Jubiläum

Mannheimer Beratungsstelle Amalie: „Ein Lichtblick in einem tiefen dunklen Feld“

Die Mannheimer Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution - Amalie - feiert im Eintanzhaus der Trinitatiskirche ihren zehnten Geburtstag. Zur Feier haben sich Helfer, Unterstützer und Aussteigerinnen versammelt

Von 
Christine Maisch-Bischof
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Seit zehn Jahren gibt es die Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution. Zum Geburtstag von Amalie haben sich alle anwesenden Helfer, Unterstützer und aktiven Teilnehmer der Veranstaltung um die Geburtstagstorte versammelt. © Christoph Blüthner

Mannheim. Streetworker, die beklemmende Einblicke in ein von Gewalt und Profit beherrschtes Milieu geben. Politiker, die sich nicht scheuen, auch ihre anfängliche Skepsis gegenüber Amalie einzugestehen. Die aber auch den immensen Erfolg und den Modellcharakter der Mannheimer Diakonieeinrichtung für andere Städte hervorheben: Amalie, die Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution, feiert zehnten Geburtstag - zusammen mit knapp 200 Gästen, darunter das Amalie-Team, der Kreis der Ehrenamtlichen, Aussteigerinnen sowie Unterstützerinnen und Helfern aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Sozialem.

Als „Lichtblick in einem tiefen dunklen Feld“, bezeichnet Ralph Hartmann die Arbeit, die das Team um Leiterin Astrid Fehrenbach leiste. Genau wie Julia Wege, die „Amalie zur Welt gebracht hat“, so der Dekan. Und die vor zwei Jahren dem Ruf als Professorin an die Hochschule Ravensburg-Weingarten gefolgt ist. Im Hinblick auf ein Sexkaufverbot, wie es im sogenannten Nordischen Modell vorgesehen ist, plädierte er dafür, den Blick mehr auf Freier zu lenken, „die sich bedienen und die Not der Frauen für ihr zweifelhaftes Vergnügen ausnutzen“.

Staatssekretärin Ute Leidig betont in ihrem Grußwort: „Seien Sie versichert: Die Probleme und Herausforderungen rund um das Thema Prostitution stehen fest auf der Agenda der Landesregierung und insbesondere des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg.“

Stadträtin: „Amalie gehört zu Mannheim“

„Ich gebe zu, ich war damals neidisch“, Stadträtin Claudia Schöning-Kalender bekennt offen, dass die Anfänge von Amalie im Rathaus kritisch beäugt wurden. Da sie selbst damals im Frauenbüro der Stadt tätig war, habe sie nicht einsehen können, warum es Gelder geben solle für das Projekt einer frisch Examinierten, die plötzlich zusammen mit ihrem Professor Martin Albert und dem damaligen Diakoniedirektor Peter Hübinger ein fertiges Konzept für eine Beratungsstelle samt der Idee zum Runden Tisch Prostitution präsentierten. Heute stehe sie voll hinter Amalie und überbringe zum Jubiläum nicht nur den Dank der Stadt, „sondern auch die Gewissheit, dass Amalie zu Mannheim gehört“.

Dem kann auch Amalie-Beirätin und Staatssekretärin Elke Zimmer nur zustimmen, die Streetworkerinnen bei einem Einsatz im Rotlichtmilieu in der Lupinenstraße begleitet hat - und mit ihrer Schilderung bei einer Experten-Talkrunde alle Beteiligten sichtlich bewegt: „Da sitzen Mädchen im Alter meiner Tochter, wie Ware ausgestellt vor ihren Zimmern in denen sich Kuscheltiere türmen und warten auf Freier.“

Medizinische Versorgung für Prostituierte wichtig

Amalie-Gründerin Julia Wege, heute selbst Mutter einer sieben Monate alten Tochter, macht deutlich, wie wichtig es ihr war, eine medizinische Versorgung für Prostituierten zu ermöglichen. Viele der Frauen seien bereits wenige Wochen vor der Entbindung gewesen, aber hätten nicht einmal einen Arzt gesehen: „Geschweige denn haben sie gewusst, wie sie eines Tages ihr Kind versorgen sollen.“ Diese tägliche Erfahrung sei ihr Motor gewesen, sich den Herausforderungen des Spagats zwischen Beratung, Streetwork und Spendenakquise zu stellen.

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Von einer „doppelten Gewalterfahrung“ spricht die Psychotherapeutin, Autorin und Aussteigerin Anna Schreiber auf die Frage von Moderator Martin Albert nach der Realität für Frauen in der Prostitution: „Gewalt erleben die Frauen täglich bei ihrer Arbeit.“ Der zweite Gewaltplatz finde durch die Legalisierung, die Verharmlosung in Politik und Gesellschaft statt. Was sie Amalie wünsche? „Mehr Geld“, räumt sie lachend ein. „Und den Mitarbeitenden, dass sie den Frauen nicht nur ihr Ohr und ihr Herz geben, sondern auch eine Stimme. Bis sie stark genug sind, selbst zu sprechen.“

Soul-, pop- und jazzig empfangen und zu den einzelnen Programmpunkten eingestimmt werden die Gäste von den wunderschönen Klängen der vier Musikerinnen des Saxofonquartetts „FAMDÜSAX“. Bei einem Büfett samt Glühwein klingt der Abend aus. Und er lässt deutlich spüren, dass Amalie längst angekommen ist in unserer Stadt.

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