Migration

Mannheim muss Geflüchtete in Hallen unterbringen

Die Stadt Mannheim muss in diesem Jahr bis zu 2000 Geflüchtete aufnehmen, die vom Land zugewiesen werden. Das hat Konsequenzen. Die Verwaltung hofft auf Solidarität der Bevölkerung

Von 
Sebastian Koch
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Bereits im Sommer 2022 hat die Stadt die Lilli-Gräber-Halle in Friedrichsfeld für die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine vorbereitet – letztlich aber nicht nutzen müssen. © Thomas Tröster

Mannheim. Nun also doch: Viele Wochen werden nicht mehr vergehen, dann wird es wohl auch in Mannheim Bilder geben, die die Stadt während der Hochphase der Fluchtbewegung aus der Ukraine stets vermieden hatte. Während in anderen Teilen der Region und des Landes vergangenes Jahr Menschen in Hallen ohne große Privatsphäre unterkommen mussten, war das von hier nicht bekannt. Bislang – denn das wird sich wohl ändern: Das Land weist der Stadt in diesem Jahr bis zu 2000 Geflüchtete zu. Für die Verwaltung – die Ende Dezember mitgeteilt hatte, bei der Aufnahme von Geflüchteten „weiterhin an der Kapazitätsgrenze“ zu sein – ist das schwer zu stemmen.

„Wir befinden uns in einer Zwangslage“, beschreibt der Leiter des zuständigen städtischen Fachbereichs Arbeit und Soziales, Jens Hildebrandt, am Montag im Gespräch die Lage. Das Land hat Zuweisungen für 2023 angekündigt. Insgesamt müsste sich Mannheim auf rund 100 bis 120 Asylbewerber im Monat und auf bis zu 2000 im Jahr einrichten. Die Stadt sei bei wenigen freien Gebäuden nun „gezwungen, relativ kurzfristig Unterbringungsmöglichkeiten für Menschen organisieren zu müssen“. Weil bislang keine Hallen belegt waren, hätte die Stadt aus Sicht des Landes noch Kapazitäten für die Unterbringung frei, sagt Hildebrandt.

Hallen sind keine gute Lösung. Wir sehen aber keine andere Möglichkeit.
Jens Hildebrandt Leiter des Fachbereichs Arbeit und Soziales

Das Regierungspräsidium (RP) teilt mit, jeder Kreis sei verpflichtet, monatlich Asylbewerber aufzunehmen. Die Zahl richte sich nach dem landesweiten Zugang. „Es handelt sich um einen ganz normalen und gesetzlich so vorgesehenen Vorgang, dass Mannheim Asylbewerber zugewiesen bekommt.“ Den Hinweis, dass die Stadt Hallen belegen müsse, beantwortet das RP indirekt. Nach einem Jahr, in dem viele Geflüchtete das Land erreichten, „agieren viele Kreise und Kommunen an den Grenzen ihrer Kapazitäten“.

120 Asylbewerber bereits da

Die Zugewiesenen kommen nicht aus der Ukraine, sondern aus allen anderen Teilen dieser Welt. Deshalb haben sie unter anderem keinen Anspruch auf die lange Zeit als Hartz IV bekannten finanziellen Leistungen oder haben weitaus weniger Rechte auf dem Wohnungsmarkt.

120 der 2000 Geflüchteten seien bereits in einer kommunalen Gemeinschaftsunterkunft auf Columbus untergekommen, sagt Hildebrandt. Für die Unterbringung weiterer Menschen bleibe nun erstmal nur die Belegung von Hallen. Zunächst rechne man mit zweien. „Hallen sind keine gute Lösung“, sagt der Fachbereichsleiter. „Wir sehen aber keine andere Möglichkeit.“

Bereits in der Akutphase der Ukraine-Fluchtbewegung hatte die Stadt über Wochen zwei Hallen vorbereitet, letztlich aber nicht gebraucht: die Lilli-Gräber-Halle in Friedrichsfeld und die GBG-Halle im Herzogenried. Ob eine der beiden oder beide auch dieses Mal betroffen sind, ist noch nicht bekannt.

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Man wolle Auswirkungen auf den Schul- und Vereinssport so gering wie möglich halten, versichert die Verwaltung – erklärt aber offen, dass das möglicherweise nicht gelingt. Die Zeit drängt, der Druck ist groß. „Gleichzeitig treiben wir Planungen voran, wie wir die Situation längerfristig lösen können“, sagt Hildebrandt. Auch die Belegung von Hotels, in denen man bereits Ukraine-Geflüchtete untergebracht hatte, soll wieder geprüft werden.

Bereits 2015 erreichten die Stadt etwa 15 000 Menschen, sie waren auch in leeren Kasernen untergekommen, die es heute nicht mehr gibt. Seit Beginn des Kriegs muss die Verwaltung eine vierstellige Zahl an Menschen unterbringen. Nun sollen bis zu 2000 kommen, die nicht aus der Ukraine stammen. Zur Einordnung: Eine Stadtsprecherin erklärt, dass bislang etwa 800 Asylbewerber in Mannheim lebten, die aus anderen Ländern als der Ukraine stammen. Es kämen Menschen, die ähnlich wie die Ukrainer „in Großteilen ein sehr herausforderndes Schicksal“ haben, sagt Hildebrandt. „Auch hier brauchen wir Solidarität den Ankommenden gegenüber.“ Für ihn ist wichtig: „Wir wollen, dass diejenigen, die besonderen Schutzbedarf haben, gut unterkommen.“

Weitere Gespräche

Kann Hildebrandt die Entscheidung des Landes nachvollziehen? „Ich kann das nachvollziehen.“ Es sei aber wichtig, dass das Land die Rahmenbedingungen Mannheims „angemessen“ berücksichtige. „Es darf auf keinen Fall passieren, dass Mannheim überproportional belastet wird.“ Die Stadt sei wegen ihrer Lage ein Zentrum für Migration. Als langjähriger Standort einer Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) und einer hohen Zuwanderung aus Südosteuropa musste man mit keiner derart großen Zuweisung rechnen. „Wir haben keine Möglichkeiten, Kapazitäten zu aktivieren, die möglicherweise andere haben“, sagt er. „Mannheim ist kein Standort wie jeder anderer. Wir haben als LEA-Standort aber viel dafür getan, dass das Land gut durch die Flüchtlingskrise gekommen ist.“

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Den Status als LEA-Standort hat die Stadt übrigens verloren, als das Gebäude in der Industriestraße 2020 wegen Sanierungsbedarf geschlossen werden musste. Eigentlich hätten die Arbeiten, die das Land verantwortet, bis Herbst vergangenen Jahres abgeschlossen sein sollen. Im Laufe der Arbeiten aber seien weitere notwendige Maßnahmen zum Vorschein gekommen, erklärt das RP. Die Corona-Pandemie und Lieferengpässe hätten außerdem dazu geführt, dass sich die Baumaßnahmen verzögerten. „Nach aktuellem Stand soll die Sanierung Ende 2023 abgeschlossen sein.“

Hildebrandt, der sich im Herbst selbst einen Eindruck der Baustelle gemacht hat, hält das für „optimistisch“. Er kündigt für den April weitere Gespräche mit dem Land an – sowohl über einen LEA-Standort als auch über die Höhe der Zuweisung von Geflüchteten.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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