Heimatgeschichte

Mannheimer "Kurpfalz"-Schule blickt auf 150 wechselhafte Jahre

Immer wieder neu erfinden musste sich in 150 Jahren das "Kurpfalz". Die Schule in M6, die heute ein breites Bildungsspektrum bietet, hat 1873 als Institut Schwarz begonnen. Warum sie mehrfach vor dem Aus stand

Von 
Bertram Bähr
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Um 1900 entstanden ist diese Aufnahme vom Institut Schwarz in M 3, 10. Der Herr im zweiten Fenster von links ist vermutlich Gründer Wilhelm Schwarz. © Marchivum

Mannheim. Was bewegt einen Lehrer dazu, im gerade gegründeten Deutschen Reich eine Privatschule zu eröffnen? Die Motive, die den Wahl-Mannheimer Wilhelm Schwarz Anfang der 1870er Jahre dazu veranlassten, liegen im Dunkeln. Denn im Zweiten Weltkrieg fielen die meisten Archivmaterialien einem Bombenangriff zum Opfer.

Fest steht aber: Das 1873 gegründete Institut Schwarz hat die Stürme der Zeit überdauert. 1961 gab es sich den Namen Kurpfalz-Gymnasium, bis heute sind Realschule und berufliche Schulen hinzugekommen. Was zeigt: Das „Kurpfalz“ hat sich immer wieder neu erfunden – und das seit 150 Jahren.

Warum Frau und Tochter die Schule nicht führen durften

Das ist im ausgehenden 19. Jahrhundert kaum absehbar. In der staatlichen Bildungslandschaft sind Privatschulen nicht gerne gesehen. Andererseits: „Immer wieder gab es vonseiten der weiterführenden Schulen Klagen, dass die damaligen Volksschulen nicht genügend auf den erfolgreichen Besuch einer weiterführenden Schule vorbereiten würden“, schreibt Klaus Leonhard. Er war Schüler und später bis zu seiner Pensionierung 2020 Lehrer und Fachleiter Geschichte am „Kurpfalz“ und hat gemeinsam mit seinem noch aktiven Kollegen Martin Schmidt für die Festschrift zum Jubiläum Beiträge zur Geschichte der traditionsreichen Schule verfasst.

Schmidt zeigt anhand behördlicher Akten auf, wie mühsam sich der Ausbau der Schule in den ersten Jahrzehnten gestaltet, nachdem Wilhelm Schwarz am 1. Oktober 1873 sein Institut am Wohnsitz in M3, 10 mit 84 Schülern eröffnet hat – als „Vorschule für Gymnasien und Realgymnasien“.

Jubiläums-Schulfest

  • Sein 150-jähriges Bestehen feiert das „Kurpfalz“ am Samstag, 22. Juli, ab 16 Uhr, mit einem Schulfest, bei dem es auch Livemusik gibt.
  • Teil des Fests ist eine von Klaus Leonhard und Martin Schmidt konzipierte Ausstellung zur Geschichte der Schule, die auf rund 20 Stellwänden präsentiert wird.
  • Außerdem gibt es eine Festschrift, die neben einem historischen Abriss auch Berichte aus dem Schulalltag und Grußworte – unter anderem von Tennisprofi Alexander Zverev – enthält. Er machte hier 2013 seinen Realschulabschluss. bhr

Als Schwarz 1908 stirbt, versuchen seine Frau und Tochter, eine Genehmigung zur Weiterführung der Schule zu bekommen. Aber Frauen dürfen zu jener Zeit zwar einer Privatschule vorstehen, aber nur reinen Mädchenschulen. So will es das Gesetz. Deshalb übernimmt Julius Müller das Institut, Anna Schwarz scheidet aus.

Gebäude und Archiv zerstört

Müller hat immer wieder Probleme mit den Behörden. Er möchte das Institut zur Realschule ausweiten, in Einzelfällen auch „intelligente Mädchen“ aufnehmen, gibt dazu Anzeigen auf, die rechtlich umstritten sind. Auch zu seinem Lebenswandel werden Bedenken laut. So stellt das Kultusministerium Ende 1915 fest, Müller mache „den mit der staatlichen Aufsicht über seine Schule betrauten Behörde (...) fortgesetzt Schwierigkeiten“. Schließlich steht gar eine Schulschließung im Raum – die aber abgewendet werden kann.

