Betriebsversammlung vor Landtag

Mannheimer Klinikum-Beschäftigte protestieren in Stuttgart

Sie wollen endlich wissen, wie es mit dem Uniklinikum Mannheim weitergeht. Rund 300 Beschäftigte haben ihrem Ärger in Stuttgart Luft verschafft. Zwei Regierungsmitglieder bekamen ihn persönlich zu spüren

Von 
Steffen Mack
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Klinikum-Betriebsratschef Ralf Heller begrüßt die Teilnehmer an der Kundgebung vor dem Landtag © Steffen Mack

Stuttgart/Mannheim. Minus zwei Grad sind es um die Mittagszeit auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Man könnte sich jetzt an einem der Weihnachtsmarktstände hier erwärmen oder das Geschehen - was aber noch kälter wäre - vom Riesenrad vor dem Landtag herab verfolgen. Doch den Beschäftigten der Mannheimer Universitätsmedizin steht nach beidem erkennbar eher nicht der Sinn. Sie sind am eisigen Donnerstagmorgen mit acht Bussen angereist. Überwiegend junge Menschen - man sieht, dass das Klinikum nicht nur der drittgrößte Arbeitgeber, sondern auch der größte Ausbildungsbetrieb der Stadt ist.

Statt der erhofften 500 sind es nur rund 300. Das liegt wohl vor allem an vielen Personalausfällen wegen der Erkältungswelle. So müssen kurzfristig auch einige zur Versorgung der Patienten im Krankenhaus bleiben, die eigentlich mit zur auswärtigen Betriebsversammlung wollten.

In Wahrheit ist es natürlich eine Protestkundgebung. Das zeigen schon die Trillerpfeifen und Plakate, auf denen etwa „Winfried, wo ist unser Weihnachtsgeschenk?“ steht. Insbesondere den grünen Ministerpräsidenten macht nicht nur Betriebsratschef Ralf Heller für die anhaltende Unklarheit verantwortlich, wie es mit dem Klinikum weitergeht. Die Fusionspläne mit Heidelberg liegen seit mehr als zwei Jahren auf dem Tisch. Doch das Land hat nicht mal für die von ihm allenfalls befürwortete, abgeschwächte Verbund-Lösung bisher grünes Licht gegeben. Außer an Winfried Kretschmann richten sich Plakate auch an Gesundheitsminister Manne Lucha, der endlich das Großbauprojekt „Neue Mitte“ ermöglichen soll: „Manne, rück die Kohle raus!“

Blut kommt schnell in Wallung

Auf den Schlossplatz kommen indes beide nicht. Aber die Mannheimer Landtagsabgeordneten, die Sozialdemokraten Stefan Fulst-Blei und Boris Weirauch sowie die Grünen Susanne Aschhoff und Elke Zimmer. Ebenso die Fraktionschefs von SPD und FDP, Andreas Stoch und Hans-Ulrich Rülke, CDU-Parlamentarier Albrecht Schütte sowie Thorsten Riehle, SPD-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat. Wie sich das für eine Betriebsversammlung gehört, sind auch Verdi-Vertreter da.

Heller heizt die Kundgebung mit Betriebsratskollegin Klara Ronellenfitsch an, skandiert werden das von „Winfried“ erhoffte Weihnachtsgeschenk und „Manne, rück die Kohle raus“. Wüsste man da schon, was gleich zwei Repräsentanten der Regierung sagen, wäre das Anheizen nicht nötig. Sowohl Wissenschaftsministerin Petra Olschowski als auch ihr Finanzkollege Danyal Bayaz bringen das Blut der Klinikum-Beschäftigten sehr schnell in Wallung. Bald hagelt es fast nach jedem zweiten Satz Pfiffe und Buhrufe.

Olschowski ist Nachfolgerin von Theresia Bauer, quasi der Mutter des Fusionsprozesses. Jetzt steht die Heidelbergerin, nur noch Abgeordnete, schweigend am Rand. Die neue Ministerin sagt, sie verstehe den Unmut, dass es nicht vorangehe. Aber die Regierung habe sich ja schon klar zu Mannheim als Uniklinikum-Standort bekannt. Und ein Zusammengehen mit Heidelberg hätte nun mal „eine enorme Dimension“ fürs Land, das müsse man gründlichst prüfen. „Sie wollen ja langfristig gerettet sein. Weihnachtsgeschenke bringen Ihnen nichts.“ Immerhin verspricht Olschowski, die Grundsatzentscheidung werde im ersten Quartal 2023 fallen. Für Verwunderung sorgt indes ihre These, ein Verbund wäre für Mannheim besser, weil eine Fusion mehr Arbeitsplätze kosten würde. Das hat man zuvor noch nie gehört. Auch Betriebsratschef Heller kann sich später nicht erklären, was die Ministerin meint.

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Ihr Kollege Bayaz versucht es zunächst mit Umschmeicheln. Die Kundgebung bei dieser Kälte zeige, „die Monnemer sind Kämpfer“. Er habe auch höchsten Respekt für ihren „Knochenjob“ im Krankenhaus. Aber selbst wenn er als langjähriger Heidelberger die Region sehr gut kenne, könne er als Finanzminister „nicht einfach so die Kohle rausrücken“. Das Land habe schon enorme Summen ins Klinikum gesteckt, so zuletzt allein 36 Millionen fürs jährliche Defizit. „Das ist ja nicht nichts.“ Ein Verbund könne zwar „eine Chance sein“. Aber die enormen Kosten von rund zwei Milliarden Euro erforderten nun mal eine sehr, sehr sorgfältige Prüfung. Danach nehmen Pfiffe und Buhrufe kein Ende mehr. Heller dankt den Ministern „trotz allem Unmut“ dafür, sich gestellt zu haben. Wenn es nicht vorangehe, werde man wiederkommen. Und Bayaz lädt er ein, ihm das mit den Kosten zu erklären.

Einfach alle Baukosten summiert

Auf die zwei Milliarden angesprochen, kann auch Klinikum-Geschäftsführer Hans-Jürgen Hennes nur den Kopf schütteln. Dabei handele es sich um die Summe sämtlicher in beiden Krankenhäusern in den nächsten Jahren anstehender Baukosten, die auch ohne Verbund fällig würden. Für den an sich müsse man nur eine niedrige zweistellige Millionenzahl veranschlagen. In seiner Rede hat Hennes das anhaltende Zögern der Landesregierung „völlig unverständlich“ genannt.

Nach zwei eisigen Stunden geht es zurück zu den Bussen. Trotz der dürftigen Zusagen wirken viele Beschäftigte nicht unzufrieden. Immerhin hätten sie ihren Unmut jetzt mal in Stuttgart deutlich gemacht, finden etwa Heike Vater und Andrea Wielsch. Und Betül Bayrakci sagt, sie sei sogar sehr zufrieden - „dass wir nach jedem Wort gepfiffen haben“.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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