Mannheim. Auch nach 40 Jahren bewegen und beklemmen Bilder von Mannheims 11. September. 1982 stürzte ein US-Hubschrauber mit 46 Männern und Frauen aus vier Nationen an Bord auf das Autobahnstück zwischen Mannheim und Heidelberg und explodierte sofort.
Auf der Titelseite der „MM“-Samstagausgabe prangt jenes Foto, auf dem das glühende Wrack von einem Meer aus Löschschaum umgeben ist: Wenige Meter davor steht ein VW-Käfer.
Gutschlag war noch Fahranfänger
Der einstige Fahrer, der nur einen Wimpernschlag von der Katastrophe entfernt sein Leben mit einer Vollbremsung gerettet hatte, meldet sich per Mail bei jener Journalistin, die damals Augenzeugin des Unglücks wurde.
„Ich war 18 Jahre alt und hatte drei Monate den Führerschein“, schreibt Thomas Gutschlag. Sein Name ist in der Region und weit darüber hinaus in Wirtschaftskreisen bekannt.
Schließlich hat der promovierte Volkswirt 2006 die Deutsche Rohstoff AG, ein börsenorientiertes Unternehmen mit Sitz in Mannheim, mit gegründet. Aus dem operativen Geschäft hat sich der Unternehmer im Juni zurückgezogen, um stattdessen den Vorsitz des Aufsichtsrates zu übernehmen.
Als Gutschlag am 11. September 1982 mit seinem nicht mehr ganz neuen VW-Käfer, den ihm die Eltern zur bestandenen Führerscheinprüfung geschenkt hatten, unterwegs war, besuchte er noch das Karl-Friedrich-Gymnasium.
Dass auf dem Neuostheimer Flugplatz Internationale Luftschiffertage zu Ehren des 375. Geburtstages der Stadt Mannheim veranstaltet wurden, „das ging damals an mir völlig vorbei“, blickt Gutschlag zurück und erzählt, dass er eigentlich eine auf dem Paradeplatz angekündigte Schach-Veranstaltung besuchen wollte.
Aber die habe aus irgendwelchen Gründen nicht stattgefunden. Und so machte sich der Gymnasiast wieder auf den Heimweg - nämlich zur Augustanalage und von dort auf die Autobahn mit Abfahrt nach Feudenheim, wo er mit der Familie wohnte.
Dass an diesem sonnigen Samstagmittag der üblicherweise stark befahrene Autobahnabschnitt „ziemlich leer“ war, daran kann sich Gutschlag gut erinnern. Dies sollte sich als „Glück im Unglück“ erweisen - weil der Helikopter zwischen Autos zerschellte.
„Plötzlich war diese Feuerwand da“
Bei dem sonst weit höheren Verkehrsaufkommen, so sind Experten überzeugt, hätte es jenseits der Helikopter-Crew, den französischen, britischen und deutschen Fallschirmspringern, die einen Formationssprung als Friedensgruß trainieren wollten, und den zwei amerikanischen Reportern des Senders AFN noch weitere Todesopfer gegeben. Nicht von ungefähr sollte direkt nach dem Absturz die Befürchtung in Mannheim die Runde machen, die „Chinook“ habe ein Auto unter sich begraben.
„Ich fuhr auf der ziemlich leeren Autobahn fast träumerisch vor mich hin und habe nichts, rein gar nichts vorher mitbekommen“, erzählt Gutschlag. Er findet es aus heutiger Sicht fast surreal, dass er nicht gesehen hat, wie der Hubschrauber vom Himmel fiel. „Plötzlich war diese Feuerwand da.“
Und die verbindet sich in seinem Kopf mit einem Geräusch, das einem Pfeifen glich. Dass er, der Fahranfänger, voll auf die Bremsen getreten ist, das weiß er noch. Wie knapp sein VW-Käfer vor dem Flammeninferno zum Stehen kam, wurde ihm erst später bewusst.
Feuerwehrleute sollten am nächsten Tag Journalisten mitteilen, dass jener Pkw-Fahrer, der nur dank einer Vollbremsung überlebt hatte, mit Schock ins Krankenhaus gebracht werden musste.
„Das war aber nicht ich“ , berichtet Gutschlag und schildert, wie er fluchtartig wegrannte und am Rand der Autobahn auf Menschen traf, die aufgeschreckt von der Explosion aus Kleingärten dorthin gelaufen waren. Gutschlag fiel damals auf, dass auch auf der gegenüberliegenden Fahrspur Autos mit Bremsspuren standen. Aber sein VW-Käfer war der Flammenhölle am nächsten.
Nach zwei Tagen gaben die Ermittler seinen VW zum Abholen frei. Ein hitzeverformtes vorderes Nummernschild und schwarze Rußbrocken auf dem hellblau lackierten Dach kündeten von dem zerschellten Hubschrauber. „Dieser Schaden ist übrigens von einem Bundesamt gezahlt worden.“
Und wie ging es nach dem 11. September vor vier Jahrzehnten weiter? „Ich bin damals jung, erst 18 Jahre alt gewesen und verdrängte erfolgreich.“ Gleichwohl habe Gutschlag die dramatischen Augenblicke, deren Dramatik er erst später so richtig begreifen sollte, nie vergessen. „Die sind in meinem Kopf eingegraben.“
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