Mannheim. Zwei Anträge für den Gemeinderat aus entgegengesetzten politischen Lagern könnten wie erwartet unterschiedlicher nicht sein: Während die AfD in einem Antrag fordert, dass immer, wenn das Rathaus beflaggt wird, eine „bundesdeutsche Fahne“ und die Mannheimer Stadtflagge als Ergänzung dazu kommen sollen, will die LI.PAR.Tie, dass zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen (25. November) ein neues Flaggenkonzept erarbeitet wird. Sie fordert eine Beflaggung, die zum Beispiel auch Trans-Frauen einschließt. Dies sei bisher nicht ausreichend gegeben.
Die beiden Anträge stehen an diesem Dienstag auf der Tagesordnung des Hauptausschusses (16.30 Uhr, Stadthaus N1).
Aktuell auch Israel-Flagge
Aber wo kann überhaupt geflaggt werden - und wie? Das kommt auf die politische Ebene an. Und auf die Flagge. Bei der von der AfD geforderten Bundesflagge zum Beispiel hält die Bundesregierung im Protokoll Inland fest: „Nur wenige Gebäude in Deutschland werden täglich beflaggt.“ Insoweit existiere in Deutschland „eine im Vergleich zu anderen Staaten zurückhaltende Beflaggungstradition“.
Aus Sicht der Bundesregierung sei „tägliche bundesweite Beflaggung nicht angezeigt, weil dies dazu führen würde, dass die nachfolgend genannten besonderen Tage nicht mehr hervorgehoben wären“, heißt es. Diese sind beispielsweise: Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober), Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes (23. Mai), Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27. Januar). Diese Tage gelten auch für Mannheim. Wegen des Kriegs in Israel hängen am Rathaus derzeit sowohl die israelische als auch die deutsche Flagge mit Trauerflor.
Strenge Vorschriften
Die AfD argumentiert in ihrem Antrag: „Seit etlichen Monaten ist das Mannheimer Rathaus ausschließlich mit zwei ukrainischen Fahnen und über einen langen Zeitraum mit einer Regenbogenfahne beflaggt“ worden. „Allen Solidaritätsbekundungen zum Trotz, sollte das Rathaus einer deutschen Großstadt auch entsprechend mit den Landesfarben bzw. dem Stadtwappen beflaggt sein.“
In Baden-Württemberg gibt es eine Vorschrift, die Beflaggung mitregelt. „Aus einem Anlass, der nur eine einzelne Verwaltung berührt, kann die zuständige Stelle dieser Verwaltung für ihre Gebäude die Beflaggung anordnen“, gilt auch hier. Die Stadt Mannheim kann also selbst über eine besondere Beflaggung am Rathaus entscheiden.
In der Verordnung steht aber auch, dass manchmal vor einer Beflaggung die Zustimmung des Innenministeriums einzuholen ist. Etwa, „wenn wegen einer örtlichen Veranstaltung politischer Art beflaggt werden soll“ oder, „wenn zweifelhaft ist, ob die örtliche Beflaggung als Parteinahme in politischen Fragen gedeutet werden könnte“. Auch der Ministerpräsident hat im Einzelfall mitzureden.
Deutschland: Tägliche Beflaggung ist die Ausnahme
- Im Gegensatz zu anderen Staaten ist in Deutschland eine tägliche bundesweite Beflaggung sämtlicher Dienstgebäude, Anlagen und Einrichtungen des Bundes nicht vorgesehen.
- Ausnahmen gibt es für die obersten Bundesbehörden in Berlin und Bonn, die Zentrale der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main sowie für den Bereich der Bundeswehr.
- Auch die beiden Amtssitze des Bundespräsidenten in Berlin und Bonn, die Dienstgebäude des Bundespräsidialamtes, des Deutschen Bundestages und des Bundesrates in Berlin sowie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe werden täglich beflaggt.
- Der Abschnitt II. des seit dem 2. April 2005 geltenden Beflaggungserlasses der Bundesregierung legt regelmäßige allgemeinen Beflaggungstagen fest. Ohne besondere Anordnung ist an folgenden Tagen zu flaggen:
a) am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27. Januar)
b) am Tag der Arbeit (1. Mai)
c) am Europatag (9. Mai)
d) am Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes (23. Mai)
e) am Jahrestag des 17. Juni 1953
f) am Jahrestag des 20. Juli 1944
g) am Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober)
h) am Volkstrauertag (2. Sonntag vor dem 1. Advent)
i) am Tag der Wahl zum Deutschen Bundestag sowie
j) am Tag der Wahl zum Europäischen Parlament.
Die AfD in Mannheim will indes, „dass wir von der Ideologisierung der Flaggenpolitik wegkommen“, so Fraktionsvorsitzender Bernd Siegholt. „Es kann nicht sein, dass da jeder Verein seine Flagge aufhängt. Die Flagge am Rathaus soll für alle stehen und nicht nur für einen kleinen Teil.“ Er sieht in der Regenbogenfahne keine offizielle Flagge, sagt, sie sei kein Hoheitssymbol. Der Mannheimer AfD-Vorstoß ist nicht neu. Auch die Landes-AfD-Fraktion wollte öffentliche Gebäude des Landes mit der Bundesflagge beflaggen. Ihr Antrag zur Änderung des Landeshoheitszeichengesetzes scheiterte allerdings.
Warum die LI.PAR.Tie ein Konzept erarbeiten will
Und was hat es nun mit dem Antrag zur Beflaggung am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen auf sich? Die LI.PAR.Tie fordert, dass die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt gemeinsam mit queeren Vertretern und Frauenverbänden ein Konzept erarbeitet, „das auch Trans- und andere Nicht-CIS-Frauen angemessen mit einschließt und von diesen akzeptiert wird“. Mit CIS-Frau beschreibt man eine Frau, die als eine solche lebt und ihr Geschlecht bei der Geburt zugewiesen bekam.
Streit um Identitätspolitik
„Am Internationalen Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen wird die Flagge von Terre des Femmes gehisst, deren Bundesverband sich ablehnend und diskriminierend gegenüber Trans-Frauen positioniert hat“, so die LI.PAR.Tie. Tatsächlich hat es nach Medienberichten bei der Organisation Terre des Femmes eine Spaltung gegeben, nachdem es Streit um Trans- und Identitätspolitik gab, man in der Debatte um Schutzräume uneins war. Allerdings teilt Terre des Femmes auf ihrer Homepage ausdrücklich mit, nicht transfeindlich zu sein.
Wer darf die Bundesflagge und die Bundesfahnen verwenden?
- Die Bundesflagge (ohne Bundesschild) darf von jedermann jederzeit und überall verwendet werden, heißt es im Protokoll Inland der Bundesregierung. Eine Grenze zieht hier das Strafgesetzbuch mit dem Verbot der Verunglimpfung (§ 90 a StGB).
- Dagegen ist die Bundesdienstflagge (mit Bundesschild) den Bundesdienststellen vorbehalten, heißt es.
- Im geschäftlichen Verkehr ist die Benutzung der Flagge zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen nicht ohne Genehmigung gestattet (§ 145 Abs. 1 Nr. 1 Markengesetz). Die Bundesfarben dürfen hierzu jedoch verwendet werden, sofern sie nicht als Flagge erscheinen.
Zusätzlich zur Terre des Femmes-Flagge wurde aber bereits 2022 am 25. November auch die Flagge der „Queeren Weiblichkeit“ gehisst. Dazu hieß es letztes Jahr in einer Mitteilung der Stadt: Man ergänze die „Flagge der Queeren Weiblichkeit (trans Frauen, nichtbinäre Weiblichkeiten, Frauen liebende Frauen und alle anderen, die sich mit Weiblichkeit und Queerness identifizieren)“ und signalisiere damit, „dass mit der Bekämpfung der Gewalt an Frauen noch einmal ausdrücklich alle Personen adressiert sind, die sich mit Weiblichkeit identifizieren“.
"Flagge reicht nicht aus"
„Die Flagge der Queeren Weiblichkeit reicht unseres Erachtens nicht aus, weil diese der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt und nicht selbsterklärend ist“, sagt LI.PAR.Tie-Vorsitzender Dennis Ulas. „Die Trans-Flagge hingegen hat einen deutlich größeren Bekanntheitsstatus und wäre eine gute Ergänzung zur Flagge von Terre des Femmes, um sich als Stadt klar dahingehend zu positionieren, dass die transfeindlichen Äußerungen von Terre des Femmes nicht akzeptabel sind und dass trans Frauen an diesem Gedenk- und Protesttag eingebunden werden sollen.“ Ulas legt nach: Es sei „fragwürdig, wieso man als Stadt überhaupt die Flagge einer Organisation beziehungsweise eines Vereins hisst.“
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