EU-Modellstädte

Mannheim und Heidelberg gemeinsam für den Klimaschutz - OB Kurz: "Ziel ist ambitioniert"

Von 
Stefanie Ball
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Der Ausbau der Windenergie kommt wegen aufwendiger Genehmigungsverfahren oftmals nicht in Schwung. Im Bild: Windräder an der Nordsee. © Christian Charisius/dpa

Mannheim. Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz kommt mit dem E-Auto zum Pressegespräch im Grenzhof in Heidelberg, Umwelt-Bürgermeisterin Diana Pretzell mit einem Carsharing-Auto von Stadtmobil, Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner mit einem Wasserstofffahrzeug. Das passt zum Thema, denn im Innenhof des gleichnamigen Hotels in dem kleinen Weiler, der ziemlich genau auf der Gemarkungsgrenze zwischen den beiden Städten Mannheim und Heidelberg liegt, wollen Pretzell, Würzner sowie Heidelbergs Klima-Bürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain erklären, wie die beiden Städte bis 2030 klimaneutral werden sollen. Die EU hatte Ende April sowohl Mannheim als auch Heidelberg für die neue Mission „100 klimaneutrale und intelligente Städte“ ausgewählt; insgesamt sind EU-weit 100 Städte dabei, in Baden-Württemberg hatten sich fünf Kommunen beworben.

Zugriff auf Fördertöpfe

Nun will man, so machen die vier Politiker deutlich, eng zusammenarbeiten, um die EU-Mission zu erfüllen. „Die globale Durchschnittstemperatur erhöht sich schneller als gedacht, das Zeitfenster, in dem wir aktiv handeln können, wird enger“, erklärt Heidelbergs parteiloser Oberbürgermeister Würzner. Zugleich räumte er ein, dass die Städte – trotz aller Bemühungen – vom Ziel der Klimaneutralität noch weit entfernt seien. „Das ist ein hoher Anspruch.“ Das sieht auch Mannheims SPD-Oberbürgermeister Kurz so. „Es wäre absurd, als Oberbürgermeister einer Industriestadt bei dem Datum 2030 nicht zu zucken.“ Zugleich betonen er wie auch die anderen: Die Trendwende muss jetzt gelingen –oder sie gelingt gar nicht mehr.

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900 000 Tonnen CO2 emittiert die Stadt Heidelberg aktuell, in Mannheim sind es rund drei Millionen Tonnen. Die Werte müssen in den nächsten Jahren runter, nicht ganz auf Null, aber nahezu. Dafür sind riesige Investitionen notwendig, und Heidelberg und Mannheim hoffen, mit dem neuen EU-Programm von Fördertöpfen zu profitieren. Tatsächlich stehen allein über die Mission in diesem und im nächsten Jahr 360 Millionen Euro für Projekte der 100 beteiligten Städte bereit, daneben sollen weitere Ressourcen, etwa auf Ebene des Bundes, gehoben werden. Das einhellige Credo des Pressegesprächs war deshalb auch: Klimaschutz kostet Geld, das die Kommunen nicht haben, außerdem gibt es Akteure, allen voran die Industrie, auf die die Politik vor Ort keinen unmittelbaren Zugriff hat. „Allein schaffen wir das nicht, wir müssen uns gemeinsam auf den Weg machen“, so Heidelbergs grüner Klima-Bürgermeister Schmidt-Lamontain.

