Nahostkonflikt

Haifa als Beispiel für Toleranz: Wie Juden und Muslime zusammenleben

Der Krieg im Nahen Osten stellt Freundschaften auf die Probe. Doch in einer Nachbarschaft in Mannheims Partnerstadt Haifa halten Juden, Christen und Muslime zusammen. Auch - oder gerade - in düsteren Zeiten wie diesen

Von 
Stefanie Ball
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Menschen aus Haifa setzen an einem Abend im dortigen Leo Baeck Zentrum ein Zeichen für den Frieden. © Leo Baeck Zentrum

Fauzia Faisal lebt in Haifa, Mannheims Partnerstadt im Norden Israels. Als am 7. Oktober Terroristen der radikal-islamistischen Hamas nach Israel einfielen und an nur einem Tag mehr als 1300 Juden töteten, begann auch für die arabische Muslimin eine neue Zeitrechnung. Seit vielen Jahren ist Fauzia Bewohnerin von Ein Hayam Wadi Jamal, einem Stadtteil von Haifa, in dem 3500 Juden, darunter auch eine orthodoxe Gemeinschaft, Araber und Christen zusammenleben.

„Die Ereignisse haben unser Gemeinschaftsgefühl nur vergrößert“, sagt sie. Viele Familien seien sofort zusammengekommen und hätten Lebensmittelpakete für die Bewohner im Süden des Landes, dort, wo die Terrorgruppe gewütet hat, gepackt. Fauzia lässt sich nicht beirren, sie sagt, ihr Stadtviertel sei die Perle von Haifa. „Menschen aus der ganzen Welt kommen zu uns, um zu sehen, wie wir in Frieden zusammenleben.“ Wie andere in der Nachbarschaft ist sie stolz darauf, dass das Nebeneinander und Miteinander funktionieren. Dass sie ein Vorbild sind. Fauzia hat mehrere Kinder und Enkelkinder, für diese ist es keine Frage, dass Juden, Christen und Araber friedlich in Gemeinschaft leben können.

Zusammenleben mit langer Tradition

In Haifa ist jeder siebte der 290 000 Einwohner Araber. „Das Zusammenleben von Juden und Arabern hat hier eine lange Tradition und geht noch vor die Zeit der Gründung des Staates Israel 1948 zurück“, sagt Hani Elfar, Direktor am Leo Baeck Bildungszentrum in Haifa. Die Einrichtung betreibt einen Kindergarten und Schulen, daneben wird in außerschulischen Programmen das wechselseitige Verständnis zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Glaubens gefördert.

Kulturzentrum zum nachbarschaftlichen Austausch

Eines der Projekte ist das „Clore Shared Existence Center“, ein Kulturzentrum in Ein Hayam Wadi Jamal, in dem sich die Bewohner zu Gesprächen und Aktivitäten treffen können. „Die Menschen leben Tür an Tür, sie kaufen in denselben Läden ein, bewirtschaften gemeinsam einen Garten“, erzählt Hani Elfar. Es werde alles geteilt. „Auch Glück und Trauer.“

In diesen Tagen ist die Trauer um Tote und Verletzte groß, die Verbrechen der Hamas an jüdischen Frauen und Kindern, der Hass und die Brutalität haben alle schockiert. „Jeder verurteilt die barbarischen Aktionen der Hamas“, sagt Hani Elfar. Der Zusammenhalt in dem Stadtviertel sei groß, jetzt mehr denn je. Es habe in der Vergangenheit immer wieder Terroranschläge gegeben, und jedes Mal seien die Bewohner von Ein Hayam Wadi Jamal gestärkt aus den Ereignissen hervorgegangen. „Sie sehen sofort das Licht, das in ihrer Kooperation mit den Nachbarn liegt.“

Frühstück im Gemeinschaftsgarten

Eva Salama ist im Gemeinschaftsgarten der Nachbarschaft aktiv. Die über 60-Jährige ist arabische Christin. Sie erzählt, dass 40 jüdische und arabische Familien in dem Garten Gemüse anbauten und ernteten. Sie selbst sieht sich dabei als Teil einer großen Familie. Samstags werde ein Frühstück ausgerichtet. Jeder könne kommen. „Wir zeigen, wie Menschen in guter Nachbarschaft zusammenleben können“, sagt Eva. Sie leugnet nicht, dass es schwere Zeiten sind, die sie gerade durchmachen. „Aber wir teilen den Schmerz, und wir halten fest zusammen.“

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Wie sie mit dem Dilemma umgehen, dass der Krieg Israels gegen die Hamas auch unschuldige Palästinenser im Gazastreifen trifft? Hani Elfar sagt: „Angesichts der Monstrosität der Taten ist kein Platz für ein Dilemma.“ Die Hamas müsse für immer beseitigt werden. „Trotz des Schmerzes, den es bedeutet, Zivilisten zu töten, die sich an den Orten befinden, an denen die Hamas ist.“

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