Mannheim. Am Dienstagvormittag herrschen rund um den Tatort am Mannheimer Marktplatz Trauer, Wut und Entsetzen, nachdem am Montag ein 47 Jahre alter Mann im Zusammenhang mit einem umstrittenen Polizeieinsatz verstorben ist. Passanten kommen vorbei und legen Blumen ab. Auf einigen Pappschildern wird nicht mit Kritik am Vorgehen der Beamten gespart. Andere Menschen bleiben stehen und halten einfach nur inne.
Auch Oberbürgermeister Peter Kurz zeigt sich ob der Geschehnisse bestürzt. „Wir alle sind sehr betroffen vom Tod eines Menschen während, nach oder infolge eines Polizeieinsatzes. Sie alle wissen, wie wichtig uns ein friedliches, ein respektvolles Zusammenleben in unserer Stadt ist“, sagt Kurz in einem Statement am Dienstagmittag vor dem Rathaus, um das der „MM“ gebeten hatte.
„Warum schlägt man noch drauf?“
Der Polizeieinsatz am Montag werfe Fragen auf, betont der OB und macht deutlich: „Diese Fragen müssen beantwortet werden.“ Kurz verweist auf die Ermittlungen der dafür zuständigen Institutionen Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt. „Ich denke, eine Bewertung des Polizeieinsatzes vor dem Ergebnis dieser Untersuchungen verbietet sich. Ich appelliere an alle, das genauso zu halten“, erklärt Kurz in seinem Statement abschließend.

Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.
Die Leiche des Mannes soll am Mittwoch obduziert werden. Mit ersten Ergebnissen rechnet das Landeskriminalamt (LKA) am Ende der Woche, heißt es in einer Mitteilung. Der 47-Jährige habe gegen Anraten eines Arztes das Zentralinstitut für seelische Gesundheit (ZI), wo er Patient war, verlassen, so das LKA. Es sei ein „besonderer Fall“, sagt ein LKA-Sprecher. Die Aufnahmen von im Internet kursierenden Videos, auf denen zu sehen ist, wie ein Polizist den auf dem Boden liegenden Mann mit der Faust zwei Mal ins Gesicht schlägt, würden in die Ermittlungen miteinbezogen, sagt er weiter. Es handle sich jedoch nur um eine kurze Sequenz, die nicht vorschnell beurteilt werden sollte. Bei dem 47-jährigen Verstorbenen handelt es sich nach weiteren Angaben des LKA um einen deutschen Staatsangehörigen. Ob er einen Migrationshintergrund hatte, bleibt jedoch unklar. Nach Vorwürfen rassistisch motivierter Gewalt hatte das LKA bereits am Montagabend über Twitter mitgeteilt, dass der Mann kein türkischer Staatsbürger sei. Solche Spekulationen waren zuvor in den sozialen Medien aufgekommen.
Wie es weiter geht
- Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden beteiligten Beamten des Polizeipräsidiums Mannheim wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge eingeleitet.
- Laut dem Landeskriminalamt sind die Polizisten noch nicht suspendiert, verrichten aber keinen Streifendienst mehr. Ihnen droht neben dem Ermittlungsverfahren ein Disziplinarverfahren. Zudem gebe es keine Anzeichen auf rassistisch motiviertes Handeln, bei dem Verstorbenen handelt es sich um einen deutschen Staatsbürger.
