Mannheim. Vor einem Jahrhundert trug das Palais Lanz noch ein Mansardendach. Doch dieses verschwand, gerade mal zehn Jahre alt, samt seinen gestalteten Gauben, als die Reichspost 1923 die Oststadt-Villa erwarb. Jetzt tut sich wieder etwas in luftiger Höhe: Auf dem Flachdach entsteht hinter der Balustrade ein gläserner Pavillon, den die Schwiete-Stiftung für sich als Seminarraum nutzen möchte. Außerdem werden die Innenräume des Prachtbaus saniert und mit Liebe zum historischen Detail restauriert.
Bauaktivitäten auf und in dem Palais beobachten Anwohner schon lange, teilweise mit Argwohn – wovon Anrufe beim „MM“ künden. Bei einem Rundgang betont Jürgen Staiger, Repräsentant der Palais Lanz Immobilien GmbH & Co. KG und Vorstand der Dr. Rolf M. Schwiete Stiftung als Alleingesellschafterin, dass dem gläsernen Aufbau schon vor Jahren die damalige kommunale Denkmalpflegerin Monika Ryll wie auch die Karlsruher Denkmalschutzbehörde zugestimmt haben: „Der Dach-Pavillon trägt als Landart-Objekt den Gebäudestrukturen und dem früheren Mansardendach Rechnung und passt sich bestens ein.“ Der promovierte Wirtschaftler, der das Palais schon während seiner Studienzeit an der Mannheimer Universität bewunderte, hätte sich nie träumen lassen, in der einst für den Industriellen Karl Lanz und dessen Ehefrau Gisella schlossähnlich errichteten Villa selbst einmal mit Büro zu „residieren“.
Überraschung unter PVC-Boden
Unser Baustellenrundgang beginnt ganz oben mit Panoramablick. Die gigantische Sicht über Mannheims Dächer weit hinaus dürfte beflügeln, wenn Vorstand und Beirat der Schwiete-Stiftung in dem Glas-Pavillon konferieren.
Schon 2014 habe sich bei ersten kleineren Baumaßnahmen gezeigt, so Staiger, dass es „einer künstlerischen Gesamtkonzeption“ bedarf. Die wurde dem Frankfurter Architekten Berthold Ressler übertragen. Gemeinsam mit einem Kollegen vor Ort, Egon Ries, und dem Mannheimer Bauunternehmen „Diringer & Scheidel“ soll das Palais so revitalisiert werden, dass die Opulenz der Belle-Époque-Architektur erhalten bleibt, gleichwohl das Gebäude optimal genutzt werden kann und obendrein heutigen Anforderungen, auch beim Brandschutz, entspricht.
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In den vergangenen Jahren sollte sich so manch eine Überraschung offenbaren: So kamen in Räumen des Nebengebäudes unter verschlissenem Teppichboden Dielen aus Pitch-Pine-Holz zum Vorschein. Außerdem hatte im dortigen Treppenhaus ein schnöder PVC-Belag auf den Stufen den roten Sandstein überdeckt. Angesichts vielfältiger Bausünden vergangener Jahrzehnte, als Post und Telekom das Palais nutzten, sind Handwerksbetriebe aus der Region – ob spezialisiert auf Stuck, Steinmetzarbeiten, Vergolden oder Holzrestauration – damit beauftragt worden, das Juwel an der Erzbergerstraße samt seinen noch erhaltenen Repräsentationsräumen so weit wie möglich in den ursprünglichen Zustand zu versetzen.
Und so erhält der fünf Meter hohe, bis zur Decke mit Eichenholz vertäfelte Speisesaal die Pracht jener Tage zurück, als dort die Familie Lanz tafelte. Das gilt auch für den direkt angrenzenden Salon mit seiner dunklen Nussbaumverkleidung samt Holzschnitzarbeiten und der inzwischen sorgsam freigelegten Kassetten-Stuckdecke.
Im Entrée mit Säulenhalle und Marmortreppenhaus sind vor einigen Wochen Pilaster entdeckt worden. Bei dem Rundgang ist gerade Restauratorin Katharina Hünerfauth damit beschäftigt, die zugegipsten und überpinselten Formelemente wieder im Mauerwerk sichtbar zu machen.
Wenige Veranstaltungen geplant
Jürgen Staiger, Sprecher der Bauherrschaft, geht davon aus, dass die Lanz-Villa mindestens noch ein halbes Jahr Großbaustelle bleiben wird. Zu den Herausforderungen beim Restaurieren gehört auch, dass vom Palais Lanz keine Originalpläne mehr existieren und nur wenige Fotos. Staiger: „Es wäre deshalb hilfreich, wenn sich private Aufnahmen finden würden.“ Gefragt sind Ansichten von außen wie innen quer durch die Jahrzehnte.
Auch wenn es in den wieder hergestellten Erdgeschoss-Repräsentationsräumen keine Event-Gastronomie geben wird, so sind wenige Veranstaltungen, beispielsweise Konzerte am Tag des Denkmals, geplant: „Vielleicht findet sich ein Konzertflügel, auf dem, wie zu Zeiten der Familie Lanz, wieder klassische Musik im Palais erklingen könnte“, blickt Staiger inspiriert von der Vergangenheit in die Zukunft.
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