Rhenaniastraße

Große Solidarität nach Autoattacke - mehr als 28 000 Euro an Spenden

Michael Gangnus hat bei der Autoattacke in der Rhenaniastraße im Sommer 2022 fast alles verloren. Mitte März hat er erstmals öffentlich seine Geschichte erzählt. Und kann bis heute nicht glauben, was danach passiert ist

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Agnes Polewka
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Was Michael Gangnus widerfahren ist, hat viele Menschen in der Stadt bewegt. © Agnes Polewka

Mannheim. Michael Gangnus ringt um Worte. Immer wieder schüttelt er den Kopf. „Ich möchte mich von ganzem Herzen bei allen bedanken, die an mich gedacht haben“, sagt er. Und kann immer noch nicht glauben, was in den vergangenen Wochen passiert ist.

Mitte März hat Michael Gangnus mit dieser Redaktion erstmals öffentlich über den 12. Juni 2022 gesprochen. An diesem Tag war er mit dem Rad in der Rhenaniastraße unterwegs. Er wurde von einem Auto gerammt. Absichtlich. Anschließend raste der Fahrer weiter, erfasste die Mannheimer Peter Lobert (78) und Monika Lobert (71). Beide starben. Ein vierter Radfahrer, der 32-jährige Kai Matt, überlebte die Autoattacke leicht verletzt.

In einem bewegenden Gespräch berichtete Gangnus von seinen schweren Verletzungen. Und er sprach über das Leben, das er an diesem Tag verloren hat. Seinen Job als Altenpfleger, in dem er nie mehr arbeiten kann. Seine Wohnung, die nicht barrierefrei war. Die verlorene Lebensfreude, die Zukunftsangst.

Aufbauende Botschaften

Und dann brach eine Welle der Menschlichkeit und des Mitgefühls über Michael Gangnus herein. Nach der Veröffentlichung seiner Geschichte loggten sich unzählige Menschen in ihrem Online-Banking ein oder machten sich auf den Weg zur Bank. Um Michael Gangnus finanziell zu unterstützen. Für Rücklagen zu sorgen, damit er sich bald wieder ein eigenständiges Leben in einer barrierefreien Wohnung aufbauen kann. Mehr als 28 000 Euro haben Frauen und Männer aus der Region nach der Veröffentlichung des Textes dieser Redaktion über Michael Gangnus gespendet. Und ihn damit „überwältigt“.

Für mich war das der richtige Weg, ein wichtiger Schritt, um Sichtbarkeit zu erlangen.
Michael Gangnus über den Schritt an die Öffentlichkeit

„In den Verwendungszweck haben die Menschen viele aufbauende Dinge geschrieben“, sagt der 57-Jährige. „Es geht immer weiter - gib’ nicht auf“ oder „Adler halten zusammen“. Weil Michael Gangnus einer von ihnen ist, bis zum 12. Juni 2022 in die SAP Arena zum Eishockey pilgerte.

Zahlreiche Hilfsangebote

Per Post und in den sozialen Medien machten sie dem 57-Jährigen Mut, zollten ihm Respekt und Anerkennung. „Was für ein wundervoller, starker Mensch“, schrieb eine Userin auf dem Facebook-Account dieser Redaktion. „Du packst das, Michael, kämpfe weiter!“, ein anderer. Leserinnen und Leser haben sich mit Hilfsangeboten gemeldet, einer kostenlosen Rechtsberatung und Links zu Fördertöpfen.

