Haushalt

Mannheimer Gemeinderat: Die Geld-Pläne der Fraktionen

Von 
Timo Schmidhuber , Martin Geiger , Lea Seethaler , Steffen Mack und Sebastian Koch
Lesedauer: 
Wegen des Filmfestivals im Stadthaus muss der Gemeinderat derzeit ins Technische Rathaus im Glücksteinquartier ausweichen. © Michael Ruffler

Mannheim. Wofür soll die Stadt Mannheim im kommenden Jahr Geld ausgeben? Anfang Oktober hat Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) dem Gemeinderat seine Antwort auf diese Frage gegeben und seine Finanzplanung für 2024 vorgestellt. Jetzt konnten die sieben Fraktionen ihre Vorschläge präsentieren. Die Reden fassen wir auf dieser Seite zusammen. Mitte Dezember muss der Gemeinderat den Haushalt beschließen.

Dennis Ulas (LI.PAR.Tie)

Anstatt vom Neubau eines Fußballstadions zu träumen, solle der Bibliotheksneubau realisiert werde, positioniert sich LI.PAR.Tie klar. Die Stadtbibliothek sei „das zentrale Bauvorhaben“, so Fraktionschef Dennis Ulas. Zudem reiche Innenstadt-Verkehrsberuhigung nicht, sie solle mit einer Aufwertung autofreier Flächen kombiniert werden.

Dennis Ulas © Linke

Ob Fips, S-Bahn, VRNnextbike-Ausbau oder Radweg zum Strandbad: Für seine Fraktion zählt beim Etat Verbesserung beim Vorrang für Fuß, Rad und ÖPNV. Zehn Millionen Euro jährlich reichten zudem nicht, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 zu erreichen, so Ulas. Photovoltaik auf dem Flughafengebäude sei „Täuschung der Bürger“, eine Flughafensanierung lehne man ab. Weiteres Geld für Videoüberwachung und die für die Waffenverbotszone ebenso. Es brauche weiter mehr Geld für den Bodenfonds – für bezahlbaren Wohnraum – und zudem bei der MVV einen „kostengünstigen Basistarif bei Strom und Gas“.

Auch mehr Geld für Schul-Barrierefreiheit und eine zusätzliche Gesamtschule seien nötig. Kitas sollten nicht in die Hand „profitorientierter privater Träger“, und es brauche Containerlösungen für Geflüchtete mit guten Standards statt Turnhallen.

Bernd Siegholt (AfD)

Der AfD-Fraktionschef warnt vor einigen Haushaltsrisiken wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage, insbesondere bei der Gewerbesteuer. Einen Neubau der Stadtbibliothek nennt Bernd Siegholt unverantwortlich. Höhere Steuern oder neue Schulden solle es nicht geben. Mehr Anstrengungen seien aber unter anderem für Sauberkeit und Sicherheit erforderlich. Aufhören müsse die aus ideologischen Gründen autofeindliche Verkehrspolitik.

Bernd Siegholt © AfD

Als größtes Problem nicht nur in Mannheim, sondern in ganz Deutschland bezeichnet Siegholt die steigende Zahl von Asylbewerbern. Die Kommunen müssten sich dafür einsetzen, keine weiteren Flüchtlinge zugewiesen zu bekommen, die Aufnahmekapazität sei längst erschöpft. „Es ist inzwischen selbst in wohlmeinenden Kreisen durchgedrungen, dass es sich hier überwiegend um junge Männer aus anderen Kulturkreisen und mit einem völlig anderen Frauenbild handelt“, so der AfD-Fraktionschef. Die seien auch kaum in den Arbeitsmarkt integrierbar. Für diese Passage erntet Siegholt Zwischen- und Buhrufe im Sitzungssaal des Technischen Rathauses. Dorthin muss der Gemeinderat wegen des Filmfestivals im Stadthaus derzeit ausweichen.    

Nina Wellenreuther (Grüne)

Grünen-Fraktionsvorsitzende Nina Wellenreuther warnt davor, die Klimakrise zu unterschätzen. Der Local Green Deal oder der Klimaschutzaktionsplan seien gute Rahmenbedingungen zur Bekämpfung der Klimakrise. 19 fertig gestellte Photovoltaik-Anlagen, die Frischluftschneise auf Spinelli, der beginnende zweite Bauabschnitt der Neckarrenaturierung oder die Flusswärmepumpen würden zudem zeigen, dass es voranginge. Dennoch benötige man Antworten auf heißer werdende Sommer, etwa mit der dauerhaften finanziellen Unterstützung von Stadtparks oder der Entsiegelung öffentlicher Plätze.

Auch erklärt sie, dass die Stadtbibliothek auf keinen Fall dem Rotstift zum Opfer fallen dürfe. Jede Verzögerung bedeute nicht nur höhere Kosten, sondern auch eine Beeinträchtigung der Bildungsarbeit.

