Mannheim. Mitten in der Nacht setzt der Bruder des mutmaßlichen Täters eine Chatnachricht an den Besitzer des Café Royal in der Mittelstraße in der Neckarstadt-West ab: „Die töten sich hier, komm’ mit dem Schlüssel!“ Doch der Inhaber der Bar schläft längst, hört erst am nächsten Morgen von der Bluttat, die sich wenige Stunden zuvor zugetragen haben soll. Oder vielmehr: zugetragen hat. Denn schon am zweiten Verhandlungstermin vor dem Schwurgericht der ersten Strafkammer des Landgerichts Mannheim räumt der mutmaßliche Täter, Mihai S., die Tat ein. Laut Anklageschrift, die die Staatsanwaltschaft bereits zu Prozessauftakt vor Weihnachten verlesen hatte, schlug und trat der 35-Jährige 28 lange Minuten auf sein Opfer, den Wirt im Royal an jenem Abend im Juni vergangenen Jahres, ein. Er hörte auch dann nicht auf, als der Mann schon nicht mehr ansprechbar war, Verletzungen am Kopf offensichtlich waren, Blut den Boden bedeckte. Vorausgegangen war der brutalen Attacke ein verbaler Streit zwischen den zwei Männern, möglicherweise ging es um Geldforderungen.
„Es tut mir leid, ich wollte nicht, dass so etwas passiert“, sagt Mihai S., der seit Juni in Untersuchungshaft sitzt, nun vor Gericht. Mit den Händen bedeckt er immer wieder das Gesicht, neben ihm eine Dolmetscherin, die für ihn ins Rumänische übersetzt. 200 Schläge und Tritte soll er dem Opfer zugefügt haben, zwischendurch soll er den Mann angesprochen haben und sobald der geantwortet hat, habe er erneut zugeschlagen. Das stellt sein Verteidiger, Thomas Dominkovic, nicht in Abrede. In der Erklärung, die er im Namen seines Mandanten vorliest, heißt es, es treffe zu, dass S. dem Geschädigten die Verletzungen zugefügt habe. Er habe das aber nicht in Tötungsabsicht getan, er habe auch nicht, wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, den Tod billigend in Kauf genommen. Vielmehr sei er aufgrund der Angriffe des späteren Opfers zunächst in einer Notwehrsituation gewesen, habe dann allerdings „die Grenzen bei Weitem nicht mehr eingehalten“. Er führe das zum einen auf frühere Unstimmigkeiten zurück, zum anderen habe er unter Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden. S. flüchtet, wird zwei Wochen später in der Schweiz gefasst. Zuvor hatte er noch aus der Bar heraus seinen Bruder angerufen, der den Notarzt verständigte. Das schwer verletzte Opfer wird durch einen intensivmedizinischen Einsatz gerettet.
Alkoholexzesse schon als Kind
Mihai S. kam vor 16 Jahren das erste Mal von seiner Heimat Rumänien nach Deutschland. Er war seiner damaligen Frau gefolgt, die bereits in Mannheim lebte. 2011 trennt sich das Paar, zwei Jahre später die Scheidung. Aus der Ehe stammt eine Tochter, sie ist heute zwölf. Für S. ist das Mädchen der Hauptgrund, um in den Folgejahren immer wieder nach Mannheim zurückzukehren. „Ich wollte meine Tochter sehen“, sagt der 35-Jährige. Einen festen Job hat er nicht, er nimmt immer wieder Gelegenheitsjobs in Rumänien und der Schweiz als Fahrer an. Wenn er in Mannheim ist, wohnt er bei seiner Mutter. Geld ist knapp, und so fängt er bald an, mit Drogen zu dealen. 2015 gerät er an einen verdeckten Ermittler, landet im Herbst desselben Jahres vor Gericht. Das Urteil wegen Betäubungsmittelbesitzes und -verkaufs: anderthalb Jahre auf Bewährung. Doch dem fatalen Kreislauf entkommt Mihai S. nicht.
Dass er täglich mehrere Flaschen Bier trinkt, ist für ihn fast schon selbstverständlich, mit neun Jahren fällt er nach einem Alkoholexzess ins Koma, er raucht seit der Kindheit, später kommen Marihuana, Kokain, Ecstasy hinzu. Dazwischen gibt es immer wieder Phasen der Abstinenz. Die Wochen vor der Tat gehören nicht zu diesen Phasen. Er sei depressiv gewesen, sagt S. selbst.
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