Mannheim. Die Heizperiode ist vorbei, aber die Debatte geht weiter: Zwar sind „Heizungsgesetz“ und kommunale Wärmeplanung inzwischen beschlossen, viele Mannheimerinnen und Mannheimer fragen sich aber weiterhin, was das nun für sie bedeutet. Wir haben das gemeinsam mit der Klimaschutzagentur erörtert.
Grundsätzliches
Man kann es nicht oft genug sagen, darum gleich zu Beginn: Praktisch niemand muss eine funktionierende Heizung austauschen. Auch defekte Anlagen dürfen repariert werden. Die neuen Bestimmungen des „Heizungsgesetzes“ gelten nur, wenn eine neue Anlage installiert wird.
Mindestens ebenso wichtig ist für Philipp Meister, Energieberater bei der Klimaschutzagentur, der Hinweis: „Die Gebäudehülle ist der Schlüssel.“ Denn je besser ein Haus gedämmt ist, desto weniger Heizenergie wird überhaupt benötigt. Darum rät er dazu, sich nicht nur mit dem Heizungssystem zu beschäftigen, sondern vorab mit der Frage, wie und wo sich Energie sparen lässt: „Der Idealfall ist, dass erst Dach, Fassade und Keller gedämmt und die Fenster ausgetauscht werden und dann der Heizungswechsel erfolgt.“
Der Stichtag
Prinzipiell dürfen in Mannheim – nach einer verpflichtenden Beratung – bis 30. Juni 2026 weiterhin Öl- und Gasheizungen eingebaut werden. Erst danach greift die Vorschrift, dass mindestens 65 Prozent der Heizenergie aus erneuerbaren Quellen stammen muss. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen: Wenn eine Heizung kaputt geht, haben die Gebäudebesitzer eine Übergangsfrist von fünf Jahren, bis die Regelung erfüllt werden muss.
Mehr Infos
- Der Verfügbarkeitscheck zeigt an, wer Fernwärme bekommen kann: www.mvv.de
- Die Klimaschutzagentur gibt Tipps unter www.klima-ma.de und Tel. 0621/862 484 10
- Energieeffizienz-Experten findet sich unter www.energie-effizienz-experten.de
In dieser Zeit können sie sich also mit einer gebrauchten oder gemieteten fossilen Anlage auf den Austausch vorbereiten. Entsprechende Angebote kommen Meister zufolge zunehmend auf den Markt. Wer bereits einen Vertrag über einen Fernwärmeanschluss unterschrieben hat, hat sogar eine Übergangsfrist von zehn Jahren. Und in absoluten Ausnahmefällen, sagt Meister, können sich Gebäudebesitzer beim Bauamt sogar von den Verpflichtungen des „Heizungsgesetzes“ befreien lassen.
Öl- und Gasheizungen
Der Einbau einer fossilen Heizung ist vorerst also weiterhin möglich. Allerdings gibt es dabei zwei Dinge zu bedenken: Alle Fachleute rechnen damit, dass die Kosten für die CO2-Zertifikate ab 2027 deutlich steigen werden – und damit auch die Kosten für fossile Heizungen. Außerdem muss auch in solchen Anlagen künftig ein zunehmender Anteil an Bio-Öl oder -Gas verbrannt werden – dessen Kosten schwer zu kalkulieren sind. Darum sagt Meister: „Es gibt relativ viele Unsicherheiten und Risikofaktoren, die mit solch einer Entscheidung einhergehen.“
Wer bereits Fernwärme hat
Der ist fein raus: Denn er oder sie muss sich um gar nichts kümmern. Die MVV will die Fernwärme bis 2030 komplett aus Quellen erzeugen, die als klimaneutral eingestuft sind. Doch selbst wenn das nicht gelingen sollte, wäre das nicht das Problem der Gebäudebesitzer: Das „Heizungsgesetz“ geht pauschal davon aus, dass alle Fernwärmebezieher dessen Forderungen erfüllen.
Wer keine Fernwärme bekommt
Diese Hausbesitzer müssen sich, wenn in ihrer Nähe nicht ein Nahwärmenetz geplant wird, um eine dezentrale Lösung kümmern. Und das heißt in der Regel: eine Wärmepumpe, eine Pelletheizung oder eine Kombinationslösung, also etwa eine Wärmepumpe, die durch eine Gastherme ergänzt wird. Theoretisch sind auch solarthermische Anlagen vorstellbar, allerdings erreichen diese als alleinige Ergänzung Meister zufolge meistens nicht den nötigen 65 Prozent Anteil. Auch von Pelletheizungen rät Marianne Crevon, Prokuristin der Klimaschutzagentur, ab: „Wegen des Feinstaubs, und weil man immer fragen muss, wie nachhaltig Holz als Brennstoff wirklich ist.“ Meisters Fazit lautet: „Es gibt nicht die goldene Lösung.“ Er sagt aber auch: „Stand heute überwiegen die Vorteile der Wärmepumpe.“
Vor einem Heizungstausch rät er dazu, einen Fachmann untersuchen zu lassen, wie viel Heizleistung in jedem einzelnen Raum überhaupt benötigt wird. „So vermeide ich, dass zu kleine oder zu große Wärmeerzeuger eingebaut werden“, erklärt er, „und kann die Heizwärmeverteilung optimieren.“ Diese Ermittlung der „raumweisen Heizlast“ werde von zahlreichen Fachfirmen sowie den Experten der Energieeffizienzliste (www.energie-effizienz-experten.de) durchgeführt.
