Mannheim. Mannheim ist ein Hotspot für Gründungen und Start-ups. In der Quadratestadt wird acht Mal so häufig gegründet wie im Bundesschnitt. Im Hinblick auf die Anzahl der Gründungen steht Mannheim mit Großstädten wie Köln, Hamburg, Stuttgart und Frankfurt in der deutschen Spitzengruppe - obwohl die Stadt mit Abstand die kleinste der genannten ist. Die kommunale Infrastruktur mit acht Gründungszentren und einem breit angelegten Unterstützungsprogramm für alle Phasen, die der unternehmerische Start mit sich bringt, sucht europaweit ihresgleichen. Und mit Next Mannheim gibt es eine Struktur, die im Auftrag der Stadt die Angebote bündelt. Schwerpunkte sind Industry-Tech, Medtech, Urban-Technology, Kreativwirtschaft und IT - sie tragen der wirtschaftlichen Struktur Mannheims Rechnung.
Unsere Stadt ist außerdem eine E-Commerce-Hochburg mit einer Reihe von Online-Shops, die zweistellige Millionenumsätze verzeichnen und zu einem wahren Job-Motor geworden sind. Mehrere Hundert Start-ups sind in Mannheim angesiedelt. Viele Tausend Arbeitsplätze wurden geschaffen. Zum positiven Imagewandel Mannheims wurde beigetragen - alles super! Reicht doch, könnte man meinen. Nein!
"Sind noch lange nicht am Ziel"
Auch hier befinden wir uns in einer Zeitenwende. Ein „Weiter so, immer mehr!“ reicht eben nicht mehr. Es gibt zwar nie genug Innovationen und junge Unternehmen, die neue Ideen in wirtschaftlich tragfähige Konzepte umsetzen, aber auch hier muss zukünftig viel mehr die Frage gestellt werden, ob die neuen Geschäftsmodelle unsere Lebensgrundlage infrage stellen, welche ökologischen Auswirkungen ein Vorhaben mit sich bringt, und welchen sozialen Einfluss eine Unternehmung - beispielsweise auf die Stadt, in der es angesiedelt ist - hat. Diese Fragen werden bei Neugründungen noch viel zu selten und nicht konsequent genug gestellt. Hier gibt es noch sehr viel zu tun.
Die meisten Start-ups orientieren sich bisher noch an einem traditionellen Wirtschaftsmodell, bei dem Gewinnmaximierung und Expansion im Vordergrund stehen. Das haben wir alle so gelernt. Es geht im Kern darum, möglichst effizient viel Geld zu verdienen, Marktanteile zu sichern, zu wachsen und dadurch Arbeitsplätze und Wohlstand zu generieren. Daran ist nichts falsch, und dieser Grundsatz gilt weiter. Er muss aber dringend um weitere Aspekte ergänzt werden, die unsere bisherige Wirtschaftsordnung nicht vorsehen. Zum Beispiel war es unserem Wirtschaftsmodell lange Jahre völlig egal, wie viel CO2 entlang der Wertschöpfung emittiert wird, wie die sozialen Bedingungen der Arbeitenden in den Produktionsstandorten aussehen oder wie das Produkt später einmal entsorgt wird. Hier sind wir schon einige Schritte gegangen, und gerade junge Start-ups nehmen diese Überlegungen zunehmend mehr in ihre Planung auf. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel.
"Überlegter Systemwechsel ist notwendig"
Man kann eine verdiente 150-jährige Wirtschaftstradition, auf der unser Wohlstand basiert, und die sich fast ausschließlich am Umsatzwachstum als Erfolgsparameter orientiert, auch nicht von jetzt auf nachher abschaffen. Ein überlegter Systemwechsel ist notwendig. Dabei sind etwas Geduld, aber auch Tatkraft und Entschlossenheit gefragt. Insbesondere wird es zukünftig wichtig sein, diese Gedanken bei der Neugründung eines Unternehmens gleich mitzudenken und nicht nur das Nötigste vorzusehen, um alle rechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Später anpassen zu müssen, ist teuer, umständlich, überflüssig, und es wird Zeit verloren, da dieser tiefergehende Prozess früher oder später für alle Unternehmen obligatorisch werden wird. Werden muss!