Diese 100 Modellstädte in der EU sollen bis 2030 klimaneutral werden

  • Belgien: Antwerpen, Brüssel, La Louvière, Löwen
  • Bulgarien: Gabrowo, Sofia
  • Dänemark: Aarhus, Kopenhagen, Sonderburg
  • Deutschland: Aachen, Dortmund, Dresden, Frankfurt/Main, Heidelberg, Leipzig, Mannheim, München, Münster
  • Estland: Tartu
  • Finnland:  Espoo, Helsinki, Lahti, Lappeenranta, Tampere, Turku
  • Frankreich: Angers Bordeaux Dijon Dunkerque Grenoble-Alpes Metropole Lyon Marseille Nantes Paris
  • Griechenland: Athen, Ioannina, Kalamata, Kozani, Thessaloniki, Tricca
  • Irland: Cork, Dublin
  • Italien: Bergamo, Bologna, Florenz, Milan, Padua, Parma, Prato, Rom, Turin
  • Kroatien: Zagreb
  • Lettland: Liepaja, Riga
  • Litauen: Tauroggen, Vilnius
  • Luxemburg: Differdingen
  • Malta: Gozo
  • Niederlande: Amsterdam, Eindhoven/Helmond, Groningen, Rotterdam, Den Haag, Utrecht
  • Österreich: Klagenfurt
  • Polen: Krakau, Lódz, Rzeszow, Warschau, Breslau
  • Portugal: Guimarães, Lissabon, Porto
  • Rumänien: Bukarest, Cluj-Napoca, Suceava
  • Schweden: Gävle, Göteborg, Helsingborg, Lund, Malmö, Stockholm, Umeå
  • Slowakei: Bratislava, Koice
  • Slowenien: Kranj, Ljubljana, Velenje
  • Spanien: Barcelona, Madrid, Sevilla, Valencia, Valladolid, Vitoria-Gasteiz, Saragossa
  • Tschechien: Liberec
  • Ungarn: Budapest, Miskolc, Pécs
  • Zypern: Limassol

Überhaupt geht es an diesem sonnigen Morgen im idyllischen Kastanienhof mehr um den Weg als das Ziel. Das Entscheidende an dem Datum 2030 sei nicht das Datum selbst, sondern dass in den Jahren bis dahin echte Veränderungen stattfinden. „Wir können nicht sieben Jahre warten“, betont Kurz. Ob das Ziel am Ende erreicht wird? Das lassen die Beteiligten an dieser Stelle offen. Zu groß sind die Unwägbarkeiten, die schon damit beginnen, dass Genehmigungsverfahren etwa für den Bau von Solar- oder Windkraftanlagen zu lange dauerten. „Eine Anlage, die heute ins Genehmigungsverfahren geht, kann 2030 in Betrieb genommen werden“, sagt Würzner. Zu spät, um das Missionsziel zu erreichen.

Diana Pretzell, Peter Kurz, Eckart Würzner und Raoul Schmidt-Lamontain (von links) bei einem Pressegespräch im Innenhof des Hotels Grenzhof. © Christoph Blüthner

Auch bei der energetischen Gebäudesanierung werden die angestrebten Quoten derzeit noch verfehlt, was nicht zuletzt an einem Mangel an Handwerkern liegt. „Wir sind zu langsam“, räumt Pretzell unumwunden ein. Doch viele Rahmenbedingungen könnten die Kommunen selbst gar nicht ändern, da seien dann die Länder oder der Bund gefragt.

Völlig unklar ist auch, wie das Monitoring aussehen soll, um Fortschritte bei der CO2-Reduktion zu messen. Bis die Emissionswerte für die einzelnen Sektoren berechnet sind, vergehen laut Pretzell im Schnitt zwei Jahre. Die Stadt Mannheim kann beispielsweise noch immer nicht sagen, ob sie das selbstgesteckte Ziel erreicht hat, 2020 die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu reduzieren.

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So bleibt als Fazit dieses Vormittags: Das Projekt ist erstens komplex, zweitens will niemand aufgeben und drittens besteht für Mannheim und Heidelberg die Chance, sich hier gegenseitig zu unterstützen. Der nächste Schritt wird nun sein, einen Klimaschutz-Vertrag auszuarbeiten. Den muss jede der 100 teilnehmenden Städte erstellen und darin darlegen, wie bis 2030 Klimaneutralität erreicht werden soll und vor allem wie die Finanzierung des Ganzen aussieht. Rechtsverbindlich sind diese Verträge allerdings nicht – sie sollen in erster Linie eine sichtbare politische Verpflichtung darstellen.

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