Mannheim. Am Donnerstag ist vor dem Mannheimer Landgericht ein Prozess zu Ende gegangen, der Michael Gangnus, Stefanie Bauer und Kai Matt alles abverlangt hat. Seit Anfang März musste sich der 37-jährige Stefan G.
vor dem Landgericht verantworten, weil er am 12. Juni 2022 in Ellerstadt (Kreis Bad Dürkheim) zunächst seinen Vater erstochen haben soll und anschließend nach Mannheim fuhr, wo er laut Staatsanwaltschaft vier Radfahrer brutal rammte. Zwei von ihnen starben - Stefanie Bauers Eltern, Peter Lobert (78) und Monika Lobert (71). Zwei von ihnen überlebten: Michael Gangnus (57) und Kai Matt (32).
Dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie
Die Staatsanwaltschaft warf Stefan G. Totschlag und versuchten Totschlag vor, forderte die dauerhafte Unterbringung in einer Psychiatrie, weil G. an paranoider Schizophrenie leide und zum Tatzeitpunkt nicht schuldfähig war. Zu diesem Urteil ist nach vier Verhandlungstagen auch das Schwurgericht gekommen - und hat die dauerhafte Unterbringung von Stefan G. in einer Psychiatrie beschlossen.
Der psychiatrische Sachverständige hat von einer Lebenszeiterkrankung mit negativer Prognose gesprochen
Das bedeutet: Stefan G. bleibt solange in einer Psychiatrie, bis sich sein Zustand erkennbar gebessert hat und laut Sachverständigen keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit von ihm ausgeht. Das kann nach zwei Jahren der Fall sein, nach zehn Jahren oder niemals. „Der psychiatrische Sachverständige hat von einer Lebenszeiterkrankung mit negativer Prognose gesprochen“, sagt der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz.
Weil er nicht gut auf Medikamente anspreche und unter Affektstörungen leide. Und: Er habe von einem hohen Rückfallrisiko gesprochen.
Lebenslanger Entzug des Führerscheins
Neben der dauerhaften Unterbringung in einer Psychiatrie verfügt das Gericht, dass G. lebenslang sein Führerschein entzogen wird. Stefan G. ist an diesem Tag nicht anwesend, weil er am 20. März auf dem Rückweg vom Gericht in Rage geraten sein soll, nur von Polizeibeamten gebändigt werden konnte. „Deshalb findet die weitere Hauptverhandlung ohne ihn statt“, sagt Rackwitz. Auch die Urteilsverkündung.
Dann gewährt der Vorsitzende Richter der Öffentlichkeit weitere Einblicke in das Verfahren, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, weil es die Privatsphäre von Stefan G. ausleuchten sollte - um die Frage nach seiner Schuldfähigkeit zu beantworten. Rackwitz beschreibt die Krankengeschichte des Beschuldigten.
Wahn-Symptome und Halluzinationen
„Seit seinem 17. Lebensjahr war der Beschuldigte 17 Mal in stationärer Behandlung“, sagt der Vorsitzende Richter. Zuletzt zwischen dem 20. April und dem 1. Juni 2022. Nachdem er Bücher vom Balkon des Hauses seiner Eltern geworfen und Polizeibeamte angegriffen hatte.
Zwölf Tage nach seiner Entlassung aus einer psychiatrischen Klinik habe er wieder Wahn-Symptome entwickelt, Halluzinationen und sogenannte Leib-Halluzinationen. Dabei bilden sich Betroffene bestimmte körperliche Wahrnehmungen ein: Kälte, die in den Körper kriecht, oder das Gefühl, der Körper sei „zerschnitten“.
Im Zustand einer „hohen Krankheitsaktivität“ habe Stefan G. im Wohnzimmer seines Elternhauses zunächst seinen Vater erstochen, dann sei er nach Mannheim gefahren, wo er in der Rhenaniastraße die vier Radfahrer rammte.
Das alles noch einmal zu durchleben, war für uns alle sehr anstrengend
Michael Gangnus schließt die Augen, während Rackwitz von den vier Radfahrern spricht, die brutal und absichtlich angefahren wurden. Während Rackwitz über ihn spricht. Und über Peter und Monika Lobert, die bei der Autoattacke starben. Und über Kai Matt, der gestreift und leicht verletzt wurde.
„Das alles noch einmal zu durchleben, war für uns alle sehr anstrengend“, sagt Gangnus nach der Verhandlung. In den vergangenen Wochen haben er und die anderen Betroffenen der Autoattacke in bewegenden Gesprächen mit dieser Redaktion ihre Geschichte erzählt. Und das tiefe Bedürfnis formuliert, nicht vergessen werden zu wollen.
Dutzend Operationen nach der Attacke
„Ich hoffe sehr, dass dauerhaft wirklich dauerhaft heißt“, sagt Stefanie Bauer, die ihre Eltern bei der Autoattacke verloren hat. „So etwas darf nie wieder passieren.“ Die Vorstellung, der Mann, der sie alle töten wollte, könnte irgendwann wieder freikommen, ist für Matt schwer zu ertragen, sagt er nach der Verhandlung. „Dann könnten wir ihm auf der Straße begegnen oder im Restaurant.“
Im schlimmsten Fall könnte er sich wieder ein Auto schnappen. Kai Matt schüttelt den Kopf.
Die vergangenen Monate waren schwer, vor allem für Stefanie Bauer und Michael Gangnus. Der 57-Jährige wird im Sommer zum 13. Mal operiert. Sie wünschen sich nun, endlich zur Ruhe kommen. „Ich hoffe, dass wir jetzt in die Verarbeitung gehen können“, sagt Stefanie Bauer. Um endlich wieder Frieden zu finden.
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