sei verletzt worden, zudem sei ein Gesamtschaden von rund 11 000 Euro entstanden, so die Anklage. Bereits am ersten Prozesstag im Dezember 2023 hatten die Verteidiger angekündigt, dass ihre Mandanten „weitgehend geständig“ sein werden.
Emotionale Stimmung im Mannheimer Gerichtssaal
Slavi M. schaut betreten zu Boden, während sein Anwalt die Einlassung vorliest. In den Zuhörerreihen haben sich rund 30 Angehörige der beiden bulgarischen Staatsangehörigen versammelt. Ab und an ist ein Schluchzen zu hören, vereinzelt fließen Tränen bei den Anwesenden. Aleksi A. lässt seinen Blick während der Verhandlung immer wieder durch die Reihen schweifen. Beide Angeklagte sind sehr schweigsam.
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„Mein Papa sagt immer: Man muss zu seinen Fehlern stehen“, liest Nitschmann die Gedanken von Slavi M. vor. Darum wolle er nicht taktieren, sondern alles gestehen. Laut Einlassung hat er nicht bei jedem der sechs Fälle in Erinnerung, wer von beiden die Gegenstände - einen Zimmermannshammer, mehrere zwei Kilogramm schwere Hantelscheiben sowie Steine - auf die Fahrzeuge geworfen hat. Sie seien jedoch beide beteiligt gewesen.
Den an einer Hantelscheibe befestigten Zettel, auf dem mehrere Beleidigungen gegenüber der Polizei standen (wir berichteten), habe er verfasst. „Wir wollten Räuber und Gendarm mit der Polizei spielen“, so seine Worte.
Ihre Taten seien der „größtmögliche Unsinn“ gewesen, den man machen könne. Sie hätten nie die Absicht gehabt, jemanden zu verletzten oder zu töten. Es sei nur darum gegangen, Fahrzeuge zu beschädigen und Fahrer zu erschrecken. Daher wolle er um Entschuldigung bitten - auch bei den Geschädigten.
Opfer kämpft mit den Tränen bei Aussage im Mannheimer Landgericht
„Ich war mit dem Auto unterwegs zur Frühschicht. Kurz vor der Jungbuschbrücke hat es einen Schlag gegeben. Plötzlich waren überall Glasscherben. Ich war total geschockt“, erzählt eines der Opfer im Gerichtssaal. Die Frau ist sichtlich mitgenommen von dem Ereignis, das bereits mehr als eineinhalb Jahre zurückliegt. Während sie erzählt, laufen Tränen über ihr Gesicht.
Sie sei zunächst weiter zu ihrer Arbeitsstätte gefahren, so die Frau. „Ich wollte mich einfach nur in Sicherheit bringen.“ Dort habe sie bemerkt, dass sie sich nicht abschnallen konnte: „Eine Hantelscheibe lag auf meinem Anschnaller - und hat ihn beschädigt.“ Auf Bildern, die an die Wand des Gerichtssaals projiziert werden, ist zu sehen, dass die rechte hintere Scheibe ihres Wagens komplett zerstört war.
Das Erlebte nimmt die Geschädigte nach wie vor mit: „In der ersten Zeit habe ich mich geweigert, Auto zu fahren. Bis heute fahre ich nur, wenn ich muss.“ Vor der Fahrt über die Untermühlaustraße habe sie jedoch immer noch Angst. Am Ende ihrer Vernehmung bitten die Angeklagten die Geschädigte um Entschuldigung: „Wir sind froh, dass Ihnen nichts passiert ist.“
Verteidiger: Aleksi A. habe „wenig Erinnerung an Taten“
Das Geständnis von Aleksi A., das sein Verteidiger vorträgt, fällt deutlich kürzer aus als das von Slavi M. Der 19-Jährige sei sich zwar sicher, dass er in zwei Fällen den Gegenstand geworfen habe, doch: „Mein Mandant stand regelmäßig unter Einfluss von Alkohol und Drogen“, sagt Grebenstein. „Daher hat er nur wenig Erinnerungen daran.“ Wie Slavi M. bitte er die Geschädigten um Entschuldigung.
Die Frage nach dem „Warum?“ bleibt nach beiden Geständnissen weiter offen. „Ich kann nicht nachvollziehen, wieso ich das getan habe“, schreibt Slavi M. in seiner Einlassung. Er habe in dieser Phase seines Lebens kein richtiges Ziel vor Augen gehabt. Auch Grebenstein betont, dass Aleksi A. „keinen Grund“ für die Taten nennen könne. Es sei den beiden jungen Männern eher um den Nervenkitzel gegangen.
„Die ersten Tage nach der Tat konnte ich nicht schlafen“, erzählt ein weiterer Geschädigter. „Die Hantelscheibe ist durch das Beifahrerfenster direkt an meinem Kopf vorbeigeflogen.“ Durch die umherfliegenden Glasscherben sei er im Gesicht und am Bein verletzt worden. Zudem sei er wegen des Schocks einige Tage krankgeschrieben worden. Sich die Entschuldigung von M. und A. anzuhören, verweigert der Geschädigte.
Dass sich die beiden Angeklagten geständig gezeigt haben, könne sich durchaus strafmildernd auswirken, bestätigt Oberstaatsanwalt Peter Lintz. Im Jugendstrafrecht seien maximal zehn Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen.
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