Mannheim. Ein Hotel mit Thermalbad und Wellnessbereich vielleicht? Ein „Dive Center“, also ein riesiges Wasserbecken hinter den dicken Betonmauern, als Trainingszentrum für Taucher? Oder ein „Tropenbunker“, als Forschungs- und Erlebniszentrum für tropische Pflanzen, für das man den Betonbau noch mal um sechs Glasgeschosse aufstocken müsste? Das alles könnte aus dem Bunker im Bäckerweg in Käfertal werden. Der in der Gartenstadt wäre für Atelierräume geeignet, der auf dem Waldhof als Brauerei mit Sudbehälter und Braukessel im Innern, während Hopfenpflanzen an einem Holzgerüst den Beton grün umranken.
„Alles exotisch, zugegeben, oft fernab der Realität“, kommentiert Cansu Aslan vom Verein „M O F A - Mannheims Ort für Architektur“ diese Ideen für die künftige Nutzung Mannheimer Bunker. Zu sehen sind sie bis Mitte März in einem leerstehenden Laden der ÖVA-Passage, den der Verein MOFA, gegründet 2020 von jungen Architekten als Plattform für eine zukunftsweisende Auseinandersetzung mit Architektur und Stadt, nutzen darf. „Ganz glücklich“ sei sie, so Cansu Aslan, die den Verein mit Dennis Ewert führt, über diesen prominenten Ort, um solche Ideen zur Diskussion zu stellen.
„Das ist schlafendes Potenzial“
Die Stadt unterstützt das. Tatjana Dürr, Beauftragte für Baukultur der Stadtverwaltung, bescheinigt den jungen Architekten ein „super Engagement“. „Die gehen da mit viel Enthusiasmus ’dran“, so Dürr, und nach einem Beschluss des Gemeinderats im vergangenen Jahr finanziert die Stadt die Initiative auch mit 15 000 Euro. Schließlich unterstütze sie die notwendige Debatte darüber, dass man anstelle von Neubauten auch versuchen wolle, in vorhandene Bauten zu investieren und sie neu zu nutzen.
Im vergangenen Jahr hatte MOFA bereits ein Projekt zur Zukunft der Paul-Gerhardt-Kirche in der Neckarstadt gestartet. Nun nahmen sich die jungen Architekten die Bunker vor. „Das ist schlafendes Potenzial“, so Cansu Aslan. „Ein Großteil steht leer und verkümmert“, bedauert sie, „und viele Bürger laufen sicher täglich daran vorbei und wissen gar nicht, dass da ein Bunker ist“, so die Architektin. Daher habe man „einfach mal Mut und Kreativität freisetzen wollen, um zu Ideen zu kommen, etwas daraus zu machen.“
Dazu gelang es, die Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG Konstanz) zu gewinnen. Die Studenten sollten als Bachelorarbeit Nutzungskonzepte entwerfen, was mit Bunkern machbar wäre. Konkret wurden ihnen vier Hochbunker zur Auswahl gegeben - der im Bäckerweg in Käfertal, der auf dem Waldhof, der in der Gartenstadt und der auf der Schönau, wobei derzeit nur ein Bruchteil der 36 eingereichten Arbeiten ausgestellt wird.
Begegnungsräume schaffen
„Sie durften da ganz frei ’drangehen - ohne Rücksicht auf Kosten und Realisierbarkeit“, erklärt Cansu Aslan, aber es gehe einfach darum, mal ein paar Denkanstöße zu geben und zu zeigen, dass neue Nutzungen machbar wären. Der Verein wolle eine gesellschaftliche Diskussion über die Bunker anregen und erreichen, dass die Bürger beteiligt werden. Wenn Bunker zum Verkauf stünden, sollten nicht einzelne Investoren und Architekturbüros zugreifen, so Aslan, „sondern wir wollen, dass sich viele Planer und Bürger beteiligen“. Letztlich gehe es auch darum, die Bunker als Allgemeingut zu betrachten und „die Chance zu nutzen, da Begegnungsräume für Bürger zu schaffen“.
Die Stadt hat nach Auskunft von Tatjana Dürr für die Nutzung der Bunker derzeit keine konkreten Pläne. Auch Dürr hält viele der Ideen der Studenten „sicherlich für Utopie“. Es seien „sperrige Denkmäler“, aber für die Stadt enorm wichtig. Weil unter Leitung von Oberbaurat Josef Zizler ab 1940 in Mannheim 56 Bunker - in den Stadtteilen meist Hochbunker, in der Innenstadt Tiefbunker - mit Platz für bis zu 130 000 Menschen entstanden, gab es trotz der massiven Bombardements in keiner vergleichbaren Stadt weniger Tote durch Luftangriffe der Alliierten als in der Quadratestadt.
„Es wurden unvergleichlich viele Leben gerettet, aber beim Bau auch Zwangsarbeiter eingesetzt“, so weiß Tatjana Dürr. Schon daher hätten die Bunker eine Bedeutung in der Stadtgeschichte, sie prägten als Monumentalbauten aber auch das Stadtbild und hätten „durchaus architektonische Qualitäten“. Fast alle stehen unter Denkmalschutz, aber ein Abriss verbietet sich nach Ansicht von Dürr nicht nur deshalb - er sei auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit abzulehnen. Schon freue sie sich über alle Ideen zu einer Nutzung. „Wir bleiben ’dran“!
Ein Bunker ist bewohnt
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele Bunker als Wohnraum, auch als Hotel (Paradeplatz und Schloss), Studentenwohnheim (Goetheplatz) oder Geschäfte (etwa im Meßplatzbunker für Lebensmittel und Damenkonfektion) genutzt worden. In vier Betonkolossen gab es eine Pilzzucht. Im „Kalten Krieg“ wurden sie ab 1957 aufgerüstet. Bis in die 1990er Jahre kamen regelmäßig Ehrenamtliche der Freiwilligen Feuerwehr, spülten Leitungen durch, prüften Filter. Zudem wurde Diesel für Stromaggregate eingelagert, zeitweise sogar Lebensmittel- und Trinkwasservorräte.
Doch das ist vorbei. Der Bund übernimmt nur noch Kosten zur Verkehrssicherung und für Strom/Wasser, solange die offizielle „Zivilschutzbindung“ besteht. Die soll aber nach und nach aufgehoben, die Bunker abgegeben werden.
Einige Bunker dienen bereits Vereinen als Lager, kommerziell genutzt wird zumindest kaum einer der bisher städtischen Bunker, aber bereits Bunker der Bahn. In Sandhofen und Schönau sind Heimatmuseen untergebracht, der Theaterbunker dient als Requisitenlager. Im Betonkoloss am Luisenring ist das Rechenzentrum der Stadt eingezogen. Ein Bunker ist bewohnt: Der am Ortseingang Feudenheim wurde um eine penthouse-artige Wohnung auf dem Dach ergänzt. Entsprechende Pläne gab es auch für andere Bunker, realisiert wurden sie nie.
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