Mobilität

Kritik der Bürger am Verkehrsversuch in Mannheim: Welche Lösungen es jetzt braucht

Beim "MM"-Stadtgespräch gehen die Meinungen der Mannheimer auseinander. Politiker und Händler müssen Lösungen vorschlagen. Was beim Verkehrsversuch in Mannheim bisher schief gelaufen ist

Von 
Vanessa Schmidt
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Rund 120 Bürger und Bürgerinnen sind zum „MM“-Stadtgespräch gekommen. Jeder von ihnen hat zum Verkehrsversuch seine ganz eigene Meinung – und Vorschläge. © Christoph Blüthner

Mannheim. Ein Besucher reibt sich angestrengt die Augen, ehe er die Brille mit Kopfschütteln wieder aufsetzt. Eine kleine Gruppe hat einen Papierstapel vor sich ausgebreitet. Und immer wieder gibt es Zurufe wie „Das Geld hätte man sich sparen können“.

Rund 120 Bürger sind zum „MM“-Stadtgespräch in die Reiss-Engelhorn-Museen gekommen, wo es um den Verkehrsversuch geht. Sie stellen sich unter anderem die Frage, wieso der Versuch trotz dreijähriger Planung so chaotisch wirke. „Die Innenstadt ist ein Schilderwald. Die meisten Autofahrer wissen gar nicht, wohin sie fahren dürfen oder nicht“, findet eine Frau, als sie nach langem Zuhören in der Fragerunde das Wort an die Politiker und Händlerinnen auf dem Podium richten darf.

Kunden müssen umständliche Wege fahren

Über die Antworten auf Fragen wie diese waren sich Mannheims Verkehrsbürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD), Swen Rubel vom Handelsverband Nordbaden, Händlerin und CDU-Stadträtin Martina Herrdegen, Händlerin Christina von Alt-Stutterheim, Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier und Daniel Barchet vom Bürger- und Gewerbeverein auf dem Podium nicht immer einig.

„In erster Linie haben wir eine Handelsfunktion für die Region zu erfüllen“, betont Rubel. Deshalb müssten die Leute in die Geschäfte kommen können. Herrdegen führt am Beispiel ihres Geschäfts aus, was damit gemeint ist. Ihre Konditorei liegt in E 2 und ist damit direkt vom Verkehrsversuch betroffen, da dort die erste reine Fahrradstraße umgesetzt wurde, wie sie erzählt.

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„Wenn jemand eine große Torte abholen will, kommen die Kunden zu zweit. Einer fährt so lange um den Block, bis der andere mit der Torte rauskommt“, schildert sie. Diese neue Situation sei für Kunden ärgerlich, mache sich aber auch in ihrem Auftragsbuch bemerkbar, in dem weniger Einträge zu finden seien.

„Mobilität muss sich ändern“ findet Stadtrat Fontagnier

Die Menschen müssten sich eben erst umgewöhnen, entgegnet Bürgermeister Eisenhauer. Er habe Verständnis für den Handel und sei daran interessiert, eine gute, ganzheitliche Lösung zu finden. Stadtrat Fontagnier ist das zu wenig. „Wir müssen auch über das große Ganze nachdenken. Der Verkehrsversuch muss sein, damit wir unsere Klimaziele erreichen. Die Mobilität muss sich ändern.“

Er überlegt, ob die Torten von Herrdegen nicht etwa so verpackt werden sollten, dass sie mit dem Fahrrad transportiert werden können. Aus den Zuhörerreihen hört man in diesem Moment den Zuruf „Schwachsinn“.

Überzeugen kann der Stadtrat, als er sich direkt an die Bürger wendet, die in der City leben. In der Fressgasse sei es viel zu laut und wer dort frische Luft erwarte, müsse mit Abgasen vorliebnehmen. Deshalb sollte der Durchgangsverkehr dort mit dem Verkehrsversuch zurückgedrängt werden, laut Eisenhauer ist dies auch gelungen.

„Wir reden beim Verkehrsversuch immer nur über die Fahrzeuge. Es geht aber genauso auch um die Anwohner“, hebt Fontagnier hervor. Diesmal Applaus aus einer anderen Ecke des Saals, wo vermutlich eben diese Anwohner sich bemerkbar machen.

Dass sie verärgert sind, zeigt sich auch in der Fragerunde später. Die Kritik richtet sich unter anderem an die Organisation des Verkehrsversuchs - oder auch an die vermeintlich fehlgeschlagene Planung. Viele finden, dass das Projekt die Verkehrslage in der Innenstadt in ein Chaos gestürzt habe.

Bei Umsetzung zu wenig auf Zeitpunkt geachtet

Barchet vom Bürger- und Gewerbeverein greift das auf: „Es wurde zu wenig auf das Wann geachtet. War der Zeitpunkt für den Versuch der Richtige?“ Eisenhauer erklärt, dass die Stadt „sehr genau erhoben habe, wann sich der Versuch lohnt“.

Kritik kommt seitens der Geschäfte auch zur inhaltlichen Umsetzung. So zum Beispiel von Händlerin von Alt-Stutterheim. „Ich bin froh, dass diese furchtbaren Sportparklets weggekommen sind.“ Deren blaue Trennwände sorgten zwar für eine sichere Abtrennung der Bereiche zur Straße, versperrten allerdings auch die Sicht auf die Schaufenster der Geschäfte.

„Die Bedürfnisse des Handels müssen wahrgenommen werden. Ich habe den Eindruck, darüber wurde zu leichtfertig entschieden“, sagt Rubel vom Handelsverband Nordbaden. Wenn man weniger Autos in der City wolle, brauche man einen besseren öffentlichen Nahverkehr. Er fordert deshalb einen Ausbau der S-Bahn-Verbindungen ins Umland. „Außerdem müssen wir wissen, wer überhaupt noch in die Stadt kommt.“

Mit Blick auf die Verkehrszählungen fordert er auch Erhebungen, wie viele Autos noch über die Augustaanlage in die Fressgasse fahren. Ein Mann im Publikum fragt ebenfalls, ob es Daten dazu gebe, wer zum Einkaufen in der Mannheimer Innenstadt mit dem Fahrrad und wer mit dem Auto komme.

Barchet wünscht sich zudem mehr Kontrollen von Verkehrsverstößen in der Innenstadt. „Beim kommunalen Ordnungsdienst gibt es offene Stelle, die wir leider nicht besetzt bekommen“, entgegnet Eisenhauer. Einig sind sich alle aber in einem: Die ideale Innenstadt solle für jeden erreichbar sein, ob mit dem Fahrrad, Auto oder ÖPNV.

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