Bei der Gründung eines Unternehmens muss man sich die einfache Frage stellen: Wie kann ich das machen, ohne irgendetwas oder irgendwem zu schaden? Hat man diese Fragen ehrlich und verantwortungsbewusst beantwortet und die Zahlen des Businessplans sind mittelfristig immer noch schwarz, ist man auf dem richtigen Weg. Werden die Zahlen dauerhaft rot, ist es nicht das richtige Geschäftsmodell.
Daher haben wir auch in Mannheim noch viel zu tun. In diesem Aspekt sind wir nicht Spitze, sondern trübes Mittelfeld - das gilt für viele Kommunen. Um so wichtiger, dass wir es angehen. Es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen, dass eine Gründung auch mit einer Verantwortung verbunden ist, die über das eigene Unternehmen hinaus geht. Seitens der Stadt und Next Mannheim wird es nötig sein, Angebote zu machen, um bei diesen Prozessen noch mehr zu unterstützen. Beispielsweise könnten Förderungen oder die Aufnahme in Gründungszentren an Nachhaltigkeitskriterien gekoppelt werden. Oder nachhaltig wirtschaftende Start-ups erhalten andere Vorteile wie Abgabenerleichterungen. Nachhaltig zu wirtschaften, ist teurer als herkömmlich zu gründen.
"Mannheim sollte vorangehen"
Verantwortung ist immer auch Mehraufwand. Überwache ich meine Lieferketten auf Einhaltung der Sustainable Development Goals - also die Nachhaltigkeitsziele - der UN, ist das aufwendiger, als nur den günstigsten Preis beim Einkauf zu wählen. Es darf aber kein Nachteil sein, nachhaltig zu wirtschaften! Das müssen wir sicherstellen. Darüber hinaus werden auch die Fachkräfte der Zukunft diesen Anspruch an ihre Arbeitgeber stellen - das tun sie zum Teil schon heute: Wie sieht es mit dem CO2-Fußabdruck des Unternehmens aus? Geht es im Unternehmen gerecht, fair und nachhaltig zu? Achtet es auf Gemeinwohlorientierung? Ohne auf diese Fragen adäquat antworten zu können, wird es in Zukunft schwer, Talente und Fachkräfte zu finden und zu binden.
Mannheim sollte, wie schon so oft, vorangehen. Die Stadt sollte ein Programm schaffen, das nachhaltige Start-ups belohnt und es langfristig attraktiv macht, nachhaltig zu gründen. Das wird Geld kosten, es wird den Aufwand aber wert sein. Unternehmen, die dazu beitragen, unsere Stadt lebenswert zu erhalten, sollten in besonderem Maße unterstützt werden. Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele könnten sein: Mietreduzierung bis hin zu Mietfreiheit für nachhaltige Start-ups in den Mannheimer Gründungszentren. Programme zinsfreier Förderkredite oder Beteiligungsmodelle für nachhaltig arbeitende Start-ups. Beratung und Unterstützung, um bestehende Geschäftsmodelle in nachhaltige Unternehmungen zu überführen. Mannheim sollte einen Förderpreis für Start-ups ausschreiben, die nachhaltige Wertschöpfung betreiben. Auch die Gründungszentren müssen nachhaltig umgestaltet werden. Und die Idee einer „Start-up-Foundry“, eines Ortes, an dem Mittelstand, Start-ups und Corporates auf der Grundlage nachhaltiger Prinzipien zusammenarbeiten, sollte ebenso weiterverfolgt werden. Wir sollten die Best-Practice-Beispiele kommunizieren und zur Nachahmung ermutigen. Wir von Next Mannheim werden ein entsprechendes Konzept erarbeiten.
Zum Autor: Christian Sommer kümmert sich als Geschäftsführer von Next Mannheim um die Gründerszene der Stadt
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mannheim-wie-waers-mit-mehr-nachhaltigen-gruendungen-_arid,1873996.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html