Mannheim. Als Nicolae Vatra 2011 das erste Mal nach Mannheim kommt, findet er die Stadt „unendlich vielseitig und faszinierend“. Sein erster Wohnort in Deutschland wird ihn prägen. „In dieser Zeit war ich verliebt, wild und neugierig. Partys füllten die Nächte mit Klang und Farbe, während grüne Parks der Stadt Ruhe verliehen“, beschreibt er. „Die Samstage infizierten mich mit ihrem urbanen Vibe. Ein Feierabendbier mit Freunden am Sommerabend auf der Neckarwiese, während der Himmel in Farben explodierte, schmeckte nach Unendlichkeit“, schreibt Vatra auf seiner Foto-Homepage.
In dieser Zeit entdeckt er auch seine Liebe zur Straßenfotografie. „Sie hat sich zu einer unglaublichen Reise entwickelt, auf der ich faszinierende Menschen kennenlernte“, sagt Vatra. Das Ergebnis ist nicht nur eine Fotogalerie: „Sondern vielmehr eine Reise durch mehrere Ebenen. Es ist eine Zeitreise in die Geschichte Mannheims und in meine Seele“, so der 35-Jährige.
Nicolae Vatra ist meist mit dem Handy unterwegs
Die Reise ist bis heute aktuell. Immer wenn Vatra, der nun in Neustadt wohnt, nach Mannheim fährt, macht er dort Fotos. Seit mehr als zehn Jahren. Meist mit dem Handy, manchmal auch mit der Kamera.
Die Ergebnisse zeigen Mannheim, wie es ist. Durch Vatras Linse wird nichts geschönt, aber die Bilder sind stets ästhetisch. Die Ergebnisse faszinieren. Wie schafft er es, in seinen Bildern die Stadt so authentisch festzuhalten? „Ich bin ein sehr neugieriger Mensch. Die Kamera ist das Mittel für meine Neugier“, sagt er.
Streetfotograf Nicolae Vatra
- Alle Bilder von Nicolae Vatras Mannheim-Serie finden sich im Netz unter www.nicolaevatra.com/mannheim
- In der Straßenfotografie ist laut Photoindustrie-Verband zuletzt Bewegungsunschärfe mehr und mehr Trend geworden. Technisch erreichten die Fotografinnen und Fotografen das meist durch Langzeitbelichtungen von vorbeigehenden oder -fahrenden Menschen.
- Wer selbst fotografieren möchte, aber die Straßenfotografie noch nicht so im Gefühl hat, wie Nicolae Vatra, findet etwa unter https://streetberlin.net/de/strassenfotografie-tipps-besser-streetfotos/ eine praktische Tipp-Sammlung für gute Street-Fotos.Hinter der Seite steht der in Heidelberg geborene und mittlerweile in Berlin lebende Streetfotograf Martin U. Waltz, der auch das German Street Photography Festival leitete und mehrere Bücher zum Thema publiziert hat.
- Der Katalog „World Street Photography“ zeigt (https://world-street.photography/en/pages/editorial) jährlich viele Bilder internationaler Straßenfotografie.
Und wie kam er auf sein ungewöhnliches Hobby? „Ich gehe auf Leute zu, ich verstecke mich nicht. Ich will neue Menschen kennenlernen. Da hat es bei mir Klick gemacht.“ Im wahrsten Sinne des Wortes. Den Auslöser drückt er stets schnell: „Ich fotografiere alles, was sich bewegt und nicht bewegt“, erzählt Vatra lachend. „Es geht darum, schnell den Moment vorauszusehen. Ich sehe die Szene Millisekunden vorher, antizipiere sie, dann muss ich schnell sein. Das ist bei der Straßenfotografie extrem wichtig.“
Viele wollen Bilder von Nicolae Vatra geschickt bekommen
Vatra weiter: „Aber es kann sehr frustrierend sein, wenn man die Sekunde verpasst, doch auch wahnsinnig toll, wenn man sie erwischt“, beschreibt der Streetfotograf. Er sagt: „Ich habe die Leute erst fotografiert und es ihnen dann gezeigt. Sie fanden es toll, und viele wollten die Bilder auch geschickt bekommen.“ So erlebte er viele Gespräche mitten auf der Straße, erzählt er.
