Ernährung - Mehr als 30 Schulen und Kitas müssen nach den Pfingstferien auf Obstlieferungen verzichten, weil die Verwaltung einen Bußgeldbescheid nicht zurücknimmt

Kein frisches Obst mehr für Mannheimer Schulen und Kitas

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Bertram Bähr
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Ein leckerer Apfel zusätzlich steht dank des Schulobstprogramms für Tausende Kinder in Mannheim auf dem Speiseplan. Nach den Pfingstferien könnte es damit vorbei sein. © dpa

Mannheim. Ein knackiger Apfel, eine saftige Birne, Zwetschgen, Nektarinen: Mehrere Tausend Grundschul- und Kindergarten-Kinder in Mannheim freuen sich auf eine regelmäßige Extraportion süße, gesunde Nahrung. Möglich macht das ein teilweise von der Europäischen Union finanziertes Programm. An ihm nehmen nach Angaben des Landes Baden-Württemberg in der Quadratestadt 26 Schulen und 20 Kitas teil. Den Großteil davon, mehr als 30, beliefert der Obstbau-Betrieb Hauck aus Edingen-Neckarhausen. Aber in wenigen Tagen, direkt nach den Pfingstferien, wird es damit wohl vorbei sein.

„Wir sehen uns gezwungen, mit sofortiger Wirkung die Belieferung aller Mannheimer Einrichtungen einzustellen“, schreibt Jörg Hauck an die Stadt. Seit 2010 hat sich das Unternehmen beim Europäischen Schulprogramm maßgeblich mit eingebracht, jetzt hat die Familie Hauck genug. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat für Jörg Hauck ein Bußgeldbescheid. Sein Fahrer hatte am 23. Mai auf dem Gehweg vor der Luzenbergschule gehalten, um in wenigen Minuten die Obstkisten auszuladen. Als er zurückkam, hing ein Knöllchen am Auto. 55 Euro soll der Landwirt zahlen. Er legte Widerspruch ein – vergeblich.

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Begründet hat Hauck seinen Widerspruch in einem detaillierten Schreiben. Kernpunkt: „Früher haben wir hinter der Schule am Parkplatz gehalten und durch diesen Eingang angeliefert.“ Das sei hier und auch an vielen anderen Orten aber nicht mehr möglich, weil die Höfe aus Sicherheitsgründen und auch wegen Corona gesperrt worden seien, erklärt Hauck im Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“. Von der Schule sei man aufgefordert worden, „am Haupteingang anzuliefern. Parkmöglichkeiten gibt es dort keine“, schreibt der Betriebsinhaber der Stadtverwaltung.

Obsthof: wenig rentables Geschäft

Die zeigt in ihrem Bescheid indes kein Verständnis für die Argumentation. Auf Gehwegen sei „bereits das kürzeste Halten oder Parken von Fahrzeugen nicht erlaubt“. Auch bei Belieferung der Schule mit Obst könne Gehwegparken „zum Schutze unserer jüngsten Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer nicht geduldet werden“. Gegenüber dem „MM“ weist Hauck darauf hin, dass seine Fahrer ihre Touren um 8 Uhr starten, also nach Unterrichtsbeginn. Der Schulweg der Kinder sei also gar nicht tangiert.

Schulprogramm der Europäischen Union

  • Am EU-Schulprogramm zur zusätzlichen Belieferung mit Obst, Gemüse und Milch nehmen nach Angaben des Landes Baden-Württemberg im laufenden Jahr 5220 Grundschulen und Kitas mit rund 430 000 Kindern teil.
  • Damit erhalten sie regelmäßig eine Extraportion Obst, Gemüse, Milch oder Milchprodukte von regionalen Lieferanten.
  • In Mannheim kommt das Programm 19 Grundschulen, sieben Förderschulen und 20 Kitas zugute.
  • Einrichtungen, die am Programm teilnehmen möchten, müssen sich jährlich neu dafür anmelden. Die Lieferanten registrieren sich beim Regierungspräsidium Tübingen.
  • Die Kinder erhalten Obst, Gemüse und Milch kostenlos.
  • Finanziell gefördert wird das Programm von der EU. Für den Restbetrag sind Schulen und Kitas selbst verantwortlich. In der Regel sind es Sponsoren, die hier einspringen.
  • Die Produkte dürfen während des Vor- oder Nachmittags, aber nicht im Zusammenhang mit der Mittagsmahlzeit an die Kinder ausgegeben werden. 

