Mannheim. Es gibt gute Gründe, spontan in einen Bus zu steigen. Etwa ein Platten am Rad, plötzlicher Regen oder eine kurzfristig weggefallene Mitfahrgelegenheit. Ein Ticket kann man sich auch beim Einstieg noch kaufen. Allerdings nicht mehr mit Bargeld. Das bestätigt auf Anfrage Moritz Feier, Sprecher der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft: „Wir haben im März den Ticketverkauf in unseren Bussen im gesamten Verkehrsgebiet auf bargeldloses Zahlen umgestellt.“
Also in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg sowie im Umland. Dies gelte für alle von der RNV in Eigenleistung bedienten Linien, so Feier. „Bei unseren Subunternehmern wird es mit der Umstellung teilweise noch etwas dauern.“
Akzeptiert werden im Gegenzug nun EC- und Kreditkarten. Auch das Zahlen mit dem Smartphone ist möglich, sofern darauf eine entsprechende Funktion eingerichtet ist.
Scharfe Kritik vom Mannheimer Einzelstadtrat Julien Ferrat
Auf die Neuerung aufmerksam gemacht hat den „MM“ Julien Ferrat. Der Einzelstadtrat der von ihm gegründeten Wählerinitiative „Die Mannheimer“ steht dem Unternehmen recht kritisch gegenüber, die RNV war schon wiederholt Gegenstand seiner Pressemitteilungen und Anfragen im Gemeinderat.
Das Abschaffen der Barzahlungen bezeichnet Ferrat als kundenunfreundlich und unsozial. Bus und Bahn zu nutzen, sollte allen offen stehen. „Faktisch wird nun der Personenkreis ohne eigenes Bankkonto und ohne Fahrschein-Automat in der Nähe ausgegrenzt.“ Das sei besonders für Kinder ohne Jugendticket ärgerlich.
Seniorenratsvorsitzende Marianne Bade: „Eine Riesensauerei“
Heftige Kritik kommt auf Anfrage auch von Marianne Bade, der Vorsitzenden des Mannheimer Seniorenrats. Sie spricht sogar von „einer Riesensauerei“. Die Entscheidung der Verkehrsgesellschaft sei speziell für nicht wenige Ältere schlicht unzumutbar. „Ich kenne ganz, ganz viele, die bei Kartenzahlungen misstrauisch sind.“ Die nutzten ihre Bankkarten nur, um sich an Automaten Bargeld zu holen. Zum einen hätten sie Angst vor einem Verlust der Karten, und sei es durch Vergessen. Zum anderen wollten sie den Überblick über ihre Ausgaben behalten. Das falle mit elektronischen Zahlungsmitteln ja auch vielen Jüngeren schwer.
Das Vorgehen der RNV verteidigt jedoch ihr Sprecher Feier. Der Verwaltungsaufwand, der durch Barzahlungen entstehe, hätte in keinem Verhältnis mehr zur Nachfrage gestanden. „Der Ticketverkauf im Bus macht weniger als ein Prozent unseres Verkaufs aus. Gleichzeitig entstehen Kosten, die im niedrigen bis mittleren sechsstelligen Bereich liegen.“ Das sei aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr zu rechtfertigen. „Zumal wir ja mit öffentlichen Geldern wirtschaften.“ Getragen wird die Verkehrsgesellschaft vor allem von den Kommunen.
Der Anlass war die Anschaffung neuer Wasserstoffbusse
Das Anschaffen neuer Wasserstoffbusse war für die RNV nun laut Feier ein guter Zeitpunkt, um auf bargeldlos umzustellen. „Die Möglichkeit der Kartenzahlung wurde in den letzten Jahren von vielen Kundinnen und Kunden vermisst.“ Und beide Bezahlformen anzubieten, wäre zu aufwendig und zu teuer.
Vor der Neuerung sei darüber sehr ausführlich in den Bussen informiert worden, so der Sprecher. „ Wir waren in den ersten Wochen auch sehr kulant in dieser Sache.“ Daher gebe es bisher nur wenige Beschwerden. Die Fahrer berichteten eher von positiven Reaktionen.
Natürlich müssten sich einige Menschen „nun etwas umstellen“, meint Feier. „Es wird aber niemand ausgeschlossen. Denn es gibt wirklich sehr viele Alternativen.“ Zahlen könne man nicht nur mit der Karte und dem Handy, wenn darauf eine solche hinterlegt sei, sondern ebenso mit Tarif-Apps. Da werde auch eine Prepaid-Funktion für Minderjährige angeboten. Hinzu kämen attraktive Zeitkarten, besonders im Zusammenhang mit dem Deutschland-Ticket. „Wenn alle Stricke reißen, ist unser Automatennetz sehr gut ausgebaut.“ Auch an den Verkaufsstellen seien weiter Papierfahrscheine erhältlich.
Im Luisenpark gab es auch Ärger über Bargeld-Einschränkungen
Bade hält dagegen für sehr problematisch, dass an immer mehr Stellen keine Barzahlungen möglich sind. So auch in einigen Bereichen der Stadtparks. Beim Seniorenrat hätten sich viele Ältere etwa darüber beklagt, dass der Luisenpark beim Einlass zunehmend auf QR-Codes setze. Direkt an den Gondolettas werden ebenfalls keine Scheine und Münzen mehr angenommen. Damit muss man zurück zur Eingangskasse und sich dort Tickets holen.
Welch hohen Stellenwert das Bargeld in Deutschland – im Unterschied zu anderen Ländern – noch hat, zeigte vorige Woche eine neue Umfrage der Bundesbank. Darin bezeichnen es 72 Prozent als sehr wichtig oder ziemlich wichtig.
Und das, obwohl Zahlungen in bar stark rückläufig sind. 2017 lag ihr Anteil bei drei Vierteln, 2023 nur noch bei knapp der Hälfte. Dem Trend nach dürften es heute noch deutlich weniger sein.
Prognose der Bundesbank: Im Jahr 2037 könnte Schluss sein
Die Bundesbank verweist zwar auch auf Bargeld-Nachteile wie Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung oder die Gefahr von Überfällen. Gleichwohl sieht sie sich in der Verantwortung, das Zahlungsmittel zu erhalten und zu fördern. Allerdings warnt sie wegen der zurückgehenden Nutzung vor einer Negativspirale. So könnten immer mehr Geldautomaten und Auszahlstellen abgeschafft werden.
Das hat auch in Mannheim schon für großen Verdruss gesorgt, zuetzt etwa bei Postbank-Kunden in Feudenheim und in der Neckarstadt-Ost. Auch nehmen nach Beobachtung der Währungshüter zunehmend Händler aus Kostengründen keine Barzahlung mehr an. So wie nun die RNV in ihren Bussen.
Die für viele Menschen wohl düstere Prognose aus Frankfurt lautet: Bargeld könnte im Jahr 2037 nur noch eingeschränkt genutzt werden und seine gesamtgesellschaftlichen Funktionen nicht mehr erfüllen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Bargeld hat ausgelacht, nun auch in RNV-Bussen in Mannheim und Umgebung