Mannheim. Am Tag nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses werden erste Konturen deutlich, wer im neuen Gemeinderat mit wem zusammenarbeiten möchte - und wer nicht. Am Mittwochnachmittag etwa zeichnet sich ab, dass die LI.PAR.Tie-Fraktion aus Linkspartei, Satire-Partei und Tierschutzpartei wohl nicht fortgesetzt werden wird.
„Wir streben eine neue Fraktion bestehend aus Linken, Tierschutzpartei und Klimaliste an“, erklärt etwa Andreas Parmentier von der Tierschutzpartei dieser Redaktion. Auch Jessica Martin von der Klimaliste sagt, dass man sich auf diese Fraktion verständigt habe. Bereits am Dienstag hatte Linken-Spitzenkandidat Dennis Ulas - er führt die LI.PAR.Tie-Fraktion - erklärt, seine Partei wolle „auf jeden Fall“ weiter mit der Tierschutzpartei zusammenarbeiten. Darüber hinaus bezeichnete er auch am Mittwoch eine Kooperation mit der Klimaliste als sehr wahrscheinlich.
Bereits im Wahlkampf waren Linke, Tierschutzpartei und Klimaliste, die erstmals den Einzug in den Gemeinderat geschafft hat, mehrfach gemeinsam aufgetreten. Im neuen Rat kommen die drei auf insgesamt vier Sitze, zwei davon stellen mit Ulas und Nalan Erol die Linken.
Bislang haben Linke und Tierschutzpartei mit der PARTEI die LI.PAR.Tie gebildet. Ob die Satire-Partei auch der wahrscheinlich neuen Fraktion angehören, ist am Mittwochnachmittag unwahrscheinlich. Thomas Bischoff, der künftig für die Satiriker im Gemeinderat sitzt, erklärt, dass er „sich flexibel wie ein politisches Chamäleon verhalten“ wolle. Man könne auch ohne feste Gruppe gemeinsam viel bewegen. „Ich bin eher der Typ für die politische Affäre statt für die Langzeitbeziehung“, sagt Bischoff, der eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschloss. Ulas kündigte für den Abend Gespräche mit der PARTEI an.
Mannheimer Kommunalwahl: Die Wähler haben die Listen teils kräftig durchgewirbelt
Geändert wurde schon vor der Wahl die Mindestgröße für eine Fraktion: Bislang waren vier Mitglieder erforderlich, künftig genügen drei. Klar ist gleichwohl bereits, dass im neuen Gemeinderat mindestens ein Einzelstadtrat sitzen wird: Julien Ferrat, dessen neues Bündnis „Die Mannheimer“ ein Mandat geholt hat. Er sagt auf Anfrage, im fehle „die Fantasie dafür“, welcher Fraktion er sich anschließen könne. Sowohl programmatisch als auch politisch-kulturell sehe er mit keiner ausreichende Schnittmengen. Schon von 2014 bis 2019 war Ferrat Einzelstadtrat und sorgte für viel Aufsehen. Nun erneuert er seine Ankündigung von vor der Wahl: „Langweilig wird es mit mir nicht werden.“
Unterdessen könnte es schon bald den ersten Nachrücker geben: Bei Egon Jüttner, der diesmal für Mittelstand für Mannheim (MfM) gewählt wurde, ist aus gesundheitlichen Gründen unklar, ob der bisherige CDU-Stadtrat das Mandat annimmt. Wolfgang Taubert sagt, er habe Jüttners Familie bislang noch nicht erreichen können. Sollte er Jüttners Sitz bekommen, wolle er wie zuletzt wieder gemeinsam mit der FDP eine Fraktion bilden.
Auf der MfM-Liste hatte Jüttner rund 7600 Stimmen geholt. Er kandidierte auf Listenplatz vier, schob sich durch sein Ergebnis allerdings auf Platz eins - und verdrängte damit MfM-Gründer Taubert.
Überhaupt wirbelten die Wählerinnen und Wähler durch das Kumulieren und Panaschieren so manche Liste gehörig durcheinander. Zum Beispiel beim Wahlsieger CDU: Dort bekam Martina Herrdegen mit rund 53 200 Stimmen so viele wie über alle Parteilisten hinweg kein anderer Bewerber - und überholte damit auch Spitzenkandidat Claudius Kranz. Der CDU-Kreisvorsitzende Christian Hötting dagegen ist von Position drei auf Platz acht zurückgefallen.
