Mannheim. Die Stadt Mannheim wird den weiteren Umgang mit der Skulptur „Jüngling mit Stab“ von Josef Bernhard Maria Bleeker sorgfältig prüfen. Das teilte die Pressereferentin des Dezernats für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur, Carolin Bison, dem „MM“ auf Anfrage mit. Hintergrund ist, dass der Bildhauer Bleeker, der die Skulptur „Jüngling mit Stab“ 1940 schuf, in Adolf Hitlers und Joseph Goebbels’ 1944 erstellter „Liste der Gottbegnadeten“ geführt wird und damit ein erheblicher Profiteur des NS-Regimes war. Eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin hatte unlängst diese Zusammenhänge illustriert.
Genau diese „Rolle Bleekers und seiner Kunstwerke im Nationalsozialismus sowie die Genese und Intention der Skulptur ,Jüngling mit Stab’“ werden von der Stadt Mannheim in die Prüfung des Sachverhalts einbezogen. „Abhängig vom konkreten Ergebnis dieser Prüfung sind eine Entfernung der Skulptur oder eine begleitende historische Einordnung und Erklärung mögliche Handlungsoptionen“, heißt es aus dem Rathaus. Die Skulptur steht derzeit im Unteren Luisenpark, Ecke Bassermann- und Suckowstraße.
Schöpfer der „Führerbüste“
Bleeker (1881-1968) war als Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München 1934 zum sogenannten Dozentenbundführer ernannt worden - er war bereits seit 1932 Mitglied der NSDAP. Im Jahr zuvor, 1933, hatte Bleeker die Erklärung „Die Deutsche Kunst ist in Gefahr!“ unterzeichnet, die sich gegen Künstler wie Paul Klee oder Architekten wie Ludwig Mies van der Rohe wandte und seinerzeit im „Völkische Beobachter“ veröffentlicht wurde.
Bleeker, der Bison zufolge außerdem Mitglied im Reichslehrerbund, in der Reichskammer der bildenden Künste, im Reichskolonialbund, in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, der Reichskulturkammer und dem NS-Dozentenbund war, zählte die Führungsriege des Regimes zu seinen Kunden. Er schuf die „Führerbüste“, wovon zwei Dutzend Abgüsse in Gebäuden der NSDAP aufgestellt wurden. Noch 1945 erhielt Bleeker Aufträge für Arbeiten im öffentlichen Raum, etwa für den „Kronprinz-Rupprecht-Brunnen“ in München, der 1961 fertiggestellt wurde.
Nach dem Krieg musste Bleeker die Münchner Kunstakademie verlassen. Im Entnazifizierungsverfahren wurde er zuerst als Belasteter, dann als Minderbelasteter und 1948 schließlich nur als Mitläufer eingestuft. 1951 wurde er an die Münchner Akademie zurückberufen. 1956 erhielt er den Förderpreis für Bildende Kunst der Stadt München, 1961 die Goldene Ehrenmünze der bayerischen Landeshauptstadt.
Besonders makaber an Bleekers 1940 geschaffener, 1941 von der Stadt Mannheim erworbener Skulptur „Jüngling mit Stab“ ist, dass sie auf einem Sockel zum Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkriegs platziert ist. Zurückzuführen ist das auf einen Stadtratsbeschluss von 1949, die Skulptur als Ergänzung für das ursprüngliche Ludwig-Frank-Denkmal aufzustellen, von dem nur noch der Sockel erhalten war - es war 1933 nach mehreren Schändungen abgebrochen worden. Es erinnert an den Mannheimer SPD-Politiker Ludwig Frank, der sich im Vorfeld des Ersten Weltkriegs für eine deutsch-französische Verständigung engagiert hatte.
Bleekers Werke für Mannheim
- Im Jahr 1938 erteilte die Stadt Mannheim an Bleeker den Auftrag für vier Großplastiken zum Aufstellen an der Einfahrt der „Reichsautobahn“.
- Kriegsbedingt wurden diese Plastiken nie aufgestellt.
- In den Jahren 1949 bis 1954 erfolgten auch juristische Auseinandersetzungen über die Aufstellung und den Transport der teilweise beschädigten Plastiken.
- Ein interner Aktenvermerk vom 13. September 1949 verzeichnet nach aktueller Auskunft der Stadt Mannheim, „die Figuren trügen ,das Kennzeichen nationalsozialistischer Überheblichkeit’“.
Offenbar hatte es aber bereits 1950, als die Skulptur an der Stelle des Ludwig-Frank-Denkmals aufgestellt wurde, Bedenken gegeben. Im Zusammenhang von Bleekers Vergangenheit könnte sie womöglich als revanchistisch interpretiert werden. Auf jeden Fall sah sich Oberbürgermeister Hermann Heimerich damals veranlasst zu betonen: „Wir wissen nicht, was sich der Künstler … gedacht hat, als er diesen edlen Jüngling mit dem Stabe schuf. Keinesfalls hat er an eine kriegerische Figur gedacht.“
Beispiel Richard Scheibe
Grundsätzlich wäre selbst die Entfernung einer Skulptur aus dem öffentlichen Raum Mannheims nichts Neues. Seit dem Umbau der Kunsthalle befindet sich dort im Außenbereich nicht mehr die Arbeit „Die Morgenröte“ (1937, kleines Bild) von Richard Scheibe - sie war bis zum Abriss des Mitzlaff-Baus an der Tattersallstraße aufgestellt. In der Sammlung Online der Kunsthalle ist sie nicht aufgeführt - dort finden sich nur die Scheibe-Bronzeplastiken „Hockende mit aufgestützten Armen“ (1931) und „Schwestern“ (1935), erworben 1947 und 1942 -, doch befindet sich „Die Morgenröte“ laut Kunsthalle im Depot.
Scheibe (1879-1964) war 1933 als Professor an der Städelschule in Frankfurt am Main entlassen, 1934 dort aber wieder eingestellt worden. 1936 übernahm er an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin eine Meisterklasse. Ab 1937 war er bei den NS-Propagandaschauen „Große Deutsche Kunstausstellung“ vertreten und gilt Kunsthistorikern wie Christine Fischer-Defoy seither als „Exponent der ,Wendekultur’“. Scheibe ist wie Bleeker in der „Liste der Gottbegnadeten“ verzeichnet.
Hinweise dazu fehlen noch in der Sammlung Online der Kunsthalle Mannheim. Dort sollen außerdem Informationen über die im Außenbereich der Kunsthalle stehenden Skulpturen „Schreitender Löwe“ und „Tiger“ von Philipp Harth ergänzt werden, hieß es.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-kunst-von-nazi-profiteur-in-mannheim-muss-skulptur-im-luisenpark-weg-_arid,1892113.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html