Mannheim. Eigentlich ist der Verstoß gegen das Kunsturheberrechtsgesetz mit übler Nachrede, der da gerade am Amtsgericht Mannheim verhandelt wird, ein eher kleiner Fall. Eigentlich. Denn der mutmaßliche Geschädigte, dessen Namen in Verruf gebracht wurde, ist ein Polizist. Der Angeklagte ist der Klimaaktivist Raúl Semmler, der nicht nur dieses eine, sondern laut eigenen Angaben rund 20 offenen Verfahren am Hals hat. Für beide geht es also um viel.
Semmler hatte im September 2023 auf der Plattform X mehrere Bilder und Videos veröffentlicht, auf denen der Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Mannheim bei der Durchführung von gegen Semmler gerichteten polizeilichen Maßnahmen im Rahmen der Auflösung einer Versammlung der „Letzten Generation“ zu sehen ist.
Gesicht und Namensschild des Beamten auf den Bildern erkennbar
Auf zwei Bildern ist das Gesicht des Polizisten erkennbar, dessen Hände Semmlers Nackenbereich berühren und dessen Namensschild auf der Uniform deutlich lesbar ist. Eine Polizistin hält dabei Semmlers Arm fest. In dem Text zu dem Tweet behauptet Semmler, die Beamten hätten ihn gewürgt, per Kampfsporttechnik zu Boden geworfen und seine Handschellen so fest zugemacht, dass er noch Tage später Rötungen davon gehabt habe.
Semmler wird nun zur Last gelegt, diese Bilder öffentlich zur Schau gestellt zu haben, obwohl er gewusst habe, dass der Geschädigte darin nicht eingewilligt hatte. Der Polizist sei sowohl im privaten als auch im dienstlichen Umfeld auf die veröffentlichten Bilder angesprochen worden und habe in zwei Fällen Briefe mit bedrohendem Inhalt in seinem privaten Briefkasten vorgefunden.
Videos belegen den Vorwurf des Würgens nicht
Die von Semmler behaupteten Vorgehensweisen – insbesondere das Würgen – seien nicht nachweislich wahr, heißt es in der Anklageschrift. Auf den von diesem Einsatz existierenden Videos sei zu keinem Zeitpunkt ein Würgen zu sehen. Semmlers Behauptung sei geeignet, den Polizeibeamten in der Bevölkerung als verachtenswert erscheinen zu lassen.
Die beiden Zeugen, der Fotograf der besagten Fotos sowie eine Polizeibeamtin, konnten jetzt am zweiten Verhandlungstag nicht gehört werden. Denn dem Klimaaktivisten, der in diesem Verfahren bei einer Verurteilung mit etwa 40 Tagessätze rechnet, droht aufgrund weiterer Verfahren vor allem wegen Nötigung im Straßenverkehr, die derzeit in Berlin, Frankfurt und weiteren Städten gegen ihn laufen, in Summe eine Haftstrafe von zwei Jahren. Eine gute Verteidigung sei darum auch bei diesem kleinen Verfahren für ihn essenziell, wie Semmler während einer Besprechungspause des Gerichts gegenüber dieser Redaktion erklärt.
Christian Mertens als Pflichtverteidiger zugelassen
Semmler beantragte deshalb erst die Genehmigung eines Rechtsbeistands – das Gericht hatte bei der Auftaktverhandlung einen Pflichtverteidiger nicht zugelassen –, der ihm nun mit dem Umweltaktivisten Jörg Bergstedt auch gewährt wurde. Dann beantragte Semmler erneut, Christian Mertens als Pflichtverteidiger zuzulassen.
Im zweiten Anlauf ließ die Richterin den Pflichtverteidiger dann zu; nicht wegen des aktuellen Verfahrens vor dem Mannheimer Amtsgericht, sondern wegen der zu erwartenden Strafe in den vielen weiteren Anklagen. Die Verhandlung wird fortgesetzt, sobald ein Termin mit dem Pflichtverteidiger festgelegt wurde.
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