Betreuung - Mannheimer Familie hat nach monatelangem Rechtsstreit einen Kita-Platz in Käfertal / Beschlüsse der Verwaltungsgerichte schwächen Position der Stadt

Mannheimer Familie hat nach monatelangem Rechtsstreit einen Kita-Platz

Von 
Bertram Bähr
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Auf die Verwaltungsgerichte bauen kann eine Mannheimer Familie. Mit ihrer Klage gegen die Stadt in Sachen Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz hatte sie Erfolg. © dpa

Mannheim. Fast ein Jahr hat es gedauert. Aber an diesem Dienstag können sich Katharina und Sven Feike erst einmal so richtig zurücklehnen. Denn ihr vierjähriger Sohn besucht ab dem 1. März eine Kita in der Umgebung des Wohnorts. „Aufgeatmet“ hätten sie und ihr Mann, als vor ein paar Wochen die erlösende Nachricht kam, erzählt die Mutter im Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“. „Das war schon eine erfreuliche Nachricht“, sagt sie. Auch deshalb, weil damit ein monatelanger juristischer Streit mit der Stadt Mannheim um den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz (wir berichteten) zu Ende ging.

Aber „es wäre schön gewesen, wenn es sofort geklappt hätte mit einem Platz“, blickt Katharina Feike zurück auf das vergangene Jahr. Damals, Anfang April, zog die junge Familie von Speyer in den neu entstehenden Mannheimer Stadtteil Franklin. Um eine Betreuungsmöglichkeit in einer Kita hatten sich die Eltern seit Januar bemüht – vergeblich. Deshalb blieb der Sohn bis zu den Sommerferien in seiner Speyerer Kita – tägliches Pendeln inbegriffen. Vater und Mutter sind berufstätig – eigentlich. Aber Katharina Feike hatte sich zum 1. September von ihrem Arbeitgeber unbezahlt freistellen lassen – eben wegen des fehlenden Kita-Platzes.

Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz

  • Kinder haben ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zur Einschulung Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz.
  • Für Kinder ab drei Jahren gilt das seit 1996, für Jüngere seit 2013. Es kommt nicht darauf an, ob die Eltern arbeiten oder nicht.
  • Mit seinem Beschluss im Mannheimer Rechtsstreit hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 13. Dezember 2021 das Wahlrecht der Eltern gestärkt. Sie dürfen demnach die Grundrichtung der Erziehung vorgeben und im konkreten Fall das pädagogische Konzept der von der Stadt angebotenen Einrichtung als nicht geeignet ablehnen.
  • Dieses Wahlrecht der Eltern könnte nach Ansicht der Stadt Mannheim allerdings „weitreichende Konsequenzen“ haben: „Denn dann könnten beispielsweise auch Eltern aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen einen Platz bei einem kirchlichen Träger, einer Kita mit besonderer Ausrichtung auf Sport, Sprachbildung oder mit reformpädagogischem Konzept einfordern oder ablehnen“. Das könne große Probleme schaffen.
  • Rechtsanwältin Loreena Melchert betont demgegenüber, díe den Eltern zugebilligte Auswahl entspreche dem „grundrechtlich verbürgten Recht auf Erziehung der Kinder auf eigene (Werte-)Vorstellungen“

Die Stadt hatte der Familie zwischenzeitlich ein Angebot gemacht, das zwei Kriterien erfüllt: Die Tageseinrichtung darf mit dem Nahverkehr nicht mehr als 30 Minuten vom Wohnort entfernt liegen – und eine Betreuung von jeweils sechs Stunden an fünf Tagen wöchentlich muss sichergestellt sein. Doch die Eltern wollten die angebotene Kita – eine private Einrichtung auf Turley – nicht akzeptieren.

Erster Grund: Sie erhebt monatliche Elternbeiträge von 900 Euro, hinzu kommen Aufnahmegebühr von 1000 Euro, Kindergarten-Uniform von etwa 250 Euro und der eine oder andere weitere kleine Betrag. Aber der zweite Grund spielte für die Feikes ebenfalls eine große Rolle: das ambitionierte pädagogische Konzept der Einrichtung.

