Denkmalschutz - U-Halle auf Spinelli könnte Standort des schon lange geforderten Lapidariums werden

Lapidarium: Skulpturensammlung künftig in U-Halle zu sehen?

Von 
Peter W. Ragge
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Mannheim. Sie sieht „einen Silberstreif am Horizont unserer mühsamen Anstrengungen“. Helen Heberer, Vorsitzende vom Verein Stadtbild. Schon über zehn Jahre kämpft der Verein für ein Lapidarium, also eine museale Sammlung und Präsentation der Originale wichtiger Denkmäler und der Reste historischer Gebäude. Jetzt zeichnet sich eine Lösung ab: in der U-Halle auf dem Spinelli-Gelände.

Die SPD-Gemeinderatsfraktion, der Heberer angehört, hat dazu einen Antrag gestellt. „Mannheimer Originale brauchen ein Zuhause“ ist er betitelt. Danach soll die Verwaltung die an 13 verschiedenen Orten im Stadtgebiet verteilten wertvollen baulichen Originale dauerhaft in der U-Halle unterbringen, der Öffentlichkeit zugänglich machen und einige davon bereits zur Bundesgartenschau 2023 präsentieren.

Damit ist jetzt erstmals im Gemeinderat ein konkreter Ort für eine solche Einrichtung benannt und beantragt. Sie generell zu schaffen, hatte bereits 2011 die CDU-Gemeinderatsfraktion gefordert. Seither gab es viele weitere Vorstöße von mehreren Parteien – alle erfolglos.

„Blumenschauen aufwerten“

Im offiziellen Raumprogramm für die Nutzung der U-Halle für die Zeit nach der Bundesgartenschau taucht das Lapidarium aber nun als „optionale Nutzungsidee“ auf. Da heißt es, die Stadt suche „eine adäquate Ausstellungs- und Magazinfläche“, um die Gegenstände „zukünftig fach- und sachgerecht“ unterzubringen. In der U–Halle könnten nach der Bundesgartenschau dafür bis zu 1000 Quadratmeter in dem zuvor als Blumenhalle genutzten Bereich zur Verfügung stehen. Bereits während der Gartenschau würden „einzelne Ausstellungsstücke die Blumenhalle bzw. die Blumenschauen aufwerten“.

Heberer sieht darin „die letzte Chance“. „Wenn diese Idee wieder versandet, bleiben die Sachen weitere 20 Jahre im Schutt liegen, wo sie Kälte und Nässe ausgesetzt sind, verrotten und verfallen und aufplatzen“, so die Stadtbild-Vorsitzende.

Sie beschreibt damit, wie es derzeit im städtischen Depot Ölhafenstraße sowie weiteren Flächen, unter anderem in Käfertal und in der Lagerstraße, oder Kellern aussieht. In Schuppen oder im Freien in städtischen Bauhöfen lagern etwa Merkur und Mannheimia. Es handelt sich dabei um die Originalskulpturen des 1719 von Peter van den Branden geschaffenen und 1769 auf dem Marktplatz aufgestellten Handels-Denkmals – denn seit 1979 befindet sich an dem Platz nur eine Kopie.

Im Autobahnoval, wo sich heute das Planetarium befindet, war mal ein kreisrundes Bassin mit vier monumentalen allegorischen Figuren aus mainfränkischem Muschelkalkstein für Kraftfahrt, Reichsbahn, Luftfahrt und Schifffahrt geplant. Sie wurden von Bernhard Bleeker (1881-1961) geschaffen, aber nie aufgestellt. Zwei der mit Sockel etwa sieben Meter hohen Figuren befinden sich in einem Depot in Käfertal.

Im Mühlauhafen liegt eine Skulptur des Bildhauers Georg Grasegger (1873-1927), die einst in der Otto-Beck-Straße stand und nach dem Krieg nicht mehr aufgestellt wurde. Machtvolle Sphingen, Details des Figurenschmucks am Wasserturm, verrotten in einem Betriebshof, die Originale der Gittermastlampen vom Friedrichsplatz (wo längst Nachbildungen stehen) sind von Unkraut und Moos überwuchert. Teile der Schlosswachhäuschen, das alte Hauptportal des Dalberghauses in N 3, 4, 18 oder Reste des abgerissenen ältesten Wohnhauses der Innenstadt („Scharfrichterhaus“) in H 5, 9 – alles liegt irgendwo herum. „Es verschmutzt und wird nicht geschützt“, beklagt Heberer. Was wo lagert, weiß die Stadtverwaltung nicht – mehrfache Anfragen im Gemeinderat nach einem Inventar blieben unbeantwortet.

Der Verein Stadtbild nahm das daher selbst in die Hand. „Jean-Luc Lasnier und Bernd Hahner haben eine Bilddokumentation aller Objekte verfasst, Volker Keller hat deren Provenienz erforscht und wir haben erfasst, wann welche Teile an welchen Gebäuden oder im Stadtraum sichtbar waren, welche Rolle sie spielten und in welchem historischen Umfeld sie existierten“, zählt Heberer auf: „Das sind alles Arbeiten, die eigentlich der Stadtverwaltung zukommen, die wir aber ehrenamtlich und aus bürgerschaftlichem Interesse am Erbe unserer Stadt mit Freude und Begeisterung übernommen haben!“

Ehrenamtliche stehen bereit

Sogar mehrere mögliche Standorte prüfte der Verein – die U-Halle blieb zuletzt übrig. „Die Objekte brauchen keine Heizung und keine sonstige Betreuung und Bewachung – derzeit liegen sie ja sowieso wie Bau-Müll in den Betriebshöfen im Freien“, betont Heberer. „Aber sie brauchen ein Dach über dem Kopf und Trockenheit, damit sie nicht weiter dem Zerfall preisgegeben sind“, fordert der Verein Stadtbild. Die Mitglieder seien auch bereit, das Lapidarium dann „durch ehrenamtlich besetzte Öffnungszeiten zugänglich zu machen“. Jetzt fehle nur noch, dass die Verwaltung das auch umsetze.

Lapidarium

  • Unter einem Lapidarium (von lateinisch lapis für Stein) versteht man eine – meist öffentlich zugängliche – Sammlung von historischen Grab- und Wegsteinen, Skulpturen, Sarkophagen, Bauteilen und Zierelementen zerstörter oder erneuerter historischer Gebäude sowie der Originale von Denkmälern, die aus konservatorischen Gründen (Verwitterungsgefahr) durch Kopien ersetzt wurden.
  • In Stuttgart gibt es seit 1950 in einer historischen Parkanlage ein dem Stadtmuseum zugeordnetes Lapidarium mit über zweihundert Plastiken und Überresten von Bauten, das im Sommer öffentlich zugänglich ist, auch mit Führungen.
  • Auch im Landesmuseum Württemberg, im Territorialmuseum Babenhausen (Hessen), in Sinsheim, St. Georgen, Esslingen, Heilbronn, Offenburg, Bad Wildungen/Schloss Friedrichstein, Dresden, Strausberg (bei Berlin), in München und Nürnberg, in Schloss Hartenfels (Torgau) und den Schlössern Schwetzingen und Ludwigsburg gibt es Lapidarien. 
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