Hygiene-Prozess - Landgericht leuchtet Verantwortlichkeiten aus / Pensionierter Abteilungsleiter: Fliege wäre beim Sterilisieren zerfallen

Hygiene Skandal am Uniklinikum Mannheim: Zeugen mit Erinnerungslücken

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Waltraud Kirsch-Mayer
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Die Dritte Strafkammer am Landgericht Mannheim mit dem Vorsitzenden Richter Ulrich Bunk (M.) verhandelt den Hygiene-Prozess gegen den Ex-Klinikum-Geschäftsführer Alfred Dänzer. (Archiv) © Michael Ruffler

„Das ist einfach zu lange her“, „daran kann ich nicht mehr erinnern“, „Details habe ich dazu nicht mehr parat“ – Formulierungen wie diese tauchen immer wieder auf, als im Hygiene-Prozess gegen den Ex-Klinikum-Geschäftsführer Alfred Dänzer die ersten Zeugen gehört werden. Am Mannheimer Landgericht befragt die dritte Strafkammer drei ehemalige Führungskräfte, die ursprünglich als Beschuldigte galten – allerdings sind diese Verfahren eingestellt worden.

Ziemlich verwundert zeigt sich der Vorsitzende Richter Ulrich Bunk, dass die Zeugen Geschehnisse zwischen 2007, als das Regierungspräsidium Karlsruhe erstmals Mängel bei der Aufbereitung von OP-Instrumentarium massiv kritisierte, und dem Schließen der Sterilisation im Herbst 2014 ganz anders im Gerichtssaal schildern als in ihren von Anwälten formulierten Stellungnahmen zu Beginn der Ermittlungen. Zunächst sagt der inzwischen pensionierte Leiter der Sterilgutaufbereitung aus, der bereits 1978 als Krankenpfleger zum Klinikum kam. Mit einem „Burnout“ sei er in die Rente gegangen, erzählt der 67-Jährige. Nach seinen Ausführungen litt die Steri-Abteilung „chronisch“ unter Personalproblemen.

TÜV-Konzept abgelehnt

Er berichtet von einem Konzept, das er zur Validierung der Geräte im Sinne eines regelmäßigen TÜVs erarbeitet habe. Dieses sei jedoch vom übergeordneten Geschäftsbereich aufgrund der Kosten abgelehnt worden. Auf die Frage des Gerichtes, ob er Probleme bei der Steril-Aufbereitung Geschäftsführer Alfred Dänzer vorgetragen habe, erklärt der Zeuge: „Nein nie, dafür gab es direkte Vorgesetzte.“

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Zur Sprache kommt auch jene Fliege, die deutschlandweit Schlagzeilen machte, weil sie an aufbereitetem OP-Besteck gehaftet haben soll. Ein solches Insekt, so der Zeuge, wäre beim Sterilisieren komplett zerfallen und überhaupt nicht sichtbar gewesen. Und wenn tatsächlich mal ein Blutrest bei einem desinfizierten Instrument haften geblieben wäre, „dann ist so etwas ein optisches Problem“ – denn Keime gebe es nach einem Steri-Vorgang nicht mehr.

Wer war für was verantwortlich? Darum kreist die Befragung des inzwischen 70-jährigen Architekten, der im Klinikum ab 1996 für Großbauten, für alle medizinischen Geräte – rund 20 000 an der Zahl – und technische Dienstleistungen zuständig war. Eine zentrale Rolle spielt die schriftliche Dienstanweisung der Geschäftsführung, in der die Wartung und regelmäßig dokumentierte Kontrolle von dezentralen Reinigungs-und Desinfektionsgeräten dem Technikbereich übertragen wurde. In der Praxis sei diese Aufgabe den Nutzern der Geräte beziehungsweise den Beauftragten für Medizingeräte übertragen worden, die von den verschiedenen (chirurgischen) Kliniken oder auch Instituten benannt wurden, führt der Zeuge aus. In seiner ersten anwaltlichen Stellungnahme habe er noch ein „Kompetenzgerangel“ beklagt, wirft die Kammer ein. Der Vorsitzende Richter Bunk: „Man bekommt das Gefühl, dass jeder beim anderen die Verantwortung gesehen hat.“

Der einstige Personal-und Logistikchef, der erst Mitte 2007 ans Klinikum gekommen ist, gibt an, dass an ihn erst 2014 Qualitätsprobleme rund um die Sterilaufbereitung herangetragen worden seien. Da die Abteilung mit einem Millionenaufwand umgebaut und neu ausgestattet worden ist, habe er angenommen, dass damit einstige Mängel beseitigt worden seien. Von einer „rigiden Kostenschraube“ seitens der Geschäftsführung, die der heute 63-Jährige in seiner anwaltlichen Einlassung geschildert hatte, ist nicht mehr die Rede.

Nach den drei Zeugen meldet sich Alfred Dänzer zu Wort, dem Verstöße gegen das Medizinproduktegesetz zur Last gelegt werden. Der Ex-Manager geht auf den Vorwurf ein, 18 von 33 Mitarbeitern der Sterilisation hätten keinen Standardlehrgang für Fachkunde absolviert. Dänzer verweist darauf, dass früher vom Regierungspräsidium als Ersatzqualifikation akzeptiert worden sei, wenn ehemalige Pflegekräfte oder Arzthelferinnen jahrelang intern von Vorgesetzten mit dem höchsten Fachkundezertifikat geschult worden sind.

Der Prozess wird am 18. März um 9.30 Uhr in L2,11-13 fortgesetzt.

Freie Autorin

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