Mannheim. Am Gerhart-Hauptmann Kinderhaus in Mannheim Süd arbeitet Anette Pietschke als Sprachförderkraft. Sprechen soll Spaß machen, die Kinder bekämen dadurch Lust, sich auszudrücken, ihre eigenen Wünsche zu äußern, Fantasiegeschichten zu erfinden. Das betonte sie jetzt bei einem Besuch der Grünen-Bundestagsabgeordneten Melis Sekmen und Regina Jutz, jugendpolitische Sprecherin der Mannheimer Grünen-Fraktion.
Der Vor-Ort-Termin kommt nicht von ungefähr. Dass sich derzeit viele für Sprach-Kitas interessieren, liegt an der Ankündigung des Bundesfamilienministeriums im Juli, das seit 2016 laufende Sprach-Kita-Programm zum Jahresende auslaufen zu lassen. Davon betroffen wären bundesweit rund 6900 Einrichtungen. Allein 46 gibt es in Mannheim: An 31 städtischen Kitas und in 16 Einrichtungen freier Träger kann sich dank des Programms jeweils eine Halbtagskraft gezielt um Sprachförderung kümmern, wie Bürgermeister Dirk Grunert jetzt im Bildungsausschuss des Gemeinderats berichtete.
„Aus unserer Sicht muss dieses Programm unbedingt erhalten bleiben. Deswegen habe ich mich auch persönlich in einem Schreiben an Familienministerin Paus gewandt, habe bisher noch keine Antwort erhalten“, so Grunert. Rund 1,1 Millionen Euro jährlich seien dank Bundesprogramm nach Mannheim geflossen. Dieses Geld könne die Stadt nicht einfach kompensieren, das „ist im Moment nicht darstellbar“.
Das Bundesministerium verweise darauf, dass künftig Geld aus dem Gute-Kita-Gesetz für die Sprachförderung verwendet werden könne. Aus Sicht Grunerts gibt es dabei aber zwei Probleme. Zum einen fehle das Geld dann an anderer Stelle, zum Beispiel bei der Freistellung von Kita-Leitungen. Zum anderen sei eine Förderung im Rahmen des Gesetzes frühestens ab 1. Juli 2023 möglich. Die derzeitige Förderung werde aber zum Jahresende eingestellt, „da ist ein halbes Jahr Lücke. Ich glaube, es ist unrealistisch, dass man den Menschen kündigt und sagt, aber möglicherweise haben wir ab 1. Juli 2023 den wieder einen Job für euch. Es wird nicht funktionieren, diese Sprachkräfte zu halten.“
Bund und Länder suchen Lösung
Die Stadt sei „auf allen politischen Kanälen aktiv“, um das Aus für die Sprach-Kitas zu verhindern. Bundesweit laufen seit Wochen ebenfalls Initiativen zum Erhalt. So teilte die Kampagne „Sprach-Kitas retten“ mit, dass sie für eine Petition an den Bundestag bereits 203 000 Unterschriften gesammelt habe.
Auch in Mannheim ist die Sensibilität hoch. Melis Sekmen setzte mit ihrem Besuch im Kinderhaus auf der Rheinau ein Zeichen, ihre Kollegin Gökay Akbulut (Linke) machte sich in einer Rede im Bundestag für das Projekt stark, CDU und Junge Union protestierten im August via Internet gegen das Aus für die Sprach-Kitas.
Inzwischen zeichnet sich ab, dass die Proteste Erfolg haben könnten. Mehrere Bundesländer signalisierten vor wenigen Tagen, am Programm festhalten zu wollen, darunter Baden-Württemberg. So sagte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne): „Wir wollen die erfolgreichen Sprach-Kitas fortführen.“
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) griff den Ball auf, sie wolle gemeinsam mit den Ländern eine Lösung erarbeiten. Gegenüber dem ARD-„Mittagsmagazin“ bekräftigte sie die Bereitschaft für eine Übergangsfinanzierung nach dem geplanten Auslaufen der Bundesförderung zum Jahresende. Dafür brauche sie aber die Zusicherung der Länder, dass diese die „Sprach-Kitas“ dann in die Regelfinanzierung übernähmen – also dass sie für die Kosten künftig selbst aufkämen.
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