Ehrenamt

Mannheimer Hausfrauenverband löst sich auf: In den Plätzchenduft mischt sich Wehmut

Beim letzten Hausfrauen-Wohltätigkeitsbasar gibt es viel Abschiedsschmerz und die eine oder andere Erinnerung an die letzten Jahrzehnte. Der Verband hat in Mannheim Maßstäbe gesetzt - und schon früh heute relevante Standards beachtet

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Letzter Basar des Hausfrauenverbandes mit Ingrid Grau (v.l.), Sybille Lotterer, Anke Gleisner, Heiderose Sprenger und Uschi Mallmann. © Thomas Tröster

Mannheim. Die Tütchen mit Zimtsternen sind erfahrungsgemäß als erstes weg. Das gilt auch für den 54. und letzten Wohltätigkeitsbasar des Hausfrauenverbandes. „Künftig kriege ich gar kein wunderbar selbstgemachtes Gelee mehr“, sagt eine Seniorin. „Ach wie traurig, dass Schluss ist!“ So oder ähnlich reagieren viele Frauen und Männer auf die im „MM“ veröffentlichte Nachricht, dass sich der Traditionsverband, der inzwischen DHB-Netzwerk Haushalt heißt, nach 107 Jahren auflöst - weil für Ämter Nachfolgerinnen fehlen.

Dass diesmal der Benefizverkauf von Plätzchen, Linzertorten, Konfitüren, Chutneys, Stricksocken, Schals und Adventlichem anders verläuft, hat nicht nur damit zu tun, dass die voll beladenen Tische in der N3-Geschäftsstelle statt wie sonst im Stadthaus aufgebaut sind.

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Fast 130 000 Euro für „WWH“

Wehmut wabert durch Gespräche. Die meisten wollen sich nicht nur mit Köstlichem und Nützlichem aus Küche und Handarbeitsstube eindecken. Das Bedürfnis ist spürbar, einen Abschiedsplausch mit jenen Frauen zu halten, die Jahre, manche Jahrzehnte den Basar attraktiv bestückt haben. Beispielsweise häkelte und strickte Vereinsmitglied Antonie Flamm seit 1978 für den Wohltätigkeitsverkauf. „Diesmal habe ich drei Stolen gebracht“, erzählt die 89-Jährige.

Der Blick wandert zurück ins Jahr 1968, als die seinerzeitige Vorsitzende Christine Bonsack einen Weihnachtsbasar zugunsten der „MM“ -Aktion „Wir wollen helfen“ organisierte. Der Erlös betrug 648 Mark. Damals hätte sich niemand träumen lassen, dass zwei Jahrzehnte später mit Selbstgefertigtem jeweils um die 7000 Mark erwirtschaftet werden würde. Stattliche 129 451 Euro sind inzwischen an „WWH“ geflossen - und damit an bedürftige Menschen in Mannheim. Weitere 21 805 Euro kamen Kinder-Projekten zugute.

Dekoriertes Tannengrün, ob als Adventskranz oder Türbogen, erwies sich alle Jahre wieder als Verkaufsknüller. Beim nostalgischen Rückblick erzählen langjährige „Basar-Damen“, wie sie im Mini-Nadelwald eines Friedhofgärtners eigenhändig mit großen Scheren Zweige von Bäumen abzwickten, in Säcke steckten und damit den Kofferraum von sechs und mehr Autos füllten. Corona sollte für die vorweihnachtliche Benefiz-Floristik das „Aus“ bringen: „Während der Pandemie war es unmöglich, eng beieinander in meinem Gartenzimmer zu werkeln“, berichtet Heiderose Sprenger, 16 Jahre Mannheims „erste Hausfrau“ - bevor 2008 Sybille Lotterer den Vorsitz übernahm.

In der Geschäftsstelle künden Fotos von zahlreicher Aktivitäten, wozu ebenfalls Telefonaktionen beim „MM“ rund ums Backen und Einmachen gehörten. Es gibt auch Urkunden: beispielsweise für einen Umweltpreis der Stadt Mannheim von 2017. Motto: Einfälle statt Abfälle. „Nachhaltigkeit war in unseren Kursen schon Thema, bevor alle davon sprachen“, kommentiert Sybille Lotterer und verweist darauf, dass der Hausfrauenverband bereits 1924 ein Gütesiegel kreiert hat. Und dieses bereitete den Weg für die vier Jahrzehnte später gegründete „Stiftung Warentest“.

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Natürlich ist Gesprächsthema, warum sich in dem engagierten Ortsverband keine Nachfolgerinnen finden. Einhellige Überzeugung: Frauen sind zunehmend erwerbstätig und neben Job wie Familie zeitlich nicht in der Lage, ein aufwendiges Ehrenamt zu übernehmen. Hauswirtschaftsmeisterinnen, die vor Jahrzehnten ihre Prüfung ablegten, erzählen, dass früher so gut wie keine Kursteilnehmerin vorhatte, den Lehrgang als Berufseinstieg zu nutzen.

Noch ein letzter Auftritt

Das hat sich geändert, wie Uschi Mallmann aus eigener Erfahrung berichtet: Sie hat 2010 als geprüfte Hauswirtschaftsmeisterin bei einem Bildungsträger eine Stelle angetreten. Übrigens haben zwei Männer die Ausbildung absolviert - und zwar bravourös. Beim letzten Basar wollen viele Wegbegleiterinnen „Adieu“ sagen. Auch Sylvie Brackenhofer von der Mannheimer Ausstellungsgesellschaft: „Dass die Hausfrauen künftig beim Maimarkt fehlen werden, das mag ich mir gar nicht vorstellen.“ Schließlich hat das eingefuchste Fachfrauenteam bereits seit 1966 während der Verbrauchermesse informiert und beraten.

Einen Auftritt gibt es noch: Wenn Vorstandsfrauen den Erlös des 54. Hausfrauen-Basars als Spende übergeben.

Freie Autorin

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