Nahost

Wie ein Mannheimer aus Ost-Jerusalem herausgekommen ist

Nach nur sechs Wochen musste Oskar aus Mannheim sein Freiwilliges Friedensjahr in Ost-Jerusalem abbrechen. Die Hoffnung darauf, dass er zurückkehren kann, hat der 18-Jährige noch nicht völlig aufgegeben

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Walter Serif
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Oskar Meier hat sein Freiwilliges Friedensjahr in Ost-Jerusalem noch nicht völlig abgeschrieben. © Privat

Mannheim/Jerusalem. Ganz aufgegeben hat Oskar Meier die Hoffnung noch nicht. Nämlich darauf, dass er sein Freiwilliges ökumenisches Friedensjahr am Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Ost-Jerusalem fortsetzen kann. Denn dieses musste er nach nur sechs Wochen abbrechen. So wie zig andere junge Menschen, die ein solches Freiwilliges Jahr in Israel ableisteten. Seit dem 14. Oktober ist Oskar Meier wieder zu Hause in Mannheim. „Ich würde natürlich gerne wieder zurückkehren und mein Freiwilliges Jahr fortsetzen, vorausgesetzt, die Sicherheitslage erlaubt es“, sagt der 18-Jährige. Er schiebt aber auch gleich die Bemerkung nach, dass Spekulationen dieser Art gegenwärtig müßig seien.

Das Risiko war zu groß

Hängt er jetzt also völlig in der Luft? „Die Evangelische Landeskirche Baden, die der Träger meines Freiwilligen Jahres an dem Institut ist, hat mir am Montag mitgeteilt, dass der Vertrag vorerst weiterläuft. Es wird jetzt geprüft, ob es Einsatzmöglichkeiten in anderen Ländern gibt“, sagt Oskar Meier. Bei all dem macht er einen ruhigen und aufgeräumten Eindruck. Offensichtlich konnte er sich während der Tage seiner Rückkehr wieder sortieren.

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Walter Serif
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Dennoch wäre es ein Wunder, wenn die Erlebnisse spurlos an ihm vorübergehen würden. Der Hamas-Terror hat nicht nur sein Friedensjahr abrupt und fürs Erste beendet. Das Datum 7. Oktober 2023 dürfte sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt haben, auch wenn er – zum Glück! – den Terror am Institut, das auf dem Ölberg in Ost-Jerusalem liegt, nicht hautnah miterlebt hat. Aber Oskar Meier saß auch nicht fern des Geschehens mit seiner Familie zu Hause vor dem TV-Gerät. Die Katastrophenmeldungen über die von der Hamas ermordeten sowie nach Gaza entführten Deutschen müssen auf den jungen Mann eine dramatische Wirkung gehabt haben.

„Als sich die Lage wenige Tage nach dem Terrorakt zuspitzte, war ich froh, dass wir ausreisen konnten“, sagt er. Auch wenn es ein Wechselbad der Gefühle war. „Wir wollten das Land so schnell wie möglich verlassen, gleichzeitig wollten wir aber auch bleiben, es hatte doch alles gerade erst angefangen.“

Doch am Ende war das Risiko einfach zu groß. Dabei hatte der Mannheimer noch am 8. Oktober – also einen Tag nach dem Hamas-Blutbad – geglaubt, dass er auf dem Ölberg bleiben könne. „Solange es keine Anweisung des Auswärtigen Amts gibt, besteht für mich kein Grund, das Land zu verlassen“, sagte er an jenem Sonntag am Telefon. „Das haben alle in unserer Fünfer-Gruppe so gesehen“, erklärt er jetzt. Aber schon am Tag darauf, am 9. Oktober, kippte die Stimmung. „Die Altstadt war leer wie nie. Die Geschäfte waren geschlossen, kein Mensch auf den Straßen, keine Touristen.“ Immer wieder seien Schüsse zu hören gewesen, außerhalb des Institutsgeländes sei es zu Auseinandersetzungen zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern gekommen, Tränengas wurde eingesetzt.

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Am Montagabend kündigte die Landeskirche an, dass die Freiwilligen ausgeflogen werden sollten. „Sicherheitshalber haben wir uns mit Lebensmitteln und Getränken eingedeckt, es war ja nicht klar, wann es losgehen würde“, sagt Oskar Meier. Am Dienstag kam dann eine Mail vom Auswärtigen Amt an alle Deutschen, die sich auf der Krisenvorsorgeliste hatten registrieren lassen. Darin hieß es, dass am Mittwochmorgen Busse die Ausreisewilligen zum Flughafen nach Amman (Jordanien) bringen würden.

„Die Landeskirche hat uns geraten, wir sollten diese Chance nutzen“, sagt Oskar Meier. Nun musste alles zackzack gehen. Ein Kurzvisum für die Einreise nach Jordanien online beantragen, Sachen packen, was zurückblieb, verstauen, sich von denjenigen verabschieden, die auf dem Ölberg blieben.

Berichte, dass bei der Rückkehraktion Chaos geherrscht habe, kann Oskar Meier nicht bestätigen. „Das war nach meiner Wahrnehmung gut organisiert. Außerdem war es ja auch eine Notsituation.“ Treffpunkt war die Deutsche Botschaft in Tel Aviv, es gab vier Busse, auf die die Ausreisenden verteilt wurden. „Wir sind dann gut losgekommen, doch weil der am nächsten gelegene Grenzübergang nach Jordanien geschlossen war, hat sich unsere Fahrt verzögert.“ Ein Teil der Deutschen sei noch am selben Tag von Amman nach Deutschland geflogen, Oskar Meier und die anderen Freiwilligen kamen für zwei Nächte im Gästehaus der Theodor-Schneller-Schule unter, einer Bildungseinrichtung, die von einem evangelischen Verein in Deutschland unterstützt wird.

Der Krieg lässt ihn nicht los

Am Freitagmorgen wurde die Gruppe schließlich abgeholt und zum Flughafen gebracht. Um 15 Uhr startete der Flieger Richtung Wien. Weil aber der Luftraum über Israel und dem Libanon gesperrt war, musste das Flugzeug einen Umweg über Ägypten fliegen. „Dadurch hat sich alles verzögert, und wir haben den Anschlussflug nach Frankfurt verpasst.“ Also eine weitere Übernachtung in Wien. Samstagmittag hob die Maschine der Austrian Airlines endlich Richtung Frankfurt ab. „Dort haben mich meine Eltern abgeholt.“

Seit zwei Wochen ist er jetzt wieder zu Hause. Doch der Krieg im Nahen Osten lässt ihn nicht so einfach los. „Es ist einfach traurig, und eine Lösung in diesem Konflikt scheint so schwierig zu sein.“ Oskar Meier hat in seinen sechs Wochen viele Menschen kennengelernt, Juden und Palästinenser. „Mein Frisör war Jude, mein Falafelverkäufer Araber, sie waren alle nett, und ich würde mir sehr wünschen, dass es wieder friedlich wird.“ Und er auf den Ölberg zurück kann.

Die Altstadt war leer wie nie. Die Geschäfte waren geschlossen, kein Mensch auf den Straßen, keine Touristen.
Oskar Meier

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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