Mannheim. Bei so manch einem gehüteten Geheimnis bewegt nach dessen Offenlegen vor allem die Frage: Warum eigentlich jahrelange Geheimniskrämerei? Das gilt auch für den vom Rathaus verschwiegenen Kaufpreis des im April 2020 erworbenen restlichen Spinelli-Areals. Bekanntlich hat ein Mannheimer Bürger quer durch Gerichtsinstanzen Einblick in den Vertrag erstritten.
Und somit ist nun öffentlich, was verborgen bleiben sollte: 25,5 Millionen Euro haben die Stadt und ihre Töchter mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Gesamtkaufpreis vereinbart - abzüglich eines Nachlasses für Sozialwohnungen von knapp 7,3 Millionen.
Kaufvertrag des Spinelli-Areals: Weitergabe von Details nur bei „gesetzlicher Verpflichtung“
Mit Schwärzungen, insbesondere personenbezogener Daten, hat der Spinelli-Kaufvertrag inzwischen das Rathaus verlassen. Interessanterweise findet sich in dessen Vertrauensschutz-Klausel der Hinweis, dass festgelegte Details nur weitergegeben werden dürfen, „sofern eine gesetzliche Verpflichtung besteht“. Aber genau diese gab es - im baden-württembergischen Landesinformationsfreiheitsgesetz.
Jedenfalls hat auf dessen Grundlage der Verwaltungsgerichtshof (VGH) dem klagenden Unternehmer Rolf Götz als (Steuer zahlender) Bürger das Recht bescheinigt, zu erfahren, was die Stadt Mannheim gemeinsam mit ihren Töchtern - der Projektentwicklungsgesellschaft MWSP und der Wohnungsgesellschaft GBG - für den Erwerb des letzten und größten Teils des früheren US-Militärgeländes Spinelli bezahlt hat, beziehungsweise, ob es Abreden gibt.
Was die Parteien vereinbarten, ist in vielen Punkten bekannt und teilweise bereits Geschichte. So beruft sich die Vertragspräambel auf die Ausrichtung der Bundesgartenschau 2023, die Realisierung des Grünzugs Nordost, die Schaffung von Wohnraum, insbesondere von Sozialwohnungen.
Auf den unterschiedlichen Baufeldern sollen laut damaliger Planung insgesamt 1330 Wohnungen entstehen, davon 291 als Sozialwohnungen. Für diese gewährt die BImA Grundstücksnachlässe - jeweils 25 000 Euro pro Einheit. Hintergrund: Eine 2015 eingeführte Verbilligungsrichtlinie möchte Kommunen, die sich für die Option des Erstzugriffs bei Konversionsflächen im Eigentum des Bundes entscheiden, einen Anreiz zum Bau von günstigem Wohnraum bieten. Die Rabattregelungen sind im Februar verlängert und angehoben worden. Neuerdings darf die BImA für jede neu geschaffene Sozialwohnung einen Kaufpreisnachlass von 35 000 Euro gewähren.
Stadtrat Wenzel über Spinelli-Kauf: „Der Zirkus um die Geheimhaltung ist mir unverständlich“
Der Spinelli-Vertrag hält ausdrücklich fest, dass Abschläge zurückbezahlt werden müssen, wenn damit geförderte Einheiten innerhalb vereinbarter Frist nicht verwirklicht werden. Es ist aber auch geregelt: Sozialwohnungen über das geplante Soll hinaus bekommen nachträglich den BImA-Rabatt zuerkannt.
Gemeinderatsmitglieder möchten sich zu dem Spinelli-Vertrag ungern offen äußern. Hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, man frage sich, ob der Prozess samt kostspieligem Juristen-Aufmarsch notwendig gewesen sei. Stadtrat Achim Weizel von der Mannheimer Liste (ML) meint unverblümt: „Der Zirkus um die Geheimhaltung ist mir unverständlich.“ Außerdem geht ihm durch den Kopf: „Eigentlich ist es bitter, dass die Stadt ein Gelände, das ihr früher gehörte, zurückkaufen muss.“
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Das Rathaus ahnte vermutlich früh, dass es die Rechtssache „Rolf Götz gegen die Stadt Mannheim wegen Anspruch auf Informationszugang“ verlieren dürfte. Nicht von ungefähr verzichtete die Kommune nach erstinstanzlicher Niederlage auf Berufung. Vor den VGH zogen die Tochterunternehmen MWSP und GBG, außerdem die BImA. Alle drei argumentierten, eine Offenlegung des Vertrags würde die Wettbewerbssituation mit künftigen Bewerbern beziehungsweise Mitkonkurrenten nachteilig beeinflussen.
Claudius Kranz, Fraktionsvorsitzender der CDU, gehört zu jenen Gemeinderatsmitgliedern, die im April 2020 zwei Stunden vor der entscheidenden nicht-öffentlichen Sitzung die Gelegenheit nutzten, das Vertragswerk einzusehen und sich Notizen zu machen - Fotos waren nicht erlaubt. Zu den Vereinbarungen, die er jetzt, vier Jahre später, erneut gelesen hat, sagt er: „Diskrepanzen zu damals sind mir keine aufgefallen.“ Als Kommunalpolitiker verknüpft er mit dem Ausgang des Rechtsstreits die Erkenntnis: „Das Landesinformationsfreiheitsgesetz ist extrem stark.“
Kläger ging es beim Prozess um Spinelli-Vertrag um das Prinzip des Informationszuganges
Rolf Götz will sich zu inhaltlichen Details des Spinelli-Vertrags nicht äußern. Ihm sei es um das Prinzip des gesetzlich verankerten Informationszuganges gegangen. Der Unternehmer verhehlt aber nicht: „Dreieinhalb Jahre warten zu müssen, ehe man Recht bekommt, halte ich für äußerst problematisch.“ Der VGH hatte zwar bereits im November 2022 geurteilt, dass die Stadt den Vertrag offenlegen muss. Aber weil die Berufungsparteien Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegten, sollte es noch einmal eineinhalb Jahr dauern, ehe diese abgewiesen wurde - und schließlich eine mit Schwärzungen versehene Version der Verschlusssache den Prozesssieger erreichte.
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