Michael Gangnus und seine Geschichte haben die Menschen in der Stadt berührt. Was er und die anderen Betroffenen erlebt haben, bewegt sie bis heute. Dies lässt sich an vielen Zuschriften ablesen, und an dem, was Menschen tun, um Michael Gangnus zu helfen. „Ich habe mitbekommen, dass meine alte Stamm-Apotheke ein Spendenglas mit meinem Foto aufgestellt hat.“ Michael Gangnus lächelt. All der Aufwand, nur für ihn. „Das ist mir fast ein bisschen peinlich.“

Kosten für Pflegeheim werden übernommen

Hinter den Kulissen hat auch die Stadt Mannheim einige Hebel in Bewegung gesetzt. Eine Ansprechpartnerin beim Sozialamt kümmert sich um Gangnus’ Anliegen, berät, hilft. Und das Sozialamt hat Gangnus die Zusage gemacht, dass er alle Spenden behalten darf, trotz seines Sozialhilfeempfänger-Status. In den kommenden Wochen will sich Oberbürgermeister Peter Kurz mit den beiden Überlebenden der Autoattacke - Michael Gangnus und Kai Matt - und mit Stefanie Bauer treffen, die durch die Tat ihre Eltern verloren hat.

Das Pflegeheim ist im Moment meine sichere Base, bis mein Arm wieder einigermaßen funktionsfähig ist.

Unabhängig von der Berichterstattung über Gangnus bewilligte das Sozialamt die Kostenübernahme für das Pflegeheim, in dem Gangnus wohnt - rund 3000 Euro im Monat.

„Das Pflegeheim ist im Moment meine sichere Base, bis mein Arm wieder einigermaßen funktionsfähig ist“, sagt der 57-Jährige. Bei der Autoattacke wurde er am ganzen Körper verletzt. Außer seinem Schädel und der Halswirbelsäule gab es keinen Körperteil, der unversehrt geblieben war. Sein linker Unterschenkel musste amputiert werden, seinen rechten Arm kann er bis heute kaum bewegen.

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Deshalb wird er in den kommenden Monaten zum 13. Mal operiert. Er hofft, nach OP und Reha endlich wieder in ein selbstbestimmtes Leben zurückzukehren. In eine eigene Wohnung. Bis es so weit ist, hat er in der Avendi-Seniorenresidenz im Lanzcarré einen Platz, an dem er sich sicher fühlt. Und auch geborgen. „Die Pflegerinnen und Pfleger hier geben sich sehr viel Mühe mit mir“, sagt er und lächelt wieder. Beim Mitarbeiter-Grillfest auf der Terrasse des Heims holten sie ihn einfach dazu. Weil Krankenpfleger Michael Gangnus irgendwie auch einer von ihnen ist.

„Meine Schwester hat sich große Mühe bei der Suche nach einem Platz für mich gegeben. Sie hat sich in den vergangenen Monaten um so viele Dinge gekümmert“, sagt Gangnus. Auch bei ihr möchte er sich öffentlich und von ganzem Herzen bedanken. „Ohne sie wäre ich aufgeschmissen gewesen.“

Hoffnung auf ein normales Leben

Inzwischen haben sich auch andere Medien bei Gangnus, Bauer und Matt gemeldet, weil sie ihre Geschichten hören wollen. Auf der Straße wird Gangnus angesprochen. Von Menschen, die von seinem Schicksal erfahren haben und ihn fragen, wie es ihm geht. Auch wenn es anstrengend ist, gibt ihm das ein gutes Gefühl, sagt Michael Gangnus. Denn: Das was ihm widerfahren ist, wieder und wieder zu erzählen, hilft ihm. „Dadurch verliert das Ganze seinen Schrecken.“ Bis jetzt hat es der 57-Jährige nicht bereut, an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. „Für mich war das der richtige Weg, ein wichtiger Schritt, um Sichtbarkeit zu erlangen.“

Die vergangenen Wochen haben ihm Auftrieb gegeben. Und Hoffnung. „Ich habe ein bisschen recherchiert, könnte mir vorstellen in die Lehre zu wechseln, in Zukunft Pflegeschüler zu unterrichten“, sagt Gangnus. Seine Chefin hat ihm angeboten, stundenweise ins Büro zu kommen, ein bisschen mitzuhelfen, wenn er möchte. Um wieder ein Gefühl für einen geregelten Alltag zu bekommen. Für ein ganz normales Leben, das sich Gangnus so sehr zurückwünscht.

Redaktion

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