Etatberatungen

Mannheimer Gemeinderat: Überraschende Mehrheit beim Theater

Von Verpackungssteuer bis Queeres Zentrum: Bei den Etatberatungen wird viel entlang der klassischen Fronten gestritten. Hitzig ist die Debatte über „Mannheim gegen Rechts“. Und für ALTER gibt es schlechte Nachrichten

Von 
S. Mack, T. Schmidhuber
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Anträge von AfD, ML und Einzelstadtrat Ferrat, „Mannheim gegen Rechts“ die Mittel zu streichen, werden nach hitziger Debatte mit deutlicher Mehrheit abgelehnt – auch von der CDU. © Steffen Mack

Mannheim. Womöglich ist es ein gefährlicher Einstieg. Zu Sitzungsbeginn um kurz nach 9 Uhr weist Christian Specht darauf hin, dass die befürchtete Marathon-Sitzung zumindest am Dienstag nicht stattfinden wird. Man werde die Etatberatungen um 18.30 Uhr unterbrechen und am Mittwochmorgen fortsetzen. Für Freunde etwa der Fußball-Champions-League ist das eine uneingeschränkt gute Nachricht. Den einen oder anderen - die ausschließlich männliche Form ist hier überaus angemessen - könnte der CDU-Oberbürgermeister so indes ungewollt ermuntert haben, sich doch nicht möglichst kurz zu fassen. Die disziplinierende Wirkung der Faustformel „je später der Abend, desto kürzer die Redebeiträge“ entfällt ja nun.

Vor Eintritt in die Tagesordnung will CDU-Fraktionschef Claudius Kranz etwas Grundsätzliches klären: wie mit Enthaltungen umgegangen wird. Antwort: Mehrheit ist Mehrheit. Enthält sich weder eines der anwesenden 46 Gemeinderatsmitglieder - AfD-Fraktionschef Jörg Finkler und die Grüne Christina Eberle fehlen entschuldigt - noch der stimmberechtigte Oberbürgermeister, braucht man also 24 Stimmen.

Verpackungssteuer scheitert nur denkbar knapp

An dieser Hürde scheitert gleich zum Auftakt ein Antrag, der in der vergangenen Wahlperiode mit den Stimmen von Rot-Grün-Rot noch locker durchgegangen wäre: die Einführung einer Steuer auf Einwegverpackungen nach Tübinger Vorbild in Mannheim. Aber es ist knapp, deshalb muss erstmals an diesem Tag das elektronische Zählsystem im Ratssaal eingesetzt werden - vor der eigentlichen Abstimmung gibt es mehrere Probedurchläufe.

Grüne, SPD und LTK sprechen sich für die Verpackungssteuer aus - die Stadt solle ein anstehendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema abwarten und sich dann an die Umsetzung machen. Eine solche Steuer sorge für weniger Müll auf den Straßen und könne Einnahmen von zwei Millionen Euro pro Jahr bringen, argumentieren die Befürworter.

Lange und hitzige Debatte über "Mannheim gegen Rechts"

Die CDU habe „durchaus große Sympathie“ für eine solche Steuer - vor allem, wenn man sonntagmorgens den vielen Müll auf dem Paradeplatz sehe, sagt Fraktionschef Kranz. Für ihn seien aber noch zu viele rechtliche Fragen offen, deshalb könne man jetzt nicht zustimmen. Auch der Oberbürgermeister ist gegen eine solche Steuer. „Der Vollzug ist extrem aufwendig“, so Specht. Die Abgrenzung, welche Gastronomie die Steuer zahlen müsse und welche nicht, sei schwierig. „Wir reden hier über 1500 Betriebe, die alle aufgesucht werden müssen.“ Er wolle warten, bis möglicherweise eine bundesweite Regelung komme. FDP und AfD sind gegen die Steuer. Somit bekommt der Antrag bei drei Enthaltungen der Mannheimer Liste (ML) am Ende 22 Ja- und ebenso viele Nein-Stimmen - und ist damit durchgefallen.

Wie stark der Gemeinderat bei manchen Themen in zwei Blöcke geteilt ist, zeigt sich auch wenig später. Da geht es um die Unterstützung des traditionsreichen Bündnisses „Mannheim gegen Rechts“. Im Etat-Entwurf sind dafür ab 2026 noch 5000 statt bislang 20 000 Euro Zuschuss vorgesehen. AfD, ML und Einzelstadtrat Julien Ferrat wollen auch diese Förderung nicht zahlen. Das Argument: Man könne nicht nur einseitig den Kampf gegen Rechtsextremismus unterstützen, sondern müsse gegen jeglichen Extremismus vorgehen. SPD, Grüne und LTK wollen dagegen die ursprünglichen 20 000 Euro beibehalten. „Mannheim gegen Rechts“ sei ein breites, von mehr als 50 Organisationen getragenes Bündnis, das sich für das Miteinander in der Stadt einsetze.

