Mannheim. Alexander Füßl ballt die Beckerfaust: „Ja, siehste!“ Es ist Dienstagabend gegen 18.30 Uhr. Füßl, einer der Inhaber des Südlandhauses in den Quadraten, spricht gemeinsam mit Antonio Platero Weber und Hans Dieter Wüst mit dem „MM“ - denn die drei Innenstadt-Händler und ihre Interessengemeinschaft waren es, die den Widerspruch gegen den Verkehrsversuch eingereicht haben. In diesem Moment erreicht Füßl via Whatsapp die Nachricht, dass das umstrittene Projekt in der Innenstadt ab 13. März beendet wird. Nicht nur bei ihm löst das sofort Jubel aus.
Ende des Verkehrsversuchs - viele zeigen sich überrascht
Die Ankündigung aus dem Verkehrsdezernat kommt für viele überraschend. Auch für Platero Weber, Geschäftsführer von Lederwaren Weber auf den Planken. Er spricht von einer „Kehrtwende“. Denn auch beim Cityforum, einer Gesprächsrunde der Stadtspitze mit dem Handel am 13. Februar, sei „noch gar keine Rede davon“ gewesen, dass die Sperrungen in Kunststraße und Fressgasse sowie die Fahrradstraße zwischen E 1 und E 2 aufgehoben werden, sagt er.
Vielmehr habe ein städtischer Mitarbeiter über den weiteren Ablauf des Verkehrsversuchs informiert: Datenerhebung, Auswertung und Beratung in den politischen Gremien.
Den Ablauf des Cityforums bestätigt auch Lutz Pauels, Vorsitzender der Werbegemeinschaft. „Dass der Rückbau vorgezogen wird, war kein Thema“, sagt er. Das müsse sich erst kurzfristig ergeben haben. Er selbst sei Anfang dieser Woche darüber informiert worden. „Dass es jetzt so schnell geht - damit hat keiner gerechnet.“
Womöglich ist Antonio Platero Weber derjenige, der das Tempo im Verkehrsdezernat erhöht hat. Denn er ist es, der am 2. Februar über eine Anwaltskanzlei den Widerspruch gegen den Verkehrsversuch eingereicht hat. Allerdings, das ist ihm wichtig zu betonen, sei er nur derjenige, „der jetzt seinen Kopf rausgestreckt“ hat. „Das war nicht nur ich, wir sind viele.“
Er sieht in seinem Widerspruch eine Art Musterklage, hinter der die gesamte Initiative steht, die sich „Gruppe von Gewerbetreibenden zum überparteilichen Dialog mit der Stadt Mannheim bezüglich der Innenstadtentwicklung“ nennt. Die Stadtverwaltung bestätigt auf „MM“-Anfrage am Mittwoch lediglich den Eingang des Widerspruchs. Weitere Angaben macht sie mit Verweis auf das laufende Rechtsverfahren nicht.
„OB-Wahl spielt die Hauptrolle“
Öffentlich ist die Interessengemeinschaft schon einmal im April 2022 - also kurz nach dem Start des Verkehrsversuchs - in Erscheinung getreten. Damals forderten die 103 Gewerbetreibenden in einem Brief an Oberbürgermeister Peter Kurz den sofortigen Abbruch des Versuchs. Mittlerweile hätten sich mehr als 200 Gewerbetreibende angeschlossen, sagen die drei Sprecher Platero Weber, Füßl und Wüst, Inhaber von Juwelier Wenthe in der Fressgasse. Unter den Mitgliedern finden sich Einzelhändler, Kosmetikstudios, Imbisse, Telefonshops, Kanzleien, Arztpraxen und andere.
Als Füßl, Wüst und Platero Weber im Keller von dessen Geschäft in P 6 vom abrupten Ende des Verkehrsversuchs erfahren, ist es noch keine Stunde her, dass es die CDU-Gemeinderatsfraktion in sozialen Medien öffentlich gemacht hat - jubilierend. Verkehrsbürgermeister Ralf Eisenhauer hatte den Umwelt- und Technikausschuss am Dienstagnachmittag in einer nichtöffentlichen Sitzung informiert.
