Bildung

Mannheim will Anspruch auf Ganztag pünktlich erfüllen

Die Zeit wird knapp. Ab 2026 muss Kindern ein Ganztagsplatz in der ersten Klasse der Grundschule angeboten werden. Das Problem: Bislang läuft nur jede fünfte Schule in Baden-Württemberg im Ganztagsbetrieb

Von 
Stefanie Ball
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Ganztagsschulen sollen für mehr Chancengerechtigkeit und Teilhabe sozial benachteiligter Kinder sorgen. © dpa

Eigentlich sollten - so sieht es ein fast zehn Jahre altes baden-württembergisches Gesetz zu Ganztagsgrundschule vor - schon jetzt 70 Prozent der Grundschulen im Ganztagsbetrieb laufen. Tatsächlich sind es 20 Prozent, in Mannheim immerhin etwas mehr: 30 Prozent. Von den 33 Grundschulen in der Stadt sind elf, ab September zwölf der dann 34 Grundschulen Ganztagsschulen.

Schulen in Baden-Württemberg hinken Entwicklung hinterher

In den vergangenen zehn Jahren ist also nichts bis wenig passiert, das hat der Städtetag Baden-Württemberg, der aus Anlass der Bundesgartenschau in Mannheim tagte, unumwunden eingeräumt. Doch nun müssen die Kommunen aufs Tempo drücken.

Grundschulen im Ganztagsbetrieb

Der Ganztagsanspruch ist weitreichend: Er gilt acht Zeitstunden pro Tag an allen Werktagen, ausgenommen sind Feiertage.

Die Schulferien sind ebenfalls eingeschlossen, es gibt maximal vier Schulferienwochen. In der übrigen Zeit müssen die Kinder betreut werden.

Ob der Rechtsanspruch wahrgenommen wird, entscheiden die Eltern, der Besuch einer Ganztagsschule ist freiwillig. Wenn es allerdings nur eine Ganztagsschule im Schulbezirk gibt, müssen/können die Kinder zu einem Schulbezirk mit einer Halbtagsschule – die es weiter geben wird – wechseln.

Das Ganztagsschulkonzept sieht zwei Formen vor: die verbindliche Form, bei der alle Schüler am Ganztagsbetrieb teilnehmen, und die Wahlform, das heißt, am Vormittag findet die klassische Halbtagsgrundschule für alle statt, ab mittags beginnt der Ganztagsbetrieb. Bei der Wahlform entscheiden Eltern zu jedem neuen Schuljahr, ob ihr Kind am Ganztag teilnimmt oder nicht. sba

Schrittweise Einführung der Ganztagsbetreuung

Denn ab 2026 wird der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule schrittweise - beginnend mit der ersten Klasse - eingeführt. So wurde es 2021 von Bundestag und Bundesrat beschlossen, und das gilt bundesweit. Ab August 2029 hat dann jedes Grundschulkind einen Anspruch auf ganztägige Betreuung.

Finanzierung steht auf wackeligen Füßen

Eine Herkulesaufgabe für die chronisch klammen Kommunen. „Momentan ist deshalb noch nicht gesichert, dass der Rechtsanspruch allerorten vollständig bedarfsgerecht erfüllt werden kann“, heißt es in einem Papier des Städtetages. Sprich: Es werden wohl nicht alle Eltern im Land ihren Anspruch sofort geltend machen können.

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Bund investiert 390 Millionen Euro

Das Problem: Geld und Personal sind knapp. Gerade einmal 386 Millionen Euro erhält Baden-Württemberg vom Bund, um die Schulen rein baulich mit Kantinen und Aufenthaltsräumen auf Ganztagsbetrieb umzurüsten. Im Südwesten gibt es insgesamt 2441 öffentliche und private Grundschulen. Die Kommunen stehen bereits in den Startlöchern, um das Geld abzurufen, noch vor den Sommerferien soll die dafür notwendige Förderrichtlinie stehen. Der Charme dieses Fördertopfes aus Sicht der Städte: Bezuschusst werden 70 Prozent der Investitionskosten. Bei der „normalen“ Schulbauförderung erhalten die Kommunen nur 30 Prozent, den Rest müssen sie selbst tragen.

Mannheims Bildungsbürgermeister fordert Nachverhandlungen

Doch egal, aus welchem Topf das Geld kommt, es bleibt ein Tropfen auf den heißen Stein. Allein die Sanierung und der Umbau der Mannheimer Pestalozzi-Grundschule zur Ganztagsschule kostet 52 Millionen Euro. „Das, was Bund und Länder den Kommunen zur Verfügung stellen, ist nicht kostendeckend“, kritisiert Mannheims Bildungsbürgermeister Dirk Grunert. Hier müsse dringend nachverhandelt werden.

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Mannheim will Anspruch ab 2026 erfüllen

Trotzdem ist der Grünen-Politiker optimistisch: „Wir wollen in Mannheim den Rechtsanspruch, sobald er gilt, also ab September 2026, erfüllen.“ Dass künftig nicht mehr die aus Lehrkräften und Elternvertretern bestehende Schulkonferenz der jeweiligen Schule darüber entscheiden kann, ob sie auf Ganztagsbetrieb umstellt oder nicht, begrüßt Grunert, unterstreicht aber auch: „Unser Ziel ist, das gemeinsam mit Schulleitung, Lehrerkollegium und den Eltern hinzubekommen.“ Das Kultusministerium will noch vor der Sommerpause eine entsprechende Gesetzesnovelle auf den Weg bringen, um den Schulträgern, also den Kommunen, mehr Handlungsspielraum zu geben.

Verbindlicher Ganztag soll die Regel werden

Mit Blick auf die Ganztagsschulkonzepte - verbindlich für alle oder Wahlmodell, bei dem nur ein Teil der Schüler die Nachmittagsbetreuung besucht - betonte Grunert, dass die gebundene Form für Mannheims Ganztagsschulen die Regel sein soll. Sprich: Alle Schülerinnen und Schüler nehmen am Ganztagsbetrieb teil. So wie es bei zehn von zwölf Ganztagsschulen ab September der Fall sein werde. „Pädagogisch eröffnet der gebundene Ganztag mehr Möglichkeiten, Themen können stärker vertieft, Kinder individuell gefördert, Unterricht und Pausen über den Tag verteilt werden.“ Das Projekt Ganztagsausbau soll nicht nur einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf dienen, sondern es verfolgt auch sozialpolitische Ziele: mehr Teilhabe für benachteiligte Schüler.

Freie Autorin

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