Wellenreuther stellt die Relevanz von Sauberkeit für das Sicherheitsempfinden und die Aufenthaltsqualität in der Stadt heraus. Zwar seien Maßnahmen ausgeweitet worden, etwa mit mobilen Einsatzgruppen für außerplanmäßige Reinigungen oder mit Kontrollen. Trotzdem würden diese nicht überall ausreichen. Neben dem Appell an Eigenverantwortung benötige man mehr Personal und Fahrzeuge.

Pläne des Oberbürgermeisters

  • Oberbürgermeister Christian Specht plant 2024 mit Einnahmen von rund 1,638 Milliarden Euro. Dem stehen vorgesehene Ausgaben in Höhe von 1,610 Milliarden Euro gegenüber.
  • Im Etat-Entwurf sind Investitionen von 198 Millionen Euro vorgesehen – das ist mit Blick auf die vergangenen Jahre vergleichsweise viel. Ein knappes Drittel davon fließt in die Sanierung und den Neubau von Schulen. Den mit knapp 50 Millionen Euro zweitgrößten Posten bilden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Hier geht es zum Beispiel um den Bau einer Bahnlinie durchs Glücksteinquartier, aber auch um den ersten Abschnitt des Neubaus der BBC-Brücke.
  • Auf Rang drei kommen mit rund 20 Millionen Euro Investitionen in Klimaschutz und Grünflächen. imo

Zudem geht sie auf die Verkehrssituation ein. Man komme um eine Verkehrsberuhigung der Innenstadt nicht herum, wenn man öffentlichen Raum aufwerten wolle. Laut Wellenreuther zeigen Metropolen Europas, dass Einzelhandel, Gastronomie und Kultur von weniger Autoverkehr profitierten. Das Deutschlandticket bezeichnet sie als Erfolg, dem Masterplan Mobilität sehe sie positiv entgegen.

Wellenreuther fordert, dass die Schulstraße auf der Rheinau „endlich“ umgesetzt werde und ihr weitere folgen. Auch müssten Verwaltung, freie Träger und Firmen alles tun, noch attraktiver zu werden, um den Fachkräftemangel in der Betreuung entgegenzuwirken. Hier könnte auch die Integration ausländischer Fachkräfte ein Baustein sein, um Betreuungsplätze zu sichern

Nina Wellenreuther © Patrick Hearmeyer

Reinhold Götz (SPD)

Die SPD-Fraktion trägt nach den Worten ihres neuen Chefs die grundlegenden Haushaltsprämissen mit. Reinhold Götz kritisiert allerdings etwa, dass mit wenigen Ausnahmen Zuschüsse nicht dynamisiert eingeplant seien. Unter anderem dazu kündigt er eigene Anträge bei den Etatberatungen an. Als Schwerpunkte seiner Fraktion nennt Götz zunächst eine Entlastung der Familien, wozu er auch einen Kita-Ausbau und die Sanierung von Schulgebäuden zählt. Höchste Priorität habe für die SPD auch weiter ein Neubau der Stadtbibliothek. Hierzu erwarte sie noch in diesem Jahr eine Grundsatzentscheidung, wie es weitergehe.

Bei der Stadtentwicklung zeigt sich Götz stolz, dass seine Partei gegen alle Widerstände stets vorbehaltlos an der Bundesgartenschau festgehalten habe. „Der Erfolg hat uns Recht gegeben: 2,2 Millionen Besucher, eine tolle mediale Präsenz und kaum noch kritische Stimmen.“ Nun gelte es, die Konversionsflächen weiter sinnvoll zu nutzen. Wichtig sei auch mehr Wohnraum, vor allem bezahlbarer.

Reinhold Götz © Daniel Lukac

Zum Klimaschutz spricht sich der SPD-Fraktionschef für eine stärkere Entsiegelung aus. Auch müssten noch mehr Haushalte mit umweltfreundlicher Fernwärme versorgt werden, als aktuell bereits geplant. Das Großkraftwerk solle allerdings solange in Betrieb bleiben, bis es komplett von Erneuerbaren Energien ersetzt werden könne. Die Innenstadt müsse zwar attraktiver und verkehrsberuhigt werden, aber nicht komplett autofrei.

Wie andere Fraktionen will die SPD auch Ehrenamtliche und Vereine stärken. Als Oberbürgermeister Christian Specht dann nach 15 Minuten Götz darauf hinweist, die vereinbarte Redezeit sei abgelaufen, überspringt der Sozialdemokrat den Schwerpunkt Kulturpolitik. Dafür will er noch schnell was zum Waldhof-Stadion sagen. Ein Neubau käme nur auf der Fläche südlich des City-Airports in Betracht, und dafür müsse dieser geschlossen werden. Spechts Verwaltung solle klar sagen, ob sie das beabsichtige.     

Claudius Kranz (CDU)

Wenig überraschend hält CDU-Fraktionschef Claudius Kranz die Schwerpunkte für richtig, die sein Parteifreund Christian Specht Anfang Oktober in seiner Haushaltsrede gesetzt hat. So lobt Kranz am Etat-Entwurf des Oberbürgermeisters etwa, dass beim Thema Mobilität in alle Zweige gleichermaßen investiert werden soll – die Stadtbahn-Anbindung des Glücksteinquartiers sei genauso dabei wie die Sanierung von Straßen und Radwegen.

