Mannheim. Als wir sie nach ihrem Lieblingsstück fragen, muss sie nicht mal überlegen. Schon bei ihrem ersten Besuch im Technoseum, lange, bevor sie hier ihre Arbeitsstelle antrat, da rief ihre Kindheit quasi im Vorbeigehen zurück: „Ich hab laut gesagt ‚Ach Gott, da steht ja Oma Miezis Telefon‘.“ Und zwar in einer Vitrine in der Elementa-Schau, ganz unten rechts – und dennoch nicht zu übersehen für Julia März. „Es ist mir sofort ins Auge gesprungen, ich habe so viele sehr schöne Erinnerungen an diesen orangefarbenen Apparat, mit dem habe ich doch Telefonieren gelernt.“ Das war in ihrer bayerischen Heimat, die junge Frau ist aus Ingolstadt – und noch gar nicht lange in Mannheim heimisch geworden.
Ihr Werdegang ist nicht unbedingt typisch für ihren heutigen Beruf: „Ich habe Chemie studiert in Erlangen, dort erst den Bachelor, dann den Master gemacht“, sagt Julia März, und zieht die Kaffeetasse zu sich. Wir sitzen in der Arbeiterkneipe, von allen Seiten tönen die Vorführ-Maschinen hier herauf, eine angenehme Begleitmusik für unser Gespräch. „Ich wollte eigentlich promovieren und mich dann auf die Forensik spezialisieren“, aber irgendwie sei ihr dann eine völlig andere Idee gekommen: „Wissensvermittlung!“ Sie findet es „einfach großartig“, Kinder und Jugendliche für die Technik und für die Wissenschaft zu begeistern, „wir brauchen dringend Nachwuchs im Bereich der MINT-Fächer“.
Ein Neuanfang: Vom Deutschen Museum in Nürnberg zum Technoseum
Nach dem Studium arbeitete sie auf diesem Gebiet zunächst im Deutschen Museum in Nürnberg. Während eines Urlaubs lernte sie dann das Technoseum kennen. „Das hat mich sofort geflasht, mit seinen tollen Möglichkeiten, mit den Perspektiven, vor allem jetzt, da die Labore ausgebaut werden.“ Und also bewarb sie sich als wissenschaftliche Mitarbeiterin dort, „und im Januar hab ich dann gewechselt von Nürnberg nach Mannheim“.
Und sie schwärmt noch immer davon: „Wir sind hier ein richtig tolles Team, und das Technoseum ist ein ,lautes‘ Museum.“ Das findet die 34-Jährige „richtig klasse, denn da lernen die Besucher mehr, weil sie mit eingebunden werden und selbst etwas tun können“. Beispielsweise mit ihr im Labor etwas über Recycling oder Biotechnologie erfahren und dabei selbst Hand anlegen bei einer Versuchsanordnung.
Hingucker mit Wählscheibe
- Das FeTAp 615 wurde 1970 gebaut, es verfügt wie die meisten damaligen Apparate über eine Wählscheibe. Der Hersteller ist unbekannt.
- Es besteht aus orange gefärbtem Kunststoff, der als Granulat erhitzt und in eine Form gepresst wurde, und steht im Technoseum in der Elementa-3-Ausstellung auf der Ebene F.
- Die Labore des Museums werden künftig ausgeweitet, um bei Kindern und Jugendlichen durch Mitmachen-Möglichkeiten das Interesse an Naturwissenschaften und Technik zu wecken.
Jetzt, da der Laborbereich vergrößert wird, fühle sie sich genau an der richtigen Stelle: „Klar, es ist schon herausfordernd, zusammen mit meinen Kollegen ein Labor neu zu konzipieren und alles aufzubauen, da gilt es jetzt, viele Entscheidungen zu treffen.“ Große Themenfelder sind beispielsweise die Nachhaltigkeit, der Bereich Recycling, die Biotechnologie. „Wir wollen im Labor zeigen, wie man einen genetischen Fingerabdruck identifiziert, das wird im kommenden Jahr bei der großen Krimi-Ausstellung eine wichtige Rolle spielen“, macht Julia März schon neugierig auf das, was man bald hier erleben kann.
Wie entstehen die Dinge aus unserem Alltag?
Wichtig sei auch – und da kommen wir wieder zu ihrem Lieblingsstück –, den Besuchern zu zeigen, wie Dinge aus ihrem Alltag entstehen. Im Falle des Telefons, das die Typenbezeichnung FeTAp 615 trägt und noch mit einer Wählscheibe ausgestattet ist, sieht man das in der Vitrine: Um den Apparat herzustellen, wurde orange gefärbtes Kunststoff-Granulat erhitzt und in eine Pressform gedrückt. „So ein Kunststoff beschäftigt uns auch in den Laboren, etwa seine molekulare Zusammensetzung, die Recycling-Möglichkeiten, da haben wir eigens Workshops für Schulklassen dazu.“
Als sie mit dem FeTAp 615 Bekanntschaft machte, war sie selbst noch nicht mal in der Schule: „Ich war noch ziemlich klein, das Telefon stand oben auf einer Konsole im Flur, und ich musste auf einen Stuhl klettern, um ranzukommen.“ Daran und an sein schrilles Geklingel kann sich Julia März ganz genau erinnern. Steht denn das Orangen-Telefon eigentlich noch immer bei Oma Miezi? „Nein, nein, schon lange nicht mehr. Oma Miezi hat ein Smartphone und WhatsApp.“
Zur Serie
Lieblingsstücke – wir alle haben sie, auch bei uns auf der Arbeit. Wir schauen in einer kleinen Serie hinein in ein beeindruckendes Mannheimer Museum, wir öffnen Türen, die sonst für das Publikum verschlossen bleiben, und lassen uns von den Menschen, die uns dort im Technoseum ihre Lieblingsstücke zeigen, erklären, warum ausgerechnet dieses oder jenes Objekt ihnen so ans Herz gewachsen ist. Dass wir dabei vieles über die Frauen und Männern dort erfahren, die wir sonst als Besucher kaum jemals kennenlernen würden, macht den Blick auf die Lieblingsstücke umso spannender.
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