Stadtgeschichte

Luigi Toscanos Bilder erinnern in Mannheim an das Kriegsende

Eine besondere Veranstaltungsreihe plant die Stadt zum 80. Jahrestag des Einmarschs der Amerikaner in Mannheim. Luigi Toscanos Fotos mit Überlebenden des NS-Terrors werden an einem besonderen Ort zu sehen sein.

Von 
Peter W. Ragge
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Fotograf Luigi Toscano inmitten seines Erinnerungsprojekts "Gegen das Vergessen", hier auf dem Dresdner Neumarkt. © epd

Mannheim. Es ist für ihn „so was wie heimkommen“, sagt Luigi Toscano: „Es fasst mich emotional an“, sagt er. Als Herzstück einer Veranstaltungsreihe der Stadt zum 80. Jahrestag des Kriegsendes wird seine Fotoserie „Gegen das Vergessen“ mit großformatigen Porträts von Verfolgten des NS-Regimes im Wasserturm zu sehen sein. „Ein symbolischer Ort – das ist ganz großartig, ich fühle mich geehrt“, so der Fotograf und Filmemacher.

Vor zehn Jahren waren seine Porträts erstmals in den Fenstern der Alten Feuerwache zu sehen. Seither entwickelte er das Projekt immer weiter, traf und porträtierte schon rund 500 Überlebende der nationalsozialistischen Verfolgung weltweit, erzeugte damit große internationale Aufmerksamkeit und wurde 2021 zum Unesco Artist for Peace, also zum Friedensbotschafter der UN-Kulturorganisation, berufen. „Seine Porträts ermöglichen direkte Begegnungen, die Betrachter können den porträtierten Menschen direkt in die Augen sehen, und das ist gewollt“, so Caroline Ellwanger vom Kulturamt.

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Und man kann ihnen so nahekommen wie sonst noch nie in Mannheim. Vom 25. April bis 11. Mai werden 60 der 2,25 Meter großen Porträtfotografien am Friedrichsplatz am Fuße des Wasserturms aufgestellt. „Das ist nicht selbstverständlich und besonderen Veranstaltungen vorbehalten“, betont Kulturbürgermeister Thorsten Riehle. Eine Visualisierung, wie das aussehen wird, zeigt die Stadt zwar, gibt sie dann aber nicht zur Veröffentlichung frei. „Wir werden davon ausgehen müssen, dass es dazu durchaus konträre Meinungen gibt“, ist Oberbürgermeister Christian Specht klar. Dennoch habe er seine Idee, die eindrucksvollen Bilder dort zu zeigen, gleich zugestimmt, freut sich Riehle: „Ich hatte sofort Rückendeckung“. Sollte es zu Vandalismus kommen, hat die Stadt laut Riehle auch eigens einen Reaktionsplan erarbeitet.

Specht hält diesen Standort „direkt im Mittelpunkt der Stadt, an einem zentralen Ort“ aber für wichtig und richtig. In der Dauerausstellung zur NS-Zeit im Marchivum sei schließlich ein eindrucksvolles Foto vom Wasserturm mit Hakenkreuzfahnen zu sehen. Dieser „Bemächtigung“ des Wahrzeichens durch die Diktatur „wollen wir etwas entgegensetzen“, betont das Stadtoberhaupt.

„Es geht darum, welche Lehren wir für uns ziehen“

Er hatte bereits in seiner Neujahrsrede angekündigt, dass die Stadt des 80. Jahrestags des Kriegsendes in einer besonderen Weise gedenken wolle. Das Ergebnis ist ein umfangreiches Programm unter dem Titel „1945-2025: 80 Jahre Verantwortung für Frieden und Demokratie – Erinnern, Verstehen, Gestalten“, das eine Arbeitsgruppe in Riehles Dezernat in Kooperation mit Kirchengemeinden, der Jüdischen Gemeinde, Vereinen, Kulturakteuren und weiteren Partnern ab Ende März bis in den Juni hinein anbietet. „Es gab ganz viele aus der Stadtgesellschaft, die mitmachen wollten, was zeigte, wie lebendig die Demokratie in Mannheim ist“, so Christian Groh vom Marchivum über die vielen Konzerte, Vorträge, Führungen, Workshops, Gottesdienste, Filmabende und andere Aktionen: „Jeder erinnert sich anders, jeder erinnert anders“, so Groh.

Hauptsache sei, dass man „dagegen hält gegen das Vergessen“, sagt Riehle. Oberbürgermeister Specht ist nicht nur wichtig, dass die Erinnerung aufrechterhalten wird. „Es geht uns darum, welche Lehren wir für uns in der Gegenwart ziehen“, so der Oberbürgermeister: „Ich hätte ja nicht gedacht, dass das Thema noch mal so hohe Aktualität bekommt“, räumt er ein, gebe es doch aktuell wieder „aufkommende extremistische Tendenzen in unserer Gesellschaft“. Doch für ihn sei der 8. Mai, als der Krieg dann in Europa endete, „ein Tag der Befreiung, weil er die NS-Herrschaft, weil er das Regime beendet hat“, legt sich Specht klar fest und erinnert zugleich daran, dass der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker bei seiner Rede 1985 für die Bezeichnung „Tag der Befreiung“ nicht nur Beifall bekam.

Specht richtet den Blick aber auch über die deutschen Grenzen hinaus. Bewusst habe er sich „massiv dafür eingesetzt“, nach der Inhaftierung und Suspendierung des frei gewählten Oberbürgermeisters von Istanbul, Ekrem Imamoğlu, den Städtepartnerschaftsgipfel Türkei-Deutschland abzusagen, „weil dort gerade die Demokratie zerstört wird“. Auch in der Ukraine seien Frieden und Demokratie täglich in Gefahr. Und der Messerattentäter vom Marktplatz habe sich binnen kurzer Zeit nur im Internet islamistisch radikalisiert. „Daher ist es wichtig, die Erinnerung ständig wachzuhalten, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist, dass die Gefahren für unsere freiheitliche Demokratie sehr real sind“, warnt Specht. Für ihn ist das Veranstaltungsprogramm daher ein „umfassender Appell, sich für das friedliche Miteinander einzusetzen.“

Ein Programmpunkt ist ganz kurzfristig dazugekommen. Am 9. Mai wird anlässlich des Europatags François Hollande, von 2012 bis 2017 Präsident Frankreichs, nach Mannheim kommen, im Garten vom Zeughaus das Friedens-Kunstwerk „Paperbomb“ enthüllen und eine „Ansprache an die Jugend der Region richten“, so Specht.

Redaktion Chefreporter

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