Genauso sah es das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe in seinem Beschluss vom 4. Oktober 2021. Das Bildungsprogramm der von der Stadt angebotenen Kita sei „sehr speziell“ und „als sehr anspruchsvoll und ehrgeizig“ zu bezeichnen. Es führe aus Sicht der Eltern „zu einer Überforderung“ des Kindes. Für das VG sind das „gut nachvollziehbare Gründe“, zumal das Angebot „auch hinsichtlich der Kosten nicht zumutbar“ sei. Bereits der Elternbeitrag liege „um ein Vielfaches“ höher als die vergleichbaren Kosten für ein Ganztagsangebot in einer städtischen Kita, in der 230 Euro fällig würden. Die Stadt müsse eine andere Lösung bieten, und zwar „umgehend“, schrieben die Karlsruher Richter.

Allein: Der Familie nutzte das zunächst nichts. Denn die Mannheimer Verwaltung legte Beschwerde gegen den Beschluss ein. Aber die nächste gerichtliche Niederlage ließ nicht lange auf sich warten. Am 12. November 2021 drohte das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG) der Stadt Mannheim ein Zwangsgeld in Höhe von 3000 Euro an – für den Fall, dass sie der Anordnung des Gerichts vom 4. Oktober nicht nachkomme. Was die Stadt zunächst auch nicht tat. Stattdessen legte sie erneut Beschwerde ein – gegen den Zwangsgeld-Beschluss.

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Während in dieser Sache noch immer nicht entschieden ist, machte die nächste Instanz, der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim, der Familie Feike am 13. Dezember 2021 ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk. Er bestätigte im Wesentlichen die Position des VG Karlsruhe vom 4. Oktober und verpflichtete die Stadt Mannheim, für den vierjährigen Sohn einen anderen Platz als den zunächst angebotenen zur Verfügung zu stellen. Gut zwei Monate später ist es soweit, die Feikes haben ihren Vierjährigen endlich unter.

Dass die Stadt sämtliche Rechtsmittel eingelegt hat, um die Ansprüche der Familie juristisch abzuwehren, stößt Katharina Feike nach wie vor sauer auf. Den Umgang der Verwaltung mit der Familie empfand sie als „sehr unangenehm“. Auch Rechtsanwältin Loreena Melchert bezeichnete das Verhalten der Stadt als ziemlich ungewöhnlich. Die Juristin aus Barmstedt in Schleswig-Holstein ist auf Kindergartenrecht spezialisiert, betreute bundesweit bisher mehrere Hundert Fälle und vertritt neben den Feikes eine weitere Mannheimer Familie. In aller Regel versuchten die Kommunen in Streitfällen nicht, alle Rechtsmittel auszuschöpfen.

Melcherts Ansicht nach hätte die Stadt, um für die betroffenen Familien einen Kita-Platz nachzuweisen, schon vor Monaten „alle Hebel in Bewegung setzen“ müssen: „Zum Beispiel die Kirchen und Wohlfahrtsverbände bitten, die Kapazitäten zu prüfen und zu erhöhen. Die stadteigenen Kitas überbelegen. Personal qualifizieren, Räumlichkeiten anmieten und ausstatten, und so dem kleinen Jungen den Kindergartenbesuch ermöglichen.“

Dass sie auf all diesen Gebieten Anstrengungen unternimmt, hat die Stadt gerade vor wenigen Tagen wieder hervorgehoben – bei einem Online-Dialog mit Eltern. Dabei sagte Bildungsbürgermeister Dirk Grunert: „Aktuell ist der Rechtsanspruch nicht immer sofort erfüllbar. Und das werde „unseren Prognosen zufolge noch die nächsten ein bis zwei Jahre anhalten“.

Das bekommt auch die zweite Mannheimer Familie zu spüren, die von Loreena Melchert vertreten wird. Sie ist Mitte 2021 von der Schwetzingerstadt auf die Vogelstang gezogen. Ihr Kind ist im September drei Jahre alt geworden. Auch ihr hat die Stadt einen Platz in der Kita auf Turley angeboten, die 900 Euro monatlich verlangt. Derzeit gebe es noch keine Lösung, so Melchert am Montag, man strebe eine außergerichtliche Einigung an.

In Mannheim hat die Anwältin neben den beiden Familien keine weiteren Mandanten. Generell werde die Möglichkeit, einen Kita-Platz zu erstreiten, vergleichsweise wenig genutzt, stellt sie fest. Dabei sei die Rechtslage doch klar. Deshalb kann sie „Eltern nur raten: Klagen Sie fehlende Kindergartenplätze ein!“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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