Dass er vor der Luzenbergschule nicht mehr zum Entladen kurz anhalten darf, ohne einen Strafzettel zu kassieren, lässt für Jörg Hauck nur einen Schluss zu: „Aus Sicht der Verkehrsbehörde ist eine weitere Belieferung der Schulen mit Schulobst nicht erwünscht.“ Bußgeldbescheide habe er auch in der Vergangenheit immer wieder erhalten, unter anderem vor der Johannes-Kepler- und der Uhlandschule, berichtet Hauck. Früher seien das oft um die zehn Euro gewesen. „Da haben wir nicht lange diskutiert, sondern bezahlt.“ Aber gleich 55 Euro? Ohnehin handle es sich bei der Schulobstbelieferung „um ein wenig rentables Geschäft“, fast alle Lieferanten hätten deshalb bereits aufgegeben.

Jörg Hauck bedauert, dass er die Belieferung in Mannheim einstellt. Es sei ihm eine Herzensangelegenheit, Schulen und Kitas mit frischem Obst zu versorgen, zu gesunder Ernährung gerade für Kinder aus prekären Verhältnissen beizutragen. Darum habe er auch während der Corona-Zeit weiter geliefert, als es um kleine Mengen für die Notbetreuungsgruppen ging – ein Verlustgeschäft. Zumal er auch bei Schulen, die den Eigenanteil nicht aufbringen könnten, darauf verzichte. Aber jetzt auch noch dafür bestraft zu werden – das sieht er nicht ein.

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Der Obstbaubetrieb ist nicht nur in Mannheim, sondern in der gesamten Metropolregion tätig, wo er mindestens noch einmal so viele Einrichtungen ansteuert wie in der Quadratestadt. Dabei soll es auch bleiben, betont Hauck. Denn jede andere Stadt oder Gemeinde ermögliche „die problemlose Belieferung – und wenn es mal Probleme gab, wurden diese mit der Verwaltung unproblematisch gelöst“. In Mannheim dagegen sei das nicht möglich, „das ist super ärgerlich für mich“.

Der Obstbau-Betrieb hat in der Sache die Fraktionen des Gemeinderats angeschrieben, öffentlich darauf reagiert hat die FDP/MfM. Mit einem Antrag im Gemeinderat möchte sie die künftige Belieferung mit Schulobst sicherstellen. Dazu solle die Stadt „eine kulante Parkregelung in den Anlieferbereichen“ festschreiben oder „Lieferzonen in mit den Schulverwaltungen abgestimmten Bereichen ausweisen“.

Stadt: keinerlei Spielraum

Das mit der kulanten Regelung sei gar nicht so einfach, antwortet eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage des „MM“. Auf Gehwegen sei selbst kurzfristiges Abstellen zum Be- und Entladen „unzulässig“, weil es „immer eine potenzielle Gefahr“ für schwächere Verkehrsteilnehmer sei. Das gelte insbesondere für Schulen und Kitas. Ein Erlass des Verkehrsministeriums lasse ohnehin keinerlei Spielraum. Deshalb sei keine Ausnahmegenehmigung möglich.

Kathrin Kölbl, bildungspolitische Sprecherin der FDP/MfM-Fraktion, führt die Vorgehensweise der Verwaltung bei den Bußgeldern dagegen auf eine „ideologische Verdrängung des Autos aus der Stadt“ zurück. Das treibe hier „skurrile Blüten“, „ausgerechnet unsere Kinder müssen unter dieser Politik leiden“.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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