Mannheim. Der Vorstoß aus dem Stuttgarter Kultusministerium kam überraschend. Schülerinnen und Schüler sollen an den drei Tagen vor den Weihnachtsferien die Möglichkeit haben, sich für eine freiwillige Quarantäne vom Präsenzunterricht befreien zu lassen. Bei Eltern und Lehrern in Mannheim sorgt diese Regelung für wenig Begeisterung.
Im Schreiben, das das Haus der Grünen-Ministerin Theresa Schopper an die Schulleitungen verschickte, ist von einer „besonderen Ausnahmeregelung“ die Rede. Damit folge man dem Wunsch mancher Eltern und Schüler, „sich in der Zeit unmittelbar vor den Weihnachtsfeiertagen isolieren zu wollen“. Konkret geht es um die drei Tage vom 20. bis 22. Dezember. Die Schule soll den Kindern in dieser Zeit Aufgaben mit nach Hause geben. Eltern müssen die Beurlaubung bei der Schule schriftlich beantragen.
Corona in der Region
Der Quarantäne-Vorstoß sei „seltsam“, findet eine Mutter von zwei Grundschulkindern aus Wallstadt, die anonym bleiben möchte. „Auf der einen Seite sagt das Kultusministerium, die Schulen sind sicher. Auf der anderen Seite bekommen Eltern die Möglichkeit, dass ihre Kinder in Pseudo-Quarantäne gehen. Da frage ich mich: Wie sicher sind die Schulen wirklich? Wenn die Schulen sicher sind, dann braucht man diese Quarantäne doch nicht.“ Was wird sie tun? Ihre beiden Kinder in die Schule schicken? „Im Moment denke ich eher, dass sie gehen.“
„Ministerium entscheidet nichts“
Eine Mutter aus Feudenheim kann den Wunsch, vor Weihnachten die Kontakte zu reduzieren, nachvollziehen. „Aber ich finde es schade, dass das Kultusministerium mal wieder nichts entscheidet“, ärgert sie sich. Sie hätte sich eine einheitliche Regelung gewünscht. „Entweder für alle vorgezogene Weihnachtsferien – oder für alle Unterricht bis 22. Dezember.“ Ihre beiden Jungs – zweite und fünfte Klasse – wird sie in die Schule schicken. „Aber ich will nicht, dass sie in der Schule dann drei Tage lang fernsehen, weil die Hälfte der Klasse nicht da ist.“
Auch Harald Leber, Rektor der Humboldt-Werkrealschule in der Neckarstadt-West, kann mit der Vorgabe aus Stuttgart wenig anfangen, er argumentiert ähnlich wie die Mutter aus Wallstadt. „Entweder Schule ist gefährlich, dann bleiben alle daheim. Oder sie ist nicht gefährlich, dann können die Schülerinnen und Schüler auch kommen“, findet er: „Ein klarer Schnitt, so oder so, wäre mir lieber gewesen.“ Leber vermutet, dass man im Ministerium „keine klare Entscheidung treffen wollte“.
Jetzt bleibe jede Menge Organisationsarbeit an den Schulen hängen. Die Neuregelung müsse man den Eltern mitteilen und abfragen, wer sein Kind in die Schule schicken will und wer nicht. Homeschooling sei wegen der Doppelbelastung der Lehrkräfte an den drei Tagen nicht drin: „Die Kolleginnen und Kollegen können sich schließlich nicht aufteilen.“ So müssen in wenigen Tagen für die abwesenden Schülerinnen und Schüler wieder Lernpakete geschnürt werden.
Kepler-Rektorin Angela Speicher, geschäftsführende Leiterin der Mannheimer Grundschulen, sagt: „Ich nehme es halt hin, was anderes bleibt mir nicht übrig.“ Sie schreibt jetzt alle Eltern an, um in Erfahrung zu bringen, wie viele Kinder kommen. So oder so heißt es: Lernmaterialien für zuhause vorbereiten.
Für Thorsten Papendick vom Mannheimer Gesamtelternbeirat zeigen sich beim Vorgehen des Ministeriums bekannte Muster: „Mal wieder wird die Verantwortung an Eltern und Schulleitungen übertragen“, kritisiert der Elternvertreter. Die Möglichkeit einer freiwilligen Quarantäne hält er zudem für ungerecht. „Eltern, die keine Betreuungsmöglichkeit haben, sind gezwungen, ihre Kinder der Gefahr einer Infektion auszusetzen.“ Die sieht Papendick durchaus. Der Chef des Mannheimer Gesundheitsamtes habe ja gesagt, dass es aktuell die größte Clusterbildung in Schulen und Kitas gebe. „Mehr Fakten braucht man nicht“, findet Papendick. Obwohl er einräumt, dass durch die drei Tests pro Woche, die die Schüler machen, Infektionen überhaupt erkannt werden.
Statt mit einem Quarantäne-Vorstoß müsse das Ministerium auf andere Weise für Sicherheit sorgen, so Papendick. Zum Beispiel – wo es möglich sei – durch Hybrid-Unterricht, sprich ein Teil der Schüler ist vor Ort, der andere online zugeschaltet.
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