Mit Blick auf die Zukunft der Innenstadt nach dem Verkehrsversuch begrüßt der CDU-Fraktionschef Spechts Vorhaben, alle Beteiligten – Bewohner, Händler, Gastronomen – an einen Tisch zu holen. Auch lobt die Fraktion der Christdemokraten die Zusage des neuen Stadtoberhaupts, die Vereine und das Ehrenamt mehr zu unterstützen – durch einen Vereinsfonds und einen Vereinskoordinator.

Claudius Kranz, CDU © CDU

An Spechts konkreter Finanzplanung gefällt Kranz, dass die Gewerbesteuereinnahmen vergleichsweise vorsichtig angesetzt seien. Das sei mit Blick auf die schlechten Konjunkturerwartungen sinnvoll, so der CDU-Fraktionschef. Wobei die Konjunktur trotzdem noch Risiken für den Haushalt bergen könne – durch geringere Gewerbesteuereinnahmen, aber auch durch höhere Sozialausgaben.

Massive Kritik übt Kranz in seiner Rede am von SPD-Mann Ralf Eisenhauer (SPD) geführten Baudezernat. Immer wieder habe er in letzter Zeit von Unternehmern und Bauherren gehört, dass die Bewilligung von Bauanträgen in Mannheim zu lange dauere. Das werde als „Entwicklungshemmschuh“ empfunden. Die Abläufe müssten dringend überprüft werden, fordert Kranz.

Auch werde häufig bemängelt, dass das früher im Collini Center ansässige Bau- und Umweltberatungszentrum mit dem Umzug des Technischen Rathauses ersatzlos gestrichen worden sei. Die CDU-Fraktion will deshalb bei den Etat-Beratungen einen Antrag auf Wiedereröffnung eines solchen Zentrums stellen. Das Ziel: für jeden einen „kurzen fachlichen Draht“ in die Behörde.    

Holger Schmid (ML)

Gut, dass im Haushaltsentwurf des neuen Oberbürgermeisters mehr Geld für Vereine bereitstehe, lobt der neue Fraktionschef der Mannheimer Liste (ML), Holger Schmid, in seiner ersten Etat-Rede. Schlecht sei dagegen, dass zu wenig Geld für die Sanierung maroder Straßen und Brücken eingeplant sei. Hier fordert die ML eine „deutliche Mittelaufstockung“.

Holger Schmid © Rittelmann

Weil die finanziellen Spielräume der Stadt tendenziell geringer würden, spricht sich Schmid dafür aus, dass der Gemeinderat für neue (Bau-)Projekte eine Prioritätenliste aufstellt. Ganz oben müsse eine „CO2-neutrale Ertüchtigung“ städtischer Gebäude stehen. Bei der Stadtbibliothek macht sich Schmid statt für einen Neubau für die Suche nach alternativen Standorten stark – als Möglichkeiten nennt er das Herschelbad oder Teile des Sparkassengebäudes am Paradeplatz. Bei der Multihalle spricht sich die ML dafür aus, dort das Forum der Jugend unterzubringen.

Ein Stadionneubau ist aus Sicht von Schmid „nur über eine Investorenlösung“ denkbar. Mit der kommunalen Wärmeplanung ist die ML unzufrieden. Ziel müsse sein, dass 90 Prozent der Haushalte die Möglichkeit haben, sich bis 2040 ans Fernwärmenetz anzuschließen, so der Fraktionschef.      

Birgit Reinemund (FDP)

Erstmals seit Jahren will die FDP/MfM-Fraktion wieder dem Haushalt zustimmen – wenn der Entwurf nicht noch wesentlich verändert wird. Das heißt aber nicht, dass die Fraktion rundum zufrieden ist, wie Chefin Birgit Reinemund deutlich machte. Denn der Haushalt ist ihrer Einschätzung nach noch stark von Alt-Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) geprägt, der eine „miserable finanzielle Bilanz“ hinterlasse. Optimistisch stimmen FDP und MfM jedoch, dass „das dringend nötige Umsteuern in Richtung solider Finanzen und vernünftiger Prioritätensetzung“ unter OB Christian Specht (CDU) klar zu erkennen sei: „Er verkündet keine neuen Leuchttürme, sondern orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschen.“

Birgit Reinemund © Thomas Rittelmann

Konkret lehnt die Fraktion Betten- und Verpackungssteuer ab. Beim neuen Betriebshof und der Multihalle sieht man Einsparpotenzial. Die 31 Millionen Euro für die Interims-Spielstätten des Nationaltheaters seien „nicht vermittelbar“. Ein klares Bekenntnis gibt es zur Stadtbibliothek: „Die FDP steht zum Neubau am Standort in N2.“ Fast euphorisch begrüßte Reinemund Spechts Vorschläge zur Unterstützung ehrenamtlicher Arbeit: „Eine super Initiative!“    

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen