Mannheim. Es hätte auf den ersten Blick fast eines dieser Feste sein können, wie sie die Stadt Mannheim schon unzählige gesehen hat - wäre die Atmosphäre nicht von Anfang an so feierlich und spürbar erwartungsvoll gespannt gewesen: Zum Bürgerfest anlässlich der Amtseinführung von Oberbürgermeister Christian Specht auf dem Toulonplatz waren am Samstagvormittag nicht nur Bürger und städtische Mitarbeiter gekommen, sondern auch viele stadtbekannte Persönlichkeiten, für die die Hälfte der Plätze reserviert waren.
„Christian Specht ist Mannheimer durch und durch. Das sagt er nicht nur, das spürt man auch“, sagte Diana Pretzell, die als Erste Bürgermeisterin Gastgeberin der Amtseinführung war, und schwelgte ein wenig in Erinnerungen an die erste Begegnung mit Specht und den Beginn seiner Amtszeit. Es war ihr aber auch ein Lob in Richtung der Gemeinderäte wert, dass das Gremium annähernd komplett zu der Feier erschienen war.
Professorin spricht über Klimaschutz
Für einen würdigen Rahmen sorgten das Kurpfälzer Kammerorchester und mit der Band „Jupyter“ zwei Studenten der Mannheimer Popakademie, die immer wieder die erwartungsvolle Stimmung auflockerten. Bevor jedoch der Hauptakteur des Tages die Bühne betrat, ging es um ein Thema, in dem die Veranstalter ganz offensichtlich einen besonders hohen Stellenwert für die Quadratestadt sehen: die Nachhaltigkeit. In ihrem Vortrag sprach Katharina Spraul, Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Sustainability Management an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU), über „Wege in eine nachhaltige Zukunft“.
„Wie stehen Sie zum Thema Rosinen in Käsekuchen, Herr Specht?“, stieg sie recht unkonventionell in ihren Impulsvortrag ein. Wie dieser hatte wohl jeder Gast des Bürgerfests eine Meinung - pro oder contra - dazu. Kaum ein Lebensmittel polarisiere wie Rosinen, erklärte sie. Die Stadt Mannheim bestelle laut der Professorin jedenfalls je zur Hälfte Käsekuchen mit und ohne Rosinen - damit wird dann wohl der Betriebsfrieden gewahrt.

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Beim Klimaschutz gebe es eine ganz ähnliche Polarisierung wie bei den getrockneten Weintrauben, etwa bei den Gegnern und Befürwortern von Windkraft. „Wie nachhaltig wird unsere Zukunft aussehen? Und was ist der Weg dorthin?“, fragte sie und betonte: „Die Menschen zu teilen und zu polarisieren, bringt uns nicht weiter.“
Die Professorin referierte auch über die Agenda 2030, mit der sich im Jahr 2015 die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele gesetzt haben und die auch die Stadt Mannheim auf lokaler Ebene implementiert hat. Dies sei laut Spraul ein Schritt in die richtige Richtung, aber damit allein würden wir die ausgegebenen Ziele nicht erreichen. „Wir haben noch sieben Jahre Zeit für die lokale Agenda. Hier dranzubleiben, ist sehr wichtig. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, in den Bummelmodus zu verfallen“, sagte sie.
Christian Specht kniet vor Stadträtin Marianna Seitz
Vielleicht waren die Gäste ein bisschen ungeduldig oder konnten den Höhepunkt der Veranstaltung nicht länger erwarten; als Spraul ankündigte, sie komme nun zum Ende ihres Vortrags, applaudierten etliche Zuhörer. „Ich kann natürlich auch länger“, konterte sie, kam dann aber doch schnell zum Schluss - und damit zur Übergabe der Amtskette und Spechts Antrittsrede.
Marianne Seitz, die seit 26 Jahren Stadträtin für Mannheim-Seckenheim ist, durfte dem Oberbürgermeister als äußeres Zeichen der Amtsübernahme die Amtskette umhängen. Fünf Kilogramm wiegt die 1955 von den Mannheimer Innungen gestiftete Insigne. Specht beugte sich zunächst tief vor und kniete dann lachend vor Marianne Seitz nieder, um die Amtskette in Empfang zu nehmen. Wie vom Protokoll vorgesehen, baumelte das gewichtige politische Würdezeichen wenig später um seinen Hals. Die Gäste auf den Sitzplätzen und die zahlreichen stehenden Bürger applaudierten ihm stürmisch.
Im Anschluss an Spechts Rede standen sechs Geistliche verschiedener Mannheimer Glaubensgemeinden für ein interreligiöses Friedensgebet auf der Bühne. Bei der folgenden musikalischen Darbietung leerten sich die Reihen jedoch. Die Besucher wandten sich den Essens- und Getränkeständen zu, ein Teil der Gäste suchte das Gespräch mit den Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, die an extra aufgebauten Ständen zum Austausch einluden.
Lärmbelästigung am Wasserturm ein Thema
Zum Dezernat Sicherheit und Ordnung seien die Interessierten sogar bereits vor dem offiziellen Start um 11 Uhr gekommen, wie Markus Dietz berichtete. Besucher wollten etwa wissen, wer der richtige Ansprechpartner für eine Gewerbeanmeldung sei. Es ging aber auch um Lärmbelästigung am Wasserturm, um Falschparken oder Radfahren in der Fußgängerzone. „Manche Bürger sind explizit hierher gekommen, weil sie wussten, dass wir hier vertreten sind und um ihr Anliegen persönlich loszuwerden“, sagte Dietz.
Mit dem Auftritt des Mannheimer Polizeimusikorchesters wurde die Stimmung dann plötzlich fröhlich, drei Kinder fingen unvermittelt an, zu tanzen. Das Bürgerfest ist gut angekommen, berichten einige Bürger. Susanne Kammer fand die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich auszutauschen, am wichtigsten. Sie würde sich auch für die Amtsjahre wünschen, dass es viele Formate gibt, in denen Menschen ihre Anliegen niedrigschwellig anbringen können. „Man kommt hier so leicht ins Gespräch, dass ich das Programm nicht komplett mitbekommen habe. Aber ich habe es als positiv empfunden, dass das Thema Nachhaltigkeit so prominent war“, sagte sie.
„Es war abwechslungsreich, und Herr Specht ist auch persönlich rübergekommen. Ich finde es gut, dass ganz unterschiedliche Menschen hier teilnehmen können und dass die Möglichkeit besteht, ins Gespräch mit der Verwaltung zu kommen“, sagte Ursel Heyduk. Sie habe diese Gelegenheit an diesem Tag selber genutzt. Dabei sei es ihr nicht nur um Ökologie und Natur gegangen, sondern um Nachhaltigkeit im Sinne einer globalen Gerechtigkeit und Verantwortung. „Der Vortrag von Professorin Spraul hat mir besonders gut gefallen, weil sie die Dringlichkeit des Themas Nachhaltigkeit nochmals betont hat.“
Das sagen Gäste zum Bürgerfest
Eine Besucherin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, hätte gerne konkrete Beispiele für die Nachhaltigkeit in Mannheim gehört, etwa wie die Stadt kühler werden könne. „Ich höre immer, dass so viel für das Grün in der Stadt getan wird, sehe aber nur, dass Bäume gefällt werden. Wenn man bei der Verwaltung nachfragt heißt es, die würde woanders wieder nachgepflanzt. Aber ich kriege davon nichts mit“, kritisierte sie.
Zur Antrittsrede von Specht hat sich auch Hans-Christoph Strauß Gedanken gemacht. „Ich kann ihm nur sehr, sehr viel Glück wünschen. Denn ganz einfach ist unsere liebe Stadt nicht.“ In seiner Rede sei es um abstrakte Begriffe gegangen, doch nun gehe es um das Konkrete - etwa um den Hochwasserdamm, das „soziale Dickicht dieser Stadt“ oder die Schulen. „Er hat jetzt 100 Tage, und dann sehen wir mal.“
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