Freßgasse und Kunststraße - Ladeninhaber kritisieren Wegfall der Parkplätze in Kunststraße und Freßgasse und sorgen sich um ihre Zukunft / Verkehrsversuch soll im März beginnen

Mannheimer Einzelhändler kritisieren Pflanzkübel auf Parkplätzen als "Aktionismus"

Von 
Christian Schall
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Fahrradbügel sowie Pflanzkübel nehmen in Kunststraße und Freßgasse nun den Raum ein, der zuvor als Parkplatz genutzt wurde. Fahrzeuge können nur noch in Ladezonen parken. © Christian Schall

Mannheim. Wo bis vor einigen Monaten noch Autos und Lieferwagen parkten, stehen nun Pflanzkübel auf Paletten und Fahrradbügel. Im Spätsommer hatte die Stadt damit begonnen, etwa 80 Kurzzeitparkplätze in der Kunststraße und Freßgasse aufzugeben, um damit die Aufenthaltsqualität zu verbessern.

Die Umgestaltung ist Teil des Verkehrsversuchs, der eigentlich schon im vergangenen Jahr beginnen sollte. Wegen der Sperrung des Fahrlachtunnels wurde er jedoch auf das Frühjahr 2022 verschoben. Dieses steht vor der Tür, doch einen genauen Termin für den Start will die Stadt auf Anfrage nicht nennen. „Aktuell laufen die Planungen und letzten Abstimmungen. Wir werden voraussichtlich Anfang Februar alle näheren Informationen öffentlich machen“, heißt es aus dem Rathaus. Wie der „MM“ aus mehreren Quellen erfahren hat, soll es Mitte März losgehen. Bis dahin seien noch „bauliche Eingriffe in mehreren Abschnitten erforderlich“. Da es sich um einen „Versuch“ handelt, seien Anpassungen und Nachsteuerungen grundsätzlich möglich, sagte eine Rathaus-Sprecherin.

Zweierlei Maß bei Richtlinien?

„Viele Einzelhändler finden, dass die von der Stadt aufgestellten Blumenkübel zu groß sind und die Bepflanzung zu hoch ist und auch insgesamt nicht den Gestaltungsrichtlinien entsprechen, die die Stadt selbst aufgelegt hat“, sagt Hendrik Hoffmann, Geschäftsführer des Q 6/Q 7-Betreibers CRM Center & Retail Management. Die Gefäße wirkten nicht hochwertig, sondern improvisiert. „In einer Testphase hätten wir gemeinsam sicherlich eine bessere Lösung gefunden. Besonders verwundert bin ich aber darüber, wie die Stadt hier mit zweierlei Maß misst. Es sollten für alle Beteiligten, auch für die Stadtverwaltung selbst, die gleichen Richtlinien gelten“, fordert Hoffmann.

Der abgewandelte Verkehrsversuch

  • Nach einem Beschluss des Gemeinderats sollte ab Ende August 2021 der Durchgangsverkehr in der Kunststraße, Freßgasse und Marktstraße unterbrochen werden. Erste Vorbereitungen dafür wurden schon getroffen, der Zeitplan stand fest.
  • Anfang August sperrte die Stadt plötzlich den Fahrlachtunnel wegen Sicherheitsmängeln. Nachdem bekanntgeworden war, dass der Tunnel mehrere Monate geschlossen bleibt und wieder mehr Durchgangsverkehr durch die Innenstadt rollt, entschied die Stadt, den Verkehrsversuch „abzuwandeln“.
  • Um die Aufenthaltsqualität trotzdem zu erhöhen, wurden in der Kunststraße und Freßgasse rund 80 Kurzzeitparkplätze in Parklets umgewandelt. Außerdem sollten 18 weitere Lieferzonen eingerichtet werden.
  • Kunststraße und Freßgasse sollen ab dem Frühjahr unterbrochen werden. Dann ist das Queren der Gleise durch den Kfz-Verkehr zwischen C 1/N 1 und B 1/M 1 sowie zwischen P 1/Q 1 in der Freßgasse nicht mehr möglich.
  • Die Marktstraße soll zwischen E 1/E 2 in eine Fahrradstraße umgewandelt werden.

In der Gestaltrichtlinie für die Innenstadt ist auf 30 Seiten detailliert aufgeführt, wie groß etwa ein Gastro-Stuhl oder -Tisch sein darf und welche Farbe er hat. Pflanzkübeln sind fast zwei Seiten gewidmet, und tatsächlich weichen die meisten von der Stadt aufgestellten Tröge von der vorgegebenen Höhe (mindestens 50, maximal 70 Zentimeter) ab.