„Es ist einfach nur traurig“, sagt Felizia Aslan, die am Dienstag zum Marktplatz kommt und des Opfers gedenkt. Die 32-jährige Mannheimerin erinnert sich an die Polizistenmorde in der Pfalz vor wenigen Wochen zurück. Da seien ebenso zwei Menschen unnötigerweise gestorben. Der Vorfall am Montag habe nichts mit Migrationshintergrund zu tun, betont sie und will nicht auf die Rassismusvorwürfe eingehen, sondern die übertriebene Polizeigewalt ansprechen. Wütend macht Aslan, dass niemand dazwischen ging, wobei sie die Leute auch verstehen kann: „Man hat ja auch ein bisschen Angst vor der Polizei.“ Dabei macht sie gleichzeitig deutlich, dass man nicht respektlos gegenüber den Beamten und Beamtinnen sein solle. Aber: „Der Mann war wehrlos. Warum schlägt man dann noch drauf?“, fragt Aslan. „Dass ein Menschenleben so wertlos ist, macht traurig“, fügt sie hinzu. „Sehr empört“ aufgrund der Herangehensweise der Beamten ist die 77 Jahre alte Irmtraud Reinemuth. Die Mannheimerin hebt hervor, dass der Verstorbene Patient im ZI war: „Ich kann doch einen kranken Menschen nicht halbtot schlagen“, ist sie bestürzt. Sie habe durch den Vorfall, den sie selbst mitbekommen habe, Vertrauen in die Polizeiarbeit verloren.
Ein junger Mann aus Mannheim, der seinen Namen nicht nennen will, ist fassungslos. „Man findet dazu keine Worte, die nicht neu sind“, sagt er und schiebt hinterher: „Einfach nur grausam.“ Sharan Hma Salah Rzgar ergeht es ebenso. „Ich habe nicht gut geschlafen, nachdem ich die Videos gesehen habe“, die im Internet abgerufen werden können. Sein Gefühl in die Sicherheit sei nun verloren gegangen. Man könne nicht jedem Polizisten vertrauen, sagt er.
Das Polizeipräsidium Mannheim selbst äußert sich bislang nicht zu dem umstrittenen Einsatz. Präsident Siegfried Kollmar war auf Anfrage nicht bereit für eine Stellungnahme, die Pressestelle verweist auf die laufenden Ermittlungen des LKA.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat indes Hass- und Hetzbotschaften in den sozialen Medien scharf verurteilt. GdP-Landeschef Gundram Lottmann sagte am Dienstag in Stuttgart, solche Reaktionen seien nicht nur völlig unangemessen, sondern auch menschenverachtend. „Wir alle sind betroffen von dem traurigen Vorfall, vor allem die eingesetzten Beamten selbst. Derzeit ist weder die Todesursache bekannt noch liegen konkrete Ermittlungsergebnisse vor.“
GdP verurteilt Hass und Hetze
Die Gewerkschaft forderte, von Vorverurteilungen und Diffamierungen abzusehen. „Hass und Hetze im Internet ebenso wie Gewaltandrohungen und Verunglimpfungen dürfen in unserer Gesellschaft keinen Raum bekommen.“ Auf „MM“-Anfrage zeigt sich auch Mannheims GdP-Chef Thomas Mohr über den Tod des Mannes bestürzt, erklärt aber zudem, dass der vollständige Name des betroffenen Beamten veröffentlicht worden sei: „Wir verurteilen absolut die namentliche Nennung des Beamten in den sozialen Medien. Hier wird ein Kollege bedroht, in Unkenntnis, was zuvor vorgefallen ist. Solche Hetze gegen Polizisten geht gar nicht, und wir werden dagegen strafrechtlich vorgehen.“
Aber waren die Schläge ins Gesicht des Mannes wirklich notwendig bei diesem Einsatz? „Wenn unmittelbarer Zwang angewandt wird, ist es auch rechtlich legitim, dem Widerstand mit Schlägen auf den Körper entgegenzuwirken“, sagt Mohr.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-grosse-bestuerzung-in-mannheim-wie-es-nach-dem-polizeieinsatz-mit-todesfolge-weitergeht-_arid,1945774.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mann-verstirbt-nach-polizeieinsatz-am-mannheimer-marktplatz-_arid,1945029.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mannheims-ob-kurz-zum-umstrittenen-polizeieinsatz-fragen-muessen-beantwortet-werden-_arid,1945472.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Das Vertrauen in die Polizei in Mannheim ist erschüttert