Mannheim. „Das ist ein sehr merkwürdiger Text“, antwortet die ukrainisch-stämmige Übersetzerin auf die Bitte, zwei auf Ukrainisch geschriebene Mails ins Deutsche zu übertragen. „Jemand möchte sich Geld mit den Sorgen der Leute verdienen.“
In der Tat liest sich das, was in den auf Anfang November datierten Mails steht, nicht so, wie man es von einem Schriftverkehr zwischen dem Mitarbeiter der Ausländerbehörde und einem Antragssteller vermuten würde. Es gebe eine Möglichkeit, den nach einer kurzzeitigen Ausreise aus Deutschland „verlorenen Status“ wiederzuerlangen, schreibt ein Mitarbeiter einer Ukrainerin, die zusammen mit ihren beiden minderjährigen Kindern zunächst nach Mannheim geflüchtet war. Nach Informationen dieser Redaktion soll die Ukrainerin zuvor zu einem Gespräch in der Behörde gewesen sein. Bei dem Schriftverkehr geht es demzufolge um Paragraf 24, der den Aufenthaltsstatus regelt.
Stadt Mannheim erstattet Anzeige
„Es ist sehr riskant für mich - wenn Sie bereit sind, mir ein Angebot zu machen, dann bin ich bereit, es zu prüfen“, heißt es in der Mail, die dieser Redaktion vorliegt, auf Ukrainisch weiter. „Ich warte auf Ihre Angebote bis heute Abend. Danach wird diese Adresse nicht mehr vorhanden sein.“
In einer zweiten Mail ist außerdem davon die Rede, dass die Ukrainerin „Schulden über die Kryptowährung Monero“ begleichen solle. „Ich warte auf Vorschläge für den Betrag für die ganze Familie.“
Monero wurde 2014 mit dem Ziel eingeführt, eine hohe Sicherheit und Anonymität der Nutzerinnen und Nutzer zu gewährleisten. Transaktionen, glaubt man mehreren Internetportalen, könnten so weniger nachvollziehbar gestaltet werden als bei anderen Kryptowährungen, beispielsweise dem bekannten Bitcoin. Der Kurs der Monero-Währung lag am Donnerstagabend bei ungefähr 135 Euro.
Gibt es in der Ausländerbehörde der Stadt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Leistungen für Geflüchtete nur gegen Zahlungen bewilligen? Die Stadt bestätigt am Montag auf Anfrage hin Informationen, wonach die Verwaltung Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet habe. „Nach Bekanntgabe von Vorwürfen in einem Fall haben die Bürgerdienste unverzüglich das Verfahren zur Aufklärung des Sachverhalts, in enger Abstimmung mit dem Personalamt und dem Rechtsamt, eingeleitet“, teilt ein Sprecher mit. „Zu weiteren inhaltlichen Fragen können wir aufgrund des laufenden Verfahrens keine Auskünfte geben“, heißt es am Montag weiter.
Verwaltung verweist auf Einzelfall
Auch eine Anfrage bei der Staatsanwaltschaft bleibt inhaltlich ergebnislos. Die Behörde könne am Donnerstag keine Strafanzeige bestätigen, heißt es. Die Verwaltung präzisiert hingegen, am Montag Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt zu haben. Man unterstütze die Staatsanwaltschaft in vollem Umfang. „Es handelt sich um einen Einzelfall.“
Nach Informationen dieser Redaktion soll der Mitarbeiter eines Personaldienstleisters die Mails verfasst haben. Die Ukrainerin sei auf das zweifelhafte Angebot nicht eingegangen und habe kein Geld überwiesen. Zwischen der Ausländerbehörde und der ukrainischen Familie soll es nach dem Vorfall noch zu keinem offiziellen Gespräch gekommen sein.
Die Verwaltung bestätigt diese Informationen am Donnerstag indes nicht. Auch die Frage, ob man sich in der Angelegenheit von einem Mitarbeiter getrennt habe, lässt der Sprecher inhaltlich unbeantwortet. „Aus Sicht der Stadt gibt es bisher keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Anschuldigungen gegen bestimmte Mitarbeitende zutreffen“, teilt er mit. Es sei für die Stadt „von hoher Bedeutung“, dass die Vorwürfe „abschließend“ geklärt würden. Solange das nicht geschehen sei, könnten „keine weiteren Aussagen“ getroffen werden.
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