Mannheim. Seit fast zwei Wochen ist der Mannheimer Fahrlachtunnel nun komplett dicht. Und nicht nur viele Autofahrerinnen und Autofahrer treibt die Frage um: Warum kam das Ganze so überraschend? Auch wenn die Stadtverwaltung jetzt frühere Aussagen gegenüber dem „MM“ etwas ergänzt hat – ein klares Bild ergibt sich nicht.
Das Rathaus hatte die sofortige Sperrung am frühen Nachmittag des 3. August damit begründet, dass Gutachter gravierende Mängel in der Sicherheitstechnik festgestellt hätten – konkret unter anderem bei der Lüftung des Tunnels im Falle eines Brandes.
- Der knapp 500 Meter lange, zweiröhrige Fahrlachtunnel auf der B 36 südlich der Innenstadt verbindet die östlich von Mannheim verlaufenden B 38a mit der nach Ludwigshafen führenden B 37 im Westen. An Spitzentagen nutzen ihn bis zu 60 000 Fahrzeuge.
- Nach sechs Jahren Bauzeit war er im April 1994 eröffnet worden. Mit umgerechnet 80 Millionen Euro war er das bis dahin teuerste Straßenbauprojekt in Mannheims Geschichte. Gebaut wurde der Tunnel von Bilfinger Berger.
- Wegen Mängeln in der Sicherheitstechnik wurde am 18. Juni jeweils eine Fahrspur in beide Richtungen gesperrt, am 3. August folgte dann die Vollsperrung.
- Oberbürgermeister Peter Kurz sagte damals, die jetzt nötige Sanierung dauere "einige Monate bis ein Jahr", genauer sei das noch nicht zu sagen.
- Auch danach wird nach Einschätzung der Stadt für rund zwei Jahre nur eine jeweils einspurige Nutzung möglich sein. imo
Der Tunnel war nach Angaben der Verwaltung jährlich gewartet worden, zudem gab es alle vier bis sechs Jahre eine sogenannte Bauwerksprüfung, bei der es unter anderem um die Statik geht. Bei Wartungen und Bauwerksprüfungen, so die Stadt damals, werde jedoch nicht die Leistungsfähigkeit der Sicherheitstechnik im Brandfall kontrolliert.
Gutachten-Auftrag im Frühjahr
Erst nach einem Feuer in einer Trafoanlage des Tunnels im Jahr 2019 hatte die Stadt laut eigenen Angaben eine Bestandsaufnahme der Betriebstechnik veranlasst und Funktionstests vorgenommen. Diese beiden Maßnahmen hätten einen Anfangsverdacht zu Mängeln in der Tunnellüftung und bei weiteren Sicherheitssystemen ergeben, so das Rathaus am Tag nach der Vollsperrung.
Aber warum hat es nach dem Feuer im Trafohäuschen knapp zwei Jahre gedauert, bis die Ergebnisse der Prüfung vorlagen? Von außen ist kaum nachvollziehbar, dass solche Überprüfungen so viel Zeit beanspruchen. Ein Stadtsprecher ergänzte dazu am Freitag auf Anfrage die früheren Ausführungen.
2019 und 2020 habe man eine Bestandsanalyse der Betriebstechnik vorgenommen, 2020 habe es dann an verschiedenen technischen Anlagen einen Funktionstest gegeben. Auf Grundlage der Bestandsanalyse und der Funktionstests sei schließlich „unter anderem ein Gutachten für die Tunnellüftung empfohlen“ worden. „Dieses Lüftungsgutachten wurde im Frühjahr 2021 beauftragt und durchgeführt“, hieß es am Freitag.
Leistungsfähigkeit kontrolliert?
Neben der Frage nach der langen Dauer bis zum Vorliegen von Ergebnissen stellt sich allerdings eine weitere: Wenn die Leistungsfähigkeit der Tunnel-Sicherheitstechnik im Brandfall weder bei den Wartungen noch bei den Bauwerksprüfungen kontrolliert wird – wann dann? Oder gab es im Fahrlachtunnel über Jahre gar keine regelmäßige Kontrolle der Leistungsfähigkeit?
Die Stadt Mannheim hat für eine solche Kontrolle offenbar keinen Grund gesehen, wie die Antwort aus dem Rathaus nahelegt. Bei den regelmäßigen Wartungen seien die technischen Komponenten auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft und gewartet worden, erklärte der Sprecher jetzt. „Es lagen keine Erkenntnisse vor, die Rückschlüsse zu einer Nichteinhaltung der Leistungsfähigkeit der Technik ergaben.“ Notwendige technische Sanierungen habe man dennoch vorgenommen: So wurde laut Stadt 2016 die Gebäudeleittechnik erneuert, 2018 die Sicherheitsbeleuchtung der Fahrbahnen angebracht und 2019 die Fluchtwegebeleuchtung ergänzt.
Neben diesen Fragen steht allerdings noch ein gewichtiger Vorwurf im Raum – nämlich der, dass bereits vor vielen Jahren eine eigentlich vorgeschriebene Überprüfung der Sicherheitstechnik im 1994 eröffneten Fahrlachtunnel möglicherweise gar nicht stattgefunden hat. Das jedenfalls legt ein Bericht der Tageszeitung „Rheinpfalz“ nahe.
Darin heißt es, die heute gültigen Regeln für die Sicherheitstechnik von Tunneln seien die 2006 erlassenen „Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln“ (RABT)“. Die Zeitung berichtet, dass es im April 2006 ein Rundschreiben des Bundesverkehrsministeriums gegeben habe. Das Schreiben habe auf die neuen Vorgaben hingewiesen und Tunnel-Betreiber aufgefordert zu kontrollieren, ob ihre Bauwerke diesen Anforderungen genügen, und verlangt, gegebenenfalls ein Konzept zur Nachrüstung zu erarbeiten.
Rundschreiben vom Ministerium
Ist das beim Fahrlachtunnel damals passiert? Die Vermutung liegt nahe, dass offenbar nichts geschehen ist – sonst wären die Mängel jetzt ja nicht so überraschend von heute auf morgen zutage getreten.
Auf diese Frage gab es aus dem Mannheimer Rathaus am Freitag nur eine kurze Antwort: „Die interne Aufarbeitung solcher Fragestellungen findet aktuell statt, benötigt allerdings etwas Zeit. Bitte haben Sie hierfür Verständnis“, heißt es in der Rückmeldung der Verwaltung auf Anfrage dieser Redaktion.
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