Gerhard Fontagnier, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, übt scharfe Kritik. „Die Oberbürgermeisterwahl hat bei der Entscheidung die Hauptrolle gespielt“, ist er überzeugt. Es sei immer diskutiert worden, die Zukunft des Verkehrsversuchs erst im Mai zu beraten. „Es ist - auch öffentlich - immer gesagt worden, dass vorher nicht abgebrochen wird.“ Es habe deutschlandweit noch keinen Verkehrsversuch ohne Klagen gegeben. „So gesehen sind wir in Mannheim ohne Klage gut weggekommen.“
Gang vor Gericht nicht vorm Tisch
In dem anwaltlich formulierten Widerspruch, der dem „MM“ vorliegt, heißt es unter anderem: Die Sperrungen sind aufzuheben, weil sie gegen geltendes Recht, insbesondere gegen § 45 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung verstoßen.“ Darin wird geregelt, wann die Nutzung einer Straße für den Verkehr beschränkt oder gesperrt werden kann. Platero Weber und seine Mitstreiter sehen die Voraussetzungen dafür nicht gegeben, wie in dem Widerspruch ausgeführt wird. Ähnlich argumentierte auch eine Geschäftsinhaberin in Berlin, die beim dortigen Verwaltungsgericht erfolgreich gegen die Sperrung der Friedrichstraße vorgegangen war.
So läuft der Rückbau
- Am 13. März wird zunächst die Durchfahrtssperrung der Kunststraße in Höhe des Stadthauses wieder aufgehoben.
- Im zweiten und im dritten Schritt werden die Fahrradstraße zwischen E 1 und E 2 rückgängig gemacht sowie Schranke und Fußgängerzone in der Fressgasse abgebaut.
- Die Pflanzkübel mit hochwertigen Metalltöpfen – sie bilden den größten Teil – werden nach Auskunft von Anja Ehrenpreis vom Stadtraumservice auf andere Stellen in der City verteilt. Sie sollen, mit einem Logo versehen, für die Bundesgartenschau werben.
- Der Rückbau kostet 125 000 bis 150 000 Euro.
Den Weg zum Verwaltungsgericht in Karlsruhe droht Platero Weber in dem Schreiben ebenfalls an. Ist der mit dem jetzt angekündigten Ende der Sperrungen ab dem 13. März vom Tisch? „Nein“, sagt er. Denn bislang habe er noch keinen Bescheid auf seinen Widerspruch aus dem Rathaus erhalten. „Der für das Verkehrskonzept zuständige Fachbereich Geoinformation und Stadtplanung sowie der Fachbereich Sicherheit und Ordnung vertreten jedoch die Auffassung, dass die verkehrsbehördlichen Anordnungen rechtmäßig sind“, so die Stadtverwaltung am Mittwoch.
Warum die Grüne "erschüttert" sind
Die Grünen erwägen derweil, den Rückbau mit einem Antrag für den Hauptausschuss kommende Woche zu stoppen. Man könne vor der Evaluierung keine Aussage darüber treffen, ob der Versuch zu etwas geführt habe, so Fontagnier. „Es ist keine demokratische Vorgehensweise, eine solche Entscheidung zu treffen, bevor der Gemeinderat gemeinsam darüber diskutiert“, sagt er. „Die Vorgehensweise, die gewählt worden ist, ist erschütternd.“
Ganz anders ist die Stimmung bei den Gewerbetreibenden am Tag nach der Entscheidung - die sei gut, erzählt Pauels. Auch Platero Weber berichtet von viel Lob, das ihm und der Initiative entgegengebracht wurde: Eine Frau habe vor Freude am Telefon geweint, Anrufer und Besucher in seinem Laden hätten sich erleichtert gezeigt. „Die Entscheidung ist ein Erfolg“, sagt er. Neben der Werbegemeinschaft zeigten sich auch IHK und Handelsverband Nordbaden in einer gemeinsamen Stellungnahme froh über das Ende des Versuchs. (mit seko)
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-gruene-wollen-abbruch-des-mannheimer-verkehrsversuchs-verhindern-_arid,2057050.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/deutschland-welt_artikel,-thema-des-tages-verkehrsversuch-in-mannheim-endet-am-13-maerz-_arid,2056382.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die nächste Schlappe beim Mannheimer Verkehrsversuch