Justiz - Landgericht bleibt nach Prügelattacke in der Neckarstadt-West deutlich unter dem Antrag der Anklage / Richter: „Sie können von großem Glück reden“

Gewaltorgie im Mannheimer Café Royal: 35-Jähriger verurteilt

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Stefanie Ball
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Landgericht Mannheim © dpa

Mannheim. Eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten – mit Erleichterung reagieren der Angeklagte Mihai S. sowie seine im Gerichtssaal sitzenden Familienangehörigen auf das Urteil des Mannheimer Landgerichts. Damit folgte die erste Strafkammer in wesentlichen Punkten der Argumentation der Verteidigung, die wegen gefährlicher Körperverletzung auf sechs Jahre Gefängnis und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt plädiert hatte. Ein viel höheres Strafmaß, nämlich elf Jahre, hatte dagegen die Anklage gefordert. Oberstaatsanwältin Jeannette Zipperer hatte angeführt, dass der 35-Jährige bei seiner Gewaltorgie in einer Nacht Anfang Juni vergangenen Jahres im Café Royal in der Neckarstadt-West den Tod seines Opfers zumindest billigend in Kauf genommen habe.

Wollte er das Opfer retten?

Überwachungskameras, die in der Bar installiert waren, zeigen, wie Mihai S., der wie sein Opfer aus Rumänien stammt, fast eine halbe Stunde lang auf den bereits am Boden liegenden Mann mit teils brutaler Gewalt einschlägt und eintritt. Zwischendurch machte er mit seiner Handykamera Fotos von sich und dem Opfer, suchte die Toilette auf, trank ein Glas Wasser. Schließlich verständigte der 35-Jährige seinen Bruder und bat ihn, einen Rettungswagen zu rufen. Das tat der Bruder, nachdem er zunächst in das Lokal geeilt, dann seine Ex-Freundin verständigt und mit ihr zum Tatort zurückgekehrt war. Für Verteidiger Thomas Dominkovic ein klares Zeichen, dass der Angeklagte von der Ausführung seiner Tat zurückgetreten war, der Tatbestand des versuchten Mords also nicht gegeben sei. Dominkovic hatte deswegen auf gefährliche Körperverletzung und damit auf eine geringere Strafe sowie eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt plädiert, was die effektiv abzusitzende Zeit im Gefängnis weiter verkürzt hätte.

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Zu großen Teilen folgte die erste Strafkammer des Landgerichts dieser Argumentation. Um von einem Rücktritt vom Versuch zu sprechen, der sich dann strafmildernd auswirkt, müsse eine Handlung vorliegen, die vom Rettungswillen getragen sei und letztlich zum Erfolg führe, erläutert der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz. Erfolg habe der Anruf von Mihai S. bei seinem Bruder gehabt, denn nur so habe der einschreiten und Rettungskräfte verständigen können.

Staatsanwaltschaft prüft Revision

Ob Mihai S. tatsächlich den Willen hatte, seinen Landsmann zu retten, hätten Staatsanwaltschaft und Verteidigung unterschiedlich bewertet, führte Rackwitz in der Begründung des Urteils weiter aus. Es sei allerdings „nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass es dem Angeklagten auch darum ging, die Rettung des Geschädigten zu veranlassen“. Dass ein Hang zum Drogen- oder Alkoholkonsum bei Mihai S. vorliege, was eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gerechtfertigt hätte, sah das Gericht nicht. An den Angeklagten gewandt betonte der Vorsitzende Richter: „Sie können von großem Glück reden.“ Hätte das Opfer am Ende nicht überlebt, „hätten wir über eine ganz andere Strafe für Sie gesprochen“.

Die Staatsanwaltschaft prüft nach eigenen Angaben, ob sie Revision gegen das Urteil einlegen wird, und auch Verteidiger Dominkovic will sich diese Möglichkeit noch offenhalten.

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