Mannheim. An der Situation ändert sich nichts: Katharina und Sven Feike haben weiterhin keinen Kita-Platz für ihren vierjährigen Sohn. Aber juristisch konnte das Ehepaar, das Anfang April von Speyer in den Mannheimer Stadtteil Franklin gezogen ist, einen weiteren Teilerfolg verbuchen: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG) droht der Stadt Mannheim ein Zwangsgeld in Höhe von 3000 Euro an – für den Fall, dass sie einer Anordnung des Gerichts vom 4. Oktober nicht nachkommt.
In dieser einstweiligen Anordnung wird die Stadt Mannheim „umgehend“ verpflichtet, dem Vierjährigen „einen Platz in einer Tageseinrichtung“ zur Verfügung zu stellen, die mit dem Nahverkehr „in nicht mehr als 30 Minuten“ zu erreichen ist und eine Betreuung von „jeweils sechs Stunden“ an fünf Tagen wöchentlich sicherstellt (wir berichteten am 10. November).
900 Euro Monatsbeitrag
Die Stadt hat der Familie zwar ein Angebot gemacht, das diese beiden Kriterien erfüllt. Aber die genannte private Kita auf Turley erhebt saftige Gebühren. Der monatliche Elternbeitrag liegt bei 900 Euro, hinzu kommen Aufnahmegebühr von 1000 Euro, Kindergarten-Uniform für etwa 250 Euro und der eine oder andere weitere kleine Betrag. Dieses spezielle Angebot, so das Gericht, sei „hinsichtlich der Kosten nicht zumutbar“. Schon allein der Elternbeitrag liege „um ein Vielfaches“ höher als die vergleichbaren Kosten für ein Ganztagsangebot in einer städtischen Kita (230 Euro).
Li.Par.Tie möchte Fördervoraussetzungen ändern
Dass eine private Kita 900 Euro Monatsgebühr für einen Ganztagsbetreuungsplatz erhebt, ist zwar außergewöhnlich hoch. Aber es gibt eine Reihe weiterer privater Kitas, die zwar weniger verlangen, aber deutlich über den Elternbeiträgen in städtischen Einrichtungen liegen.
Bereits zwei Mal hat die geplante städtische Investitionsförderung für solche Einrichtungen im Bildungsausschuss für kontroverse Diskussionen gesorgt. Zuletzt wurde die Bezuschussung eines Vorhabens in der Neckarstadt-Ost lediglich mit Gegenstimmen gebilligt – danach setzte die Stadt es von der Tagesordnung des Hauptausschusses ab.
Die Fraktion Li.Par.Tie fragt im Gemeinderat an diesem Donnerstag an, ob man bei der Schaffung von Kita-Plätzen freie Träger bevorzugen könne, die sich an Gemeinnützigkeit orientieren. Und ob es Möglichkeiten gibt, als Fördervoraussetzung Elternbeiträge zu begrenzen. bhr
Die Stadt müsse eine andere Lösung bieten, und zwar „umgehend“ – auch wenn im Hauptsacheverfahren noch nicht entschieden ist. Aber das VG betont, dass die Klage der Eltern mit „hohem Maß an Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird“.
Die Verwaltung in Mannheim hatte auf Anfrage des „MM“ mitgeteilt, dass sie der Anordnung des Gerichts nicht nachkommen werde, weil sie „nicht rechtskräftig“ sei. Deshalb lege man Beschwerde gegen den Beschluss ein. Rechtsanwältin Loreena Melchert hatte für die Eltern dagegen Vollstreckung beantragt – dem trug das VG mit seinem zweiten Beschluss Rechnung. Es gibt der Stadt vier Wochen Zeit, die Anordnung vom 4. Oktober umzusetzen – und äußert sich kritisch zum bisherigen Handeln der Beamten. Im Rathaus habe man „nach Aktenlage keine erkennbaren wesentlichen Bemühungen unternommen“, der gerichtlichen Anordnung nachzukommen. Stattdessen ziehe man sich weiterhin darauf zurück, den Eltern mit der Kita auf Turley „entgegen den Feststellungen der Kammer einen zumutbaren Betreuungsplatz angeboten zu haben“.
Aufgrund des Berichts vom 10. November im „MM“ hat sich eine weitere Familie aus Mannheim an die Rechtsanwältin gewandt, die ihre Kanzlei in Barmstedt in Schleswig-Holstein hat und sich auf Kindergartenrecht spezialisiert hat. Inka Pfeffer und Heiko Bloch-Pfeffer sind vor ein paar Monaten mit ihrem Sohn von der Schwetzingerstadt auf die Vogelstang gezogen. Das Kind ist im September drei Jahre alt geworden und wird nach wie vor von der Tagesmutter betreut. Aber zum 31. Dezember läuft das aus – ohne dass die Familie einen für sie bezahlbaren Platz hätte. Denn auch hier hat die Stadt ihr lediglich ein Angebot für die teure Kita gemacht, auf die auch die Feikes verwiesen worden waren.
Arbeitsplatz gefährdet
Über ein Jahr lang hatten Heiko und Inka Pfeffer nach einem Platz gesucht. „Wenn sich nichts tut“, so die Mutter, „stehen wir ab Januar ohne Betreuung da“. Entweder sie oder ihr Mann müssten sich dann vom Arbeitgeber freistellen lassen, um auf den Sohn aufpassen zu können.
Die Kita auf Turley scheidet als Möglichkeit aus. „Das ist finanziell ein absoluter Wahnsinn“, ärgert sich Inka Pfeffer. In den drei Jahren bis zur Schule müsste man 36 000 Euro auf den Tisch legen. Gegen das „Abschreckungsangebot“ der Stadt möchte die Familie jetzt – wie schon zuvor die Feikes – Klage erheben.
Vertreten wird sie von Loreena Melchert. Bundesweit hat die Juristin in zehn Jahren rund 500 Fälle begleitet, in denen es um die Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz geht. Sich wie die Stadt Mannheim über ein Urteil des VG hinwegzusetzen, hält sie für ziemlich einzigartig. Wie die Stadt jetzt mit dem neuen Beschluss des Gerichts umgeht, der bei Nichterfüllung des Anspruchs ein Zwangsgeld androht, ist offen. Auf eine entsprechende Anfrage des „MM“ äußerte sich die Verwaltung nicht.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Zweifelhaftes Angebot im Rechtsstreit um Kita-Platz in Mannheim