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Neueinsteigerin Sengül Engelhorn startete von Platz fünf und landete nach der Wahl auf Position drei mit rund 39 600 Stimmen. Einen gewaltigen Sprung machte auch Jürgen Dörr, der vor seinem Ruhestand Teil der Führungsriege im Mannheimer Polizeipräsidium war sowie Vater der früheren CDU-Kreisvorsitzenden und Stadträtin Katharina Funck ist. Dörr bekam von seiner Partei Listenplatz 21, holte aber für die neuntmeisten Stimmen (rund 32 700). Von Platz 14 auf Platz zehn arbeitete sich der Neckarauer HNO-Arzt Jürgen Reis vor. Auch er schaffte es in den neuen Gemeinderat, der erstmals am 23. Juli zusammentritt.
Bei den Grünen gab es indes keine größeren Verschiebungen. Erwähnenswert ist, dass sich die Rheinauerin Alice van Scoter auf Platz acht hocharbeitete und es ebenfalls in den Rat schaffte. Ihr ursprünglicher Listenplatz elf hätte dafür nicht gereicht.
Kräftig durchgewirbelt wurde die Liste der SPD. Nazan Kapan, Geschäftsführerin des Frauenhauses, holte rund 37 500 Stimmen und stieg damit von Platz zehn auf Position drei auf. Die Jusos Annalena Wirth und Kai-Uwe Herrenkind dagegen, die auf den Plätzen vier und sieben kandidierten, rutschten kräftig ab und schafften es nicht in den Rat.
Samantha Höß springt bei der SPD von Platz 48 auf acht
Für den spektakulärsten Sprung über alle Listen hinweg sorgte Polizeihauptmeisterin Samantha Höß vom Waldhof. Die Sozialdemokratin trat auf Listenplatz 48 an, landete am Ende mit rund 28 900 Stimmen auf Position acht und schaffte es damit in das Gremium. Bitterer Beigeschmack in der Familie: Ihr Vater Stefan Höß rutschte von Listenplatz neun auf Position elf und gehört dem künftigen Gemeinderat nicht mehr an. Ebenfalls einen großen Sprung machte der SPD-Kreisvorsitzende Stefan Fulst-Blei, der auf Platz 47 kandidierte, auf neun vorrückte und es damit knapp noch schaffte.
Auf der AfD-Liste gab es ebenfalls Bewegung. Die meisten Stimmen bekam dort Fraktionschef Jörg Finkler mit knapp 32 650. Der Rheinauer war ursprünglich auf Position vier. Auch der amtierende Stadtrat Ulrich Lehnert arbeitete sich von Platz sieben auf zwei vor. Der frühere Stabsfeldwebel Markus Riegler aus Käfertal hätte es mit seinem ursprünglichen neunten Platz eigentlich nicht in den Gemeinderat geschafft. Ihn beförderten die Wähler allerdings auf Platz fünf, was reichte.
Nach der Kommunalwahl 2019 sind übrigens 15 Menschen nach und nach in den Gemeinderat nachgerückt, mehr als doppelt so viele als je zuvor. Daher lohnt sich schon jetzt ein Blick auf die Aspiranten bei allen, die mehr als ein Mandat haben: für die CDU käme als Erstes Michael Grötsch zum Zuge, für die Grünen Wanja Pasdzierny, für die SPD Annalena Wirth, für die AfD Edgar Baumeister, für die ML Christiane Fuchs, für die FDP Nicole Roeseler und für die Linke Isabell Belser.
Der Blick auf die Ergebnisse der Wahl in den 17 Stadtbezirken zeigt, dass die CDU in den neun Bezirken Sandhofen, Seckenheim, Neuostheim/Neuhermsheim, Friedrichsfeld, Käfertal, Wallstadt, Feudenheim, Neckarau und Rheinau stärkste politische Kraft geworden ist. In den fünf Bezirken Innenstadt, Neckarstadt-Ost und -West, Schwetzingerstadt/Oststadt und Lindenhof führen die Grünen, auf der Schönau und der Vogelstang die AfD und auf dem Waldhof die SPD.
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