Fernwärme vorhanden
Wer im Verfügbarkeitscheck der MVV (www.mvv.de) seine Adresse eingibt und die Anzeige „Fernwärme möglich“ bekommt, hat die freie Wahl: Denn das bedeutet, dass dort bereits Fernwärmeleitungen liegen. Die Besitzer können also ihr Haus entweder an das Netz anschließen lassen oder sich für eine alternative Methode entscheiden. Was am sinnvollsten und günstigsten ist, hängt vom Baujahr und Zustand des Gebäudes ab, sagt Meister: „Das sind immer Einzelfallbetrachtungen.“ Fernwärme habe die Vorteile, dass die einmaligen Investitionskosten (für ein Einfamilienhaus beispielsweise ungefähr 25 000 Euro) niedriger und die zu erwartende Lebensdauer der Übergabestation mit etwa 35 Jahren länger seien. Eine Wärmepumpe koste dagegen aktuell zwischen 30 000 und 40 000 Euro und müsse, ähnlich wie eine Öl- oder Gasheizung, nach ungefähr 20 Jahren ausgetauscht werden.
Dafür seien, wenn sie gut eingestellt ist, die Betriebskosten geringer. Darum sagt Prokuristin Crevon: „Auf die gesamte Lebensdauer betrachtet sind alleine durch die Bundesförderung die Kosten für eine Wärmepumpe recht ähnlich wie bei einem Fernwärmeanschluss.“ Beim aktuellen Zustand der meisten Häuser in Mannheim glaubt Energieberater Meister, dass für den Großteil der größeren Gebäude „ein Fernwärmeanschluss häufig sinnvoller ist“. Eine Besonderheit gilt es in diesem Fall allerdings zu beachten: Sollte der Gemeinderat beschließen, in Mannheim sogenannte Wärmenetzgebiete auszuweisen, dürften in diesen adressgenau definierten Bereichen bereits ab diesem Zeitpunkt – also noch vor dem 30. Juni 2026 – keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden. Die genannten Übergangsfristen bei Havarien gelten aber auch dann.
Fernwärme kommt – vielleicht
Und was sollen diejenigen machen, die vom MVV-Verfügbarkeitscheck gesagt bekommen: „Fernwärme unter Voraussetzung möglich“? Die also in jenen 6000 Gebäuden in der Stadt leben, die irgendwann in den nächsten zehn Jahren durch das Verlegen von neuen Transport- und Verteilleitungen an das Netz angeschlossen werden sollen – allerdings nur, wenn die Nachfrage groß genug ist? „Gute Frage“, sagt Meister.
Eine pauschale Antwort gebe es nicht. Es komme auf den Einzelfall an. Genauer gesagt: auf die Zeitspanne zwischen dem erwarteten oder realen Komplettausfall der Anlage und dem geplanten Fernwärmeanschluss. „Wenn klar ist: Meine Heizung steigt in zwei, drei Jahren aus, und die Fernwärme kommt erst in 15 Jahren, muss ich mich um eine individuelle Lösung kümmern“, sagt Meister. Und das könne bedeuten: eine Wärmepumpe oder Kombilösung einbauen, weil die Kosten für ein Mietgerät zu hoch würden.
Staatliche Förderungen
Dieser ganze klimafreundliche Umbau des Wärmesektors wird vom Staat massiv bezuschusst: So können all jene, die sich ans Fernwärmenetz anschließen oder eine Wärmepumpe einbauen lassen, eine Basisförderung von 30 Prozent der förderfähigen Kosten erhalten. Wer sein Haus selbst bewohnt, kann zusätzlich zwei Boni bekommen: weitere 30 Prozent Förderung, wenn das Haushaltseinkommen pro Jahr unter 40 000 Euro liegt; und weitere 20 Prozent, wenn bis Ende 2028 eine betriebsbereite fossile Heizung ausgetauscht wird. Wird eine Wärmepumpe, die Erdwärme oder ein klimafreundliches Kältemittel nutzt, installiert, kommen fünf Prozent Zuschuss obendrauf. Allerdings zahlt der Staat nie mehr als 70 Prozent oder 21 000 Euro pro Wohneinheit.
In Mannheim unterstützt die Stadt zusätzlich den Heizungswechsel. Unter anderem wird in Gebieten ohne Fernwärme der Einbau einer Wärmepumpe in Ein- oder Zweifamilienhäusern mit 25 Euro pro Quadratmeter unterstützt – bis maximal 4000 Euro. Wo „Fernwärme unter Voraussetzung möglich“ ist, übernimmt die Kommune zehn Prozent der Anschlusskosten, bis höchstens 3000 Euro. Daneben gibt es noch weitere Förderungen und Boni.
Der Rat des Experten
Und was heißt das alles nun? „Ich bin kein Fan von Schnellschüssen“, sagt Meister. Er rät: „Wenn ich mir Zeit nehmen kann, empfehle ich: Nehmen Sie sich die Zeit und bereiten Sie Ihre Heizungsmodernisierung unter Berücksichtigung der entsprechenden Fördermöglichkeiten in Ruhe vor. Schmeißen Sie Ihre Heizung nicht vorschnell raus.“ Denn er rechnet damit, dass etwa Wärmepumpen immer besser werden. „Und wenn eine Havarie eintreten sollte, läuft es wahrscheinlich auf eine Übergangsanlage hinaus.“
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