„Die Stadt legt sich Richtlinien auf, die sie selbst nicht erfüllt“, kritisiert Juwelier Roberto Troncone. „Ich bin immer für Grün zu haben, aber so? Ich tue mich schwer, was Gutes daran zu finden.“ Es werde den Kunden nur schwergemacht, in die Stadt zu kommen. „Wo soll der Verkehr abfließen, wenn die Schranke in Q 1 geschlossen wird?“, fragt sein Bruder Claudio Troncone. Für beide ist das Vorgehen „Aktionismus, ein gesunder Menschenverstand ist nicht zu sehen“.

Kritik an Kommunikation

So argumentiert auch Alexander Füßl, einer der Geschäftsbetreiber des Südlandhauses. „Für mich ist kein nennenswerter Beitrag durch die Pflanzkübel zu erkennen.“ Zudem sei er überrascht, dass einige Fahrradbügel fest im Boden verankert sind, was bei den Parklets für die Bewirtung, die er auch eingerichtet hat, nicht erlaubt sei. „Wir wundern uns, dass hier Dinge unterschiedlich gehandhabt werden.“

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Beim Verkehrsversuch vermisst er ein umfassendes Konzept und spricht von „unprofessioneller Kommunikation“, da sich die Verkehrssituation nicht verbessert habe. „Warum klärt man das nicht mit den Anwohnern und Geschäftstreibenden vor Ort ab? Ich kann nicht verstehen, warum man jetzt so auf die Tube drückt.“ Er wünsche sich ein konstruktives Gespräch mit allen Beteiligten. Er hält nichts davon, die Bürger umzuerziehen, dass sie andere Verkehrsmittel nutzen. Das sei nur durch Anreize möglich. „Es geht nicht um uns, sondern um unsere Kunden. Die kommen in die Stadt, um zu konsumieren und wollen eine gewisse Bequemlichkeit.“ Füßl sieht das gefährdet, spricht von „einem Spiel mit dem Feuer“ und fragt: „Wer verantwortet das eigentlich, wenn es schiefgeht?“

„Zwischendurch mal ein Kübel ist ganz schön, aber man muss nicht alles vollstellen. Eine gute Mischung wäre schön“, sagt Christian Bausback von Teppich Bausback in N 3. Er kritisiert, dass die Kübel nicht gepflegt werden. Die Fahrradständer vor seinem Laden würden kaum genutzt: „Wenn da mal zwei am Tag stehen, ist das viel.“ Man habe zu viele Parkplätze weggenommen. „Das trifft Gehbehinderte und ältere Leute, die schnell etwas erledigen wollen.“ Bausback rechnet beim Verkehrsversuch mit Problemen für den Lieferverkehr zu den Baustellen in O 2 und N 7.

Arztpraxen schwer zu erreichen

„Die Kunden fühlen sich nicht mehr willkommen“, sagt Klaus Vöst, der in der Kunststraße ein Rasierergeschäft betreibt. Er berichtet von Umsatzeinbußen, „die nichts mit Corona zu tun haben“. Wenn Kunden zu ihm kommen, wüssten sie genau, was sie wollten. Dafür wollten sie in Ladennähe parken und nicht in ein weiter entferntes Parkhaus fahren.

Bei zwei „MM“-Leserinnen stößt das Konzept ebenfalls auf Ablehnung. „Blumenkübel sind zwar eine schöne Idee, aber man muss alles mit Maß und Ziel machen“, sagt Ute Hartmann. Als Betroffene hätte sie sich gewünscht, dass mehr Behindertenparkplätze geschaffen worden wären. „Es gibt so viele Arztpraxen in der Fußgängerzone, sie zu erreichen, ist unmöglich.“ Die Parkhäuser seien für Behinderte keine Erleichterung. „Es ist zwar schön, wenn man bei Sonnenschein draußen sitzen kann. Deswegen aber die Kurzzeitparkplätze wegzurationalisieren, ist nicht gut überlegt.“

Tina Weise, die in der Nähe des Wasserturms wohnt, fürchtet durch die wegfallenden Parkplätze Auswirkungen auf ihre Nachbarschaft. „Nicht alles ist zu Fuß oder per Rad zu erledigen. Wenn man eine bewohnerfreundliche Innenstadt haben möchte, dann sollte man die Bewohner auch entsprechend schützen und ,richtige‘ Anwohnerplätze schaffen.“

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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