Mannheim. Blumen, Kerzen und eine Gedenktafel am Mannheimer Marktplatz - am Mittwochabend haben sich rund 70 Menschen an dem Ort versammelt, an dem vor genau einem halben Jahr ein psychisch kranker Mann nach einem Polizeieinsatz gestorben ist. Zum Gedenken an das Opfer und aus Solidarität zu den Hinterbliebenen hatte das Bündnis „Initiative 2. Mai Mannheim“ zu einer Mahnwache aufgerufen - und gleichzeitig zu einer Demonstration gegen Polizeigewalt am kommenden Samstag.
„Wir wollen, dass diese Tat nicht in Vergessenheit gerät, auch wenn die Behörden auf Zeit spielen“, sagt Yusuf As, Sprecher des Bündnisses. Zu der Initiative zusammengeschlossen haben sich laut As direkt nach dem Vorfall mehrere linke Mannheimer Gruppen, darunter der Kinder- und Jugendverband Falken sowie das Linke Zentrum „Ewwe longt’s“. Die Initiative betreut auch die Familienangehörigen des Opfers und hat sich zur Aufgabe gemacht, sie zu unterstützen.
Kritik an Staatsanwaltschaft
Der Fall hatte wochenlang auch bundesweit für Aufsehen gesorgt: Kurz nach dem Einsatz kursierten im Internet Videos, die zeigen, wie einer der Polizisten den am Boden liegenden Mann mit kroatischen Wurzeln ins Gesicht schlägt. Demonstrationen gegen Polizeigewalt und deutliche Forderungen nach lückenloser und gründlicher Aufklärung, aber auch Hass und Hetze gegen Polizisten und Polizistinnen waren die Folge.
Die direkt aufgenommen Ermittlungen des Landeskriminalamts zogen sich in die Länge, drehte sich schnell alles um die Frage: Haben die Beamten korrekt und angemessen gehandelt? Um die exakte Todesursache festzustellen, wurden nach der Obduktion des Leichnams gleich zwei Gutachten in Auftrag gegeben. Das Ergebnis vier Monate nach dem Vorfall: Es „liegt ein nicht natürlicher Tod infolge des Polizeieinsatzes vor“. Die Beweislage, so sieht es nun das Bündnis, ist eindeutig: „Wir brauchen nichts Gerichtliches, für uns sind das Obduktionsergebnis, die Beweisvideos und Gespräche mit Zeugen, die wir selbst geführt haben, genug - die Polizisten haben die Atembehinderung und die Blutungen verursacht“, sagt Sprecher As.
Wohl auch deshalb hat die Initiative bei der Mahnwache eine Gedenktafel aufgestellt mit der Aufschrift: „In Gedenken an A.P., der hier am 2. Mai 2022 von der Polizei der H4-Wache in Mannheim getötet wurde“. Damit diese Tafel aber stehenbleiben darf, braucht es eine Sondernutzungserlaubnis der Stadt Mannheim. Die erklärt auf Anfrage, dass bislang kein Antrag dafür eingegangen sei, „sollten politische Zeichen Bestandteil dieser Gedenktafel sein, muss zusätzlich der Gemeinderat darüber entscheiden“, so die Stadt. Ähnliche Tafeln gebe es bereits für Opfer von rechtem Terror in anderen Städten, so ein Sprecher.
In Mannheim aber wirft das Bündnis nun der Staatsanwaltschaft vor, die Tat trotz Obduktionsbericht und zig Videobeweisen zu verharmlosen, fordert, die Polizisten „endlich zur Rechenschaft zu ziehen“ und künftige Todesfälle durch Polizeieinsätze gegen psychisch erkrankte Menschen zu verhindern. Nachgefragt bei der Staatsanwaltschaft heißt es dazu: „Wir bearbeiten dieses Verfahren mit Nachdruck, prüfen alle Beweise sehr gründlich, der Fall hat Priorität“, so ein Sprecher. Neben 78 Zeugenaussagen und 120 Videosequenzen müssten die Ermittler die rechtsmedizinischen Gutachten sowie das Obduktionsergebnis auswerten und beurteilen. Geplant sei laut Staatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren „möglichst bis Ende des Jahres abzuschließen“. Dann entscheidet sich, ob Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt wird.
„Lehnen Vorverurteilung ab“
Für die Mannheimer Bezirksgruppe der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist sowohl die Mahnwache als auch die Demonstration am Samstag gegen Polizeigewalt, bei der laut Stadt bereits 1000 Menschen angemeldet sind, Ausdruck der demokratischen Meinungsfreiheit. „Was wir aber scharf kritisieren und ablehnen, ist die Vorverurteilung der betroffenen Beamten. Die Initiative unterstellt der Polizei, dass man bewusst psychisch kranke Menschen tötet, stellt quasi alle Polizisten unter Generalverdacht“, sagt der GdP-Chef Thomas Mohr. Denn schließlich dürfen Polizisten und Polizistinnen nur den sogenannten unmittelbaren Zwang anwenden, wenn der Zweck, wie eine Festnahme einer Person, sonst nicht herbeigeführt werden kann. Das Gewaltmonopol liege beim Staat und die Anwendung durch die Polizei sei gesetzlich legitimiert.
Ob das Vorgehen der beiden Beamten bei der Festnahme des Mannes rechtmäßig und angemessen war, müsse nun die Justiz entscheiden. Mohr hat bei der Aufklärung des Falls vollstes Vertrauen in den Rechtsstaat, ist sich sicher: Sollte die Justiz zum Ergebnis kommen, dass im Fall des verstorbenen 47-Jährigen der unmittelbare Zwang rechtmäßig gewesen ist oder nicht beziehungsweise verhältnismäßig oder unverhältnismäßig gewesen ist, dann werde es dazu ein entsprechendes Urteil geben.
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