Hat sich die Stadt in den letzten zehn Jahren verändert? Vatra überlegt. „Nein“, sagt er. „Außer dass die Planken neu gemacht sind, nicht. Es ist wie am Anfang, es ist die Mischung von verschiedenen Menschen, die mich fasziniert“, sagt er. „Ich finde, die Schönheit liegt im Unterschied. Hier leben Menschen aus über 150 Nationen zusammen.“
„Die schönste Lichtquelle in Mannheim sind Menschen“, schreibt Vatra indes im Netz unter eines seiner Bilder. Er soll Recht behalten: Seine Motive sind so vielfältig wie die Stadtgesellschaft. Da sieht man Mädchen mit Kopftüchern, die lachend ein Skateboard an der Neckarwiese besteigen. Man erblickt Menschen, die am Wasserturm heiraten und deren Glück förmlich explodiert, so wie der Korb mit den weißen Tauben nebenan.
Nicolae Vatras Spiel mit Symmetrie, Licht und Schatten
Man sieht Menschen, die sich auf dem Pflaster der Quadrate prügeln. Menschen, die ganz allein sind in der kalten Nebel-Nachtluft, während die Straßenbahn gerade abfährt. Er zeigt Menschen, die als einziger Farbpunkt aus einer dunklen Unterführung leuchten.
Aus Blicken auf den Fotos kann man viel lesen, ohne dass Menschen sprechen. Oft kann man förmlich spüren, wie es ihnen geht und was in ihnen vorgeht. Möglich macht das auch Vatras Spiel mit Symmetrie, Licht und Schatten sowie Spiegelung und Perspektive. Dadurch erhalten die Fotos eine atmosphärische Dichte. Und auch wenn oft nur Ecken der Quadrate im Hintergrund zu erkennen sind, weiß man immer sofort, wo es ist.
Es ist wie am Anfang, es ist die Mischung von verschiedenen Menschen, die mich fasziniert. Ich finde, die Schönheit liegt im Unterschied. Hier leben Menschen aus über 150 Nationen zusammen.
Auf den ersten Blick wirken die Bilder oft simpel. Doch beim Betrachten fallen immer mehr Details auf. Ein Mann mit Kopfhörer und Sneakers etwa läuft auf einem Foto durch die Quadrate. In der rechten Hand trägt er einen Blumenstrauß. Links eine Tüte Chips. Man fragt sich sofort: Wo geht er hin? Und muss schmunzeln. So mancher Student erkennt vielleicht sich und seine wilden Zeiten wieder.
Nicolae Vatra sucht Galerie und Verlag für seine Projekte
Oder ein weiteres Bild, das unter die Haut geht, wörtlich: Ein Mann zieht sein T-Shirt runter, zeigt sein Tattoo. Man erkennt den alten Stich der Quadrate aus der Zeit des Kurfürsten Carl Theodor. Darunter aber entdeckt man plötzlich die Augen einer Katze. Die von Alice im Wunderland? Bei genauerem Hinschauen sieht man einen Totenkopf auf dem Brustbein. Rosen ranken sich um die Hautkunst. Oder ist es doch aufgerissene Haut, so als ob Mannheim aus dem Herzen kommt? Den Blick fürs Detail von Kunst auf Haut und Straße hat Vatra auch hier.
Im Hauptberuf ist Vatra eigentlich Erzieher. Nun sucht der Künstler auch eine Galerie zum Ausstellen seiner Werke. Außerdem hat er ein Buchprojekt aus seiner Mannheim-Serie konzipiert und umgesetzt. Auch da sucht er einen regionalen Verlag, um das Buch in einer limitierten Auflage zu produzieren.
Und derweil fotografiert er weiter. Wie seit über einem Jahrzehnt. Immer auf der Suche nach dem einen perfekten Moment an einem gewöhnlichen Tag in Mannheim. „Es ist ein Moment, den ich dann nicht mehr erlebe. Der Moment ist wichtig. Wenn ich ihn nicht fange, ist er für immer verloren“, sagt Vatra.
Alle Bilder der Mannheim-Serie unter www.nicolaevatra.com/mannheim
Nicolae Vatra zeigt auf Instagram neben seiner Mannheim-Serie auch weitere Bilder, die er als Straßenfotograf im Ausland machte.
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