Mannheim. Drogen zu nehmen ist gefährlich. Besonders gefährlich kann es werden, wenn Rauschmittel zu stark dosiert oder durch zugefügte Stoffe verunreinigt sind. Deshalb macht sich der Mannheimer Drogenverein zusammen mit anderen Beratungsstellen in Baden-Württemberg für ein Angebot stark, das es in manchen anderen europäischen Ländern bereits gibt: das sogenannte Drug Checking, also die Untersuchung der illegalen Substanzen vor deren Einnahme.
Funktionieren soll das Ganze nach den Vorstellungen von Philip Gerber vom Drogenverein so: Konsumenten können ihre Rauschmittel kostenlos zur Überprüfung vorbeibringen. Dabei gibt es auch ein Beratungsgespräch über Wirkung und Gefahren der Droge. Die Substanz wird dann in einem Labor geprüft, und ein paar Tage später können die Konsumenten das Ergebnis telefonisch oder online abrufen.
Angebot in anderen Ländern
Drogenverein-Geschäftsführer Gerber sieht das Angebot als Schutz für Konsumenten. „Es gibt doch auch Helm und Sicherheitstrainings für Motorradfahrer“, argumentiert er. Das Ganze ist freilich noch Zukunftsmusik. Die beteiligten Beratungsstellen arbeiten laut Gerber im Moment noch an einem Antrag an das Sozialministerium in Stuttgart für ein Pilotprojekt, das an mehreren Standorten im Land umgesetzt werden soll. Utopisch dürfte das Projekt aber nicht sein, schließlich steht im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung: „Wir setzen uns im Rahmen eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojekts für Möglichkeiten ein, Inhaltsstoffe von Drogen überprüfen zu lassen (Drug-Checking).“
In Nachbarstaaten gibt es ein solches Angebot schon, etwa in Österreich, der Schweiz oder den Niederlanden. In Thüringen startete 2021 ein ähnliches Pilotprojekt, mit einem mobilen Testangebot, etwa vor Clubs. Grundsätzlich ist für ein solches Projekt allerdings eine Änderung im Betäubungsmittelrecht nötig - der Besitz illegaler Drogen ist strafbar, auch für denjenigen, der sie zum Testen entgegennimmt.
„Drug Checking“ soll unter anderem verhindern, dass Menschen bei der Einnahme von Drogen sterben. Im vergangenen Jahr gab es laut Gerber in Mannheim 13 Opfer. Die Zahl ist die gleiche wie 2021 und mit Blick auf die vergangenen Jahre vergleichsweise hoch (siehe Grafik). Die Opfer - etwas mehr Männer als Frauen - waren laut dem Drogenverein-Geschäftsführer zwischen 30 und 53 Jahre alt.
Opfer durch Kokain
Beim Großteil handelte es sich wie in den vergangenen Jahren um Heroinabhängige, die zusätzlich Schmerz- oder Schlafmittel einnahmen. Das Besondere in 2022: Erstmals seit Langem sind auch drei Personen unter den Opfern, die beim Konsum von Kokain oder Amphetamin gestorben sind. Und die weder aktuell noch in der Vergangenheit vom Drogenverein betreut wurden. Gerber sieht das als „Arbeitsauftrag“, sich stärker um die Konsumenten dieser Drogen zu kümmern. „Allerdings ist es schwer, an die heranzukommen.“
Rund 1350 Personen werden betreut
Der Drogenverein in K 3, 11-14 betreut in Mannheim die Konsumenten illegaler Drogen – aktuell sind es laut Geschäftsführer Philip Gerber rund 1350 Personen.
Circa 600 davon sind heroinabhängig, ungefähr 230 nehmen Haschisch oder Marihuana. Unter den Betreuten sind auch Konsumenten von Kokain und Amphetamin und natürlich auch viele Angehörige von Abhängigen.
Der Verein hat aktuell rund 30 Beschäftigte in Voll- und Teilzeit, dazu kommt etwa noch einmal die gleiche Menge an Aushilfen. Neben Beratungsräumen gibt es in K 3 auch einen Kontaktladen.
Der Etat liegt in der Größenordnung von rund zwei Millionen Euro jährlich. Mehr als die Hälfte davon kommt von der Stadt Mannheim, in den Etat fließen aber auch Landesmittel und Bußgelder.
Kontakt: 0621/15 90 00, www.drogenverein-mannheim.de
Eine weitere Möglichkeit, die Zahl der Drogentoten zu senken, bietet ein legaler Konsumraum. Der Drogenverein wünscht sich ein solches Angebot schon lange, es gab in der Vergangenheit auch entsprechende Anträge von Grünen und SPD im Gemeinderat. 2019 hat die Landesregierung die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein solches Angebot geschaffen, in Karlsruhe wurde ein Konsumraum eingerichtet, in Stuttgart gibt es bereits einen Gemeinderatsbeschluss dafür.
In Mannheim beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe unter anderem aus Vertretern von Suchthilfe, Polizei und Quartiermanagement mit dem Thema. Sie ist sich darüber einig, dass ein Konsumraum sinnvoll sei, wie es in einer Vorlage für den Gemeinderat vom November heißt.
Suche nach richtigem Standort
Die Arbeitsgruppe favorisiert als Standort demnach die Räume des Drogenvereins in K 3. Im dortigen Innenhof, heißt es, soll zudem ein Aufenthaltsort geschaffen werden, damit sich die Szene möglichst nicht mehr am Taxistand in K 1 trifft. Für „Frühjahr/Sommer 2023“ kündigt das Gesundheitsdezernat eine Beschlussvorlage für den Gemeinderat an - mit ausführlichem Konzept und Kostenkalkulation.
Auch Philip Gerber hält das Gebäude des Drogenvereins für den richtigen Standort eines Konsumraums. Eben weil es nicht weit entfernt liegt vom jetzigen Treff am Taxistand und den Stellen, wo aktuell am meisten konsumiert wird und deshalb auch häufig benutzte Spitzen zu finden sind: in der Unterführung zwischen Abendakademie und Kurpfalzbrücke und am Neckarufer beim Museumsschiff.

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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar "Drug Checking" in Mannheim: eine Überlegung wert