Mannheim. Die Ortsmitte der Hochstätt ähnelt an diesem Montag einem Taubenschlag. Menschen in kleinen Gruppen unterhalten sich. Passanten richten ihre Blicke auf das Gebäude des Quartiermanagements. Dort warten Bewohner in Schlangen auf ihre Corona-Impfung - in der Hand einen Papierbogen sowie den Impfausweis. Im Rahmen eines Pilotprojekts können alle Bewohner des Stadtteils hier ihre Erstimpfung erhalten. Das Alter sowie andere Priorisierungen spielen keine Rolle.
Anees Ghouri wartet mit seiner Frau Iqra und Sohn Saqib auf den potenziell lebensrettenden Piks. „Ich finde es super“, sagt er. Er klingt erleichtert. Als Kioskbetreiber habe er viel Kontakt zu anderen Menschen. „Ich dachte, ich komme irgendwann im Juni dran.“ Von der Stadt hat er einen Anruf erhalten und sei auf die Aktion hingewiesen worden. Ob seine Kinder ebenfalls geimpft werden dürfen, wolle er noch erfragen.
Ein paar Meter vor der Familie steht eine junge Frau. „Ich finde die Aktion gut. Auch, dass Altersbeschränkungen aufgehoben wurden“, lobt die 33-Jährige, die ihren Namen nicht in den Medien lesen möchte. Die Medizinische Fachangestellte wohnt zwar nicht auf der Hochstätt, aber da sie dort im Testzentrum arbeite, sei sie hier zur Impfung zugelassen.
Noch bis einschließlich Sonntag wird zwischen 9 und 15 Uhr geimpft. „Das ist eine Gemeinschaftsentscheidung der Verwaltung gewesen, darauf zu reagieren, dass Wohnverhältnisse in manchen Quartieren sozial ein bisschen herausgefordert sind und für sich genommen eine besondere Gefährdungslage produzieren“, sagt Tobias Vahlpahl, Leiter der Koordinierungsstelle Quartiermanagement. Die Leute wohnten sehr eng beieinander und arbeiteten in Berufen, die sie nicht zu Hause ausführen können. Diese Woche wolle man beobachten, ob die Aktion funktioniert - und zwar nicht nur, ob die Infektionszahlen sinken, sondern auch, ob eine Impfbereitschaft besteht. Würde man von den etwa 2200 Erwachsenen pro Tag rund 150 Personen impfen, könnte man etwas mehr als die Hälfte erreichen.
Schlangen schon in der Früh
Ralf Walther ist optimistisch. „Das Angebot wurde bereits heute am ersten Tag sehr gut angenommen. Wir sind voller Hoffnung für den Rest der Woche“, sagt der Leiter der Stabsstelle Presse und Kommunikation der Stadt. Aktuell werde Moderna verimpft. Wie viele Dosen schon verabreicht wurden, weiß er nicht. „Darüber können wir erst Mitte der Woche eine Auskunft geben.“ Sicher ist jedoch, dass sich bereits am ersten Tag um 8 Uhr eine Warteschlange gebildet hatte, so Walther. Selbstverständlich werde auf Abstand und das Tragen einer Maske geachtet.
Eine der ersten, die geimpft wurde, ist eine Hochstätterin, die anonym bleiben möchte. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt sie und lächelt. Zwei Monate lang hat die 69-Jährige versucht, via Website und Hotline einen Impftermin zu erhalten. „Aber ich hatte kein Glück“, sagt sie. Jetzt möchte sie Verwandte und Nachbarn auf das Angebot aufmerksam machen. „Je mehr geimpft sind, desto besser.“ Die Rentnerin freut sich zudem darauf, in Kürze wieder ohne Quarantäne in den Urlaub zu fahren.
Patrick Hübner hat viele Leute mittleren und höheren Alters gesehen, aber auch Jüngere. Der Ordner beantwortet auch Fragen der Bevölkerung. „Viele wollen wissen, welcher Impfstoff das ist.“ Doch nicht jeder will auch eine Spritze. Manche beobachteten nur das Geschehen. Eine Bürgerin habe einen Kreislaufkollaps erlitten. Nach kurzer Zeit sei sie wieder ansprechbar gewesen und wurde vom Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, erzählt Hübner.
Freude auf den Urlaub
Zu den Wartenden gehört Uwe Reintjes. Der Mitarbeiter der GBG ist in Gebäuden auf der Hochstätt im Einsatz und wird daher geimpft. Auf eine Terminvergabe seines Bundeslandes hat der 58-jährige Pfälzer bisher vergeblich gewartet, trotz Vorerkrankungen. „Ich hatte bereits zwei Herzinfarkte und drei Stents.“
Die Priorisierung für die Impfungen ist für ihn nicht ganz nachvollziehbar - etwa wenn Leute mit schweren Krankheiten länger darauf warten müssen. Die Aktion findet er darum einerseits traurig; denn seiner Meinung nach werden nun so auch diejenigen bevorzugt, die nicht zur Eindämmung des Virus beitragen. Anderseits ist er froh, nun die Chance auf die Impfung zu haben.
Als es losgeht, zieht er entschlossen seine weiße Jacke aus und entblößt seine Arme. Reintjes zuckt nicht einmal mit den Wimpern, als einer der Mediziner die Spritze in seinen linken Oberarm sticht. Gespürt habe er nichts, sagt er und scherzt mit Blick auf den Arzt: „Er hat Erfahrung.“
Als Diabetikerin hat Heike Harris gehofft, über ihren Hausarzt eine Impfung zu erhalten. Doch da seien aktuell noch die 70- und 80-Jährigen an der Reihe. Das Impfangebot auf der Hochstätt findet sie in Ordnung. „Ich lasse mich hier auf jeden Fall impfen.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Impfaktion der Stadt Mannheim auf der Hochstätt sinnvoll