"Wenn alle sparen müssen, muss auch das Theater seinen Beitrag leisten"

Es folgt eine lange, fast halbstündige Diskussion über Extremismus, über Begriffe wie „Links“ und „Rechts“ und die Frage, ob das Bündnis seinen Namen ändern sollte. Am Ende gibt es keine Mehrheit für eine Streichung der Zuschüsse. Aber auch keine für eine Erhöhung, weil CDU und Oberbürgermeister da nicht mitgehen.

Dann gibt es auch Themen, bei denen sich die klassischen „Fronten“ nahezu komplett auflösen. Ganz deutlich wird das beim Nationaltheater. Konkret geht es um den sogenannten Bonuszuschuss. Wenn das Theater eine bestimmte Summe an Ticketerlösen erreicht, darf es bis zu rund 500 000 Euro davon behalten und muss dieses Geld nicht an die Stadt abführen. Dieser Bonus solle gestrichen werden, beantragen Grüne und Ferrat. In CDU, SPD, FDP und AfD zeichnet sich Zustimmung ab. Der Tenor: Man müsse ein Zeichen setzen, sowohl an die Bürger als auch ins Theater hinein. Die Botschaft: Wenn alle sparen müssen, muss auch das Theater seinen Beitrag leisten.

Beim Queeren Zentrum bleibt die AfD mit ihrer Ablehnung isoliert

Doch sind nicht alle Mitglieder in den Fraktionen einer Meinung. Heidrun Deborah Kämper (SPD) und Gerhard Fontagnier (Grünen) halten den Vorstoß für das komplett falsche Signal in dieser für das Theater schwierigen Zeit. Auch Specht argumentiert intensiv gegen die Streichung des Bonus. Das Theater brauche des Geld, um eine Spendenkampagne für die Sanierung auf die Beine zu stellen. Am Ende muss sich das Stadtoberhaupt - nicht ohne Selbstironie - eingestehen, dass seine Überzeugungskraft offenbar nicht sehr stark sei. Mit 33 Stadträtinnen und Stadträten votiert eine große Mehrheit dafür, dass das Theater künftig den Bonus nicht mehr bekommt.

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Isoliert bleibt die AfD mit ihrem Wunsch, dem Queeren Zentrum die Mittel zu streichen. Rüdiger Ernst begründet das zunächst, man könne in Mannheim ohne Probleme queer leben, da sei diese Einrichtung unnötig. Der Linke Dennis Ulas widerspricht. Im Alltag komme es zu zunehmenden Anfeindungen, gerade wegen Parteien wie der AfD. Darauf korrigiert sich Ernst, Probleme gebe es in der Tat. Dafür sei aber „kulturfremde Einwanderung“ verantwortlich, und gegen die könne so ein Zentrum nichts ausrichten. Erneut korrigiert Ulas: Vor allem in Ostdeutschland seien es AfD-Anhänger, die etwa gegen den Christopher-Street-Day protestierten. Und Volker Beisel von der FDP betont, das Queere Zentrum sei ein sehr wichtiger geschützter Raum, in dem sich besonders Jugendliche diskriminierungsfrei treffen könnten. Eine sehr breite Mehrheit beschließt, mit 100 000 Euro im Jahr weiter zu fördern.

ALTER erhält keinen städtischen Zuschuss mehr

Eine bittere Nachricht bringen die Etat-Beratungen für das Freizeitprojekt ALTER am Alten Meßplatz. Grüne, SPD und LTK wollen es auch 2025 und 2026 mit jeweils 55 000 Euro fördern. „ALTER sei ein wichtiges Angebot für die Neckarstadt“, so Ulas. Ohne städtische Förderung könne das Angebot nicht aufrechterhalten werden. Doch außer diesen drei Fraktionen stimmt nur noch Ferrat dafür. Das bürgerlich-konservative Lager und Specht votieren dagegen. „Wir können das Projekt aus finanziellen und aus konzeptionellen Gründen nicht mittragen“, sagt Christian Hötting von der CDU. Damit stehen am Ende 24-Nein-Stimmen gegen 23 Ja-Stimmen.

Eines steht sehr früh fest: Auch für den zweiten Tag bleibt mehr als genug Stoff für enge Entscheidungen.

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