Kurz vor Kriegsende, im September 1918, übernimmt Georg Sessler die Hälfte des Instituts und wird gemeinsam mit Müller Direktor. Und im Oktober 1933 kommt Emil Heckmann an die Schule und ersetzt schon zwei Jahre später Julius Müller als Teilhaber. Das Institut ist auf Expansionskurs, hat 1937 bereits 350 Schüler. Das Gebäude in M3 wird aufgestockt, weitere Räume kommen in N5 dazu, 1942 schließlich kauft das Institut ein Grundstück in M6,11 – dem heutigen Standort des „Kurpfalz“.

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Zu diesem Zeitpunkt liegen schwere Zeiten hinter dem Institut. Kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs, im Sommer 1918, mussten nicht nur die Schlussfeiern „kriegsbedingt“ ausfallen. Nach dem Krieg konnten wegen der häufigen Brückensperrungen nach Ludwigshafen die traditionell stark vertretenen Pfälzer Schüler das Institut vorerst nicht mehr besuchen.

Noch schwerer erwischt es die Schule im Zweiten Weltkrieg. Zwei katastrophale Luftangriffe zerstören 1943 sowohl das Gebäude in M3 als auch das in M6 – mit allen Unterlagen und Akten. Der Unterricht wird an mehrere Stellen ausgelagert – ins Institut Sigmund, nach Schifferstadt und nach Viernheim. Im November 1944 schließlich muss das Institut ganz schließen.

Ausweichquartiere in Seckenheim

Nach Kriegsende im Mai 1945 dauert es eineinhalb Jahre, bis Oberbürgermeister Joseph Braun die Genehmigung zur Wiedereröffnung der Schule erteilt. Aber zunächst stehen keine passenden Räume für den Unterricht zur Verfügung.

So nutzen Schüler und Lehrer ab Februar 1947 Räume der Brauerei Pfisterer in Seckenheim – und ab Juli den Tanzsaal der Gaststätte „Goldener Hirsch“, aus dem zwei Klassenzimmer werden. Die beiden ehemaligen Schulleiter Georg Sessler und Emil Heckmann dürfen übrigens erst 1948 zurück in den Schuldienst. Zuvor haben beide ein Entnazifizierungsverfahren durchlaufen und werden als „Mitläufer“ eingestuft.

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Die beiden Chefs möchten das Gelände in M6,11 unbedingt neu bebauen. Sie erhalten einen Kredit. Bedingung: Das Gebäude wird so errichtet und die Räume so gestaltet, dass daraus ohne größere bauliche Veränderungen ein Hotel eingerichtet werden kann. Ein Hotel an dieser Stelle, das zeigt die Zukunft, wird es nie geben. Stattdessen schreibt das Institut eine Erfolgsgeschichte – auch wenn zunächst geeignete wissenschaftlich ausgebildete Lehrer fehlen. Einige sind gefallen, einige in Kriegsgefangenschaft, einige noch im Entnazifizierungsverfahren.

Dennoch: 1949 hat das Institut bereits mehr als 400 Schüler aus der gesamten Region. Im Schuljahr 1968/69 werden es dann mehr als 1100 sein. Meilensteine dazwischen: Einweihung des neuen Schulgebäudes in M6 Ende 1950, Gründung des Gymnasiums 1957, staatliche Anerkennung und Umbenennung in Kurpfalz-Gymnasium 1961, mehrere räumliche Erweiterungen.

Insolvenz überstanden

Aber es geht nicht ständig in eine Richtung, nach oben, sondern es gibt Rückschläge. Die Schülerzahlen sinken, die Direktion muss mehrfach gegensteuern. 1997/98 wird das „Kurpfalz“ um einen Realschul-Zweig erweitert, 2002 kommt das Sport-Talentförderungsprogramm dazu.

Aber der Schülerrückgang wird nicht gestoppt – mit einer einschneidenden Folge: Das „Kurpfalz“ meldet im Oktober 2018 Insolvenz an – und bekommt doch wieder die Kurve. Das Kolping-Bildungswerk Stuttgart steigt als Träger ein, renoviert umfangreich und schafft ein drittes Standbein – die beruflichen Schulen. So kann es denn kommen, das 150